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Wir superjungen Hippies (12, 13 Lenze?) konnten weder ABBA noch die Bee Gees gutheissen. Die einen sangen doch wohl eher Pop-Schlager, die anderen Pop-Schnulzen. Mit „Gegenkultur“ hatte das alles wenig zu tun. Die Helden waren wahlweise die Beatles, die Kinks, die Stones. Ein Freund hatte sich die Single „Massachussetts“ gekauft, und jung, wie wir waren (wir sahen noch Rin-Tin-Tin und die Monkees im TV), sangen wir die Schnulze inbrünstig mit. Eigentlich nur das eine lang gezogene Wort mit seinen vier in Moll ertränkten Silben. Aber die Single hätte damals auch im Schaufenster des Musikladens der Bushaltestelle an der Harkortstrasse neben Adamo und Paul Anka hängen können, ohne aufzufallen. Brüder, im Kitsche vereint. Heimlich mochten mein Blutsbruder Matthias und ich dann doch das eine und andere Lied von ABBA, aber unser hauptsächliches Interesse war beim Lesen des Bravo-Blättchens, ob man schneller bei der Brünetten (meine Favoritin) oder der kühlen Blonden (sein Objekt der Begierde) abspritzen könnte. Natürlich haben ABBA grandiose Evergreens geschaffen und mit „The Winner Takes It All“ eines der tottraurigsten Abschiedslieder der letzten hundert Jahre geschaffen.
Die Bee Gees tauchten wieder in meiner Studentenzeit auf, die Discowelle schwappte in die alte Bundesrepublik, und da waren sie wieder, zusammen mit John Travolta und „Saturday Night Fever“. Ich fand den Typ im Film einfach nur völlig behämmert, und da ich nur marginal an diesem Discozirkus der Siebziger Jahre teilnahm, bekamen die Bee Gees für ihren Soundtrack wieder keine Schnitte bei mir. Dabei war dieser O.S.T. schlicht grossartig, und eine gute Einführung in das Produzieren von Endorphinen in der Popkultur.
Erst später, als ich am Rande der grünen Welt lebte, fern der Städte, war diese Scheibe der skurrillste Sehnsuchtsstoff, den man sich nah der tschechischen Grenze vorstellen konnte. Es dauerte ein Jahr, bis ich meine wirbelnde Tanzpartnerin gefunden hatte, wir waren linke, aufgeklärte Zeitgenossen, die sich in einem Dorf namens Bergeinöden die Seele aus dem Leib tanzten, mit „Saturday Night Fever“, „My Life In The Bush of Ghosts“, „Low“ (Seite 1), und „Remain In Light“. Coole Kombi. Wenn man heute die Bee Gees retrospektiv betrachtet, wird gerne „Odessa“ als Klassiker gehandelt, genauso wie ihr Melodienreigen für das Wochenendfieber. Ich wusste bislang gar nichts von diesem Sabbatical Robin Gibbs Ende der Sechziger Jahre und den damals entstandenen Songs, von denen Alex Petridis erzählt. Aber ich weiss, dass die Pophistorie jenseits ihrer nostalgischen Aufbereitung Geisterstunden und viele letzte Herzschläge enthält.