Unzählige Mädchen meines Studiengangs stürzen sich auf die Seminare über mittelalterliche Liebeslyrik. Hohe Minne, niedere Minne: Verse über schöne Frauen, deren Tugenden, ihre roten Lippen, und glänzendes Haar.
Während meine Kommilitoninnen um mich herum dahinschmelzen, lässt mich dieses aussichtslose Schwärmen um die Damen des mittelalterlichen Hofes eher kalt.
Betrachten wir den Komplex der Minnelyrik doch einmal ganz nüchtern. Ein Sänger beobachtet eine Frau aus sicherer Entfernung. Er bewundert ihre Anmut und ihre Schönheit und dichtet deshalb süße Zeilen über seine Herzensdame. Natürlich ist ihm bewusst, dass er niemals ihre Gunst gewinnen wird. Er beklagt sein Leid, aber dennoch verspricht der Verliebte, niemals mit seiner Werbung aufzuhören, denn neben der Qual der unerfüllten Liebe bereitet es ihm größte Freude, diese unnahbare Frau zu ehren.
Wie rührend! Das muss wahre Liebe sein!“ – finden die Teilnehmerinnen des Seminars. Mir fällt dazu leider nur ein Wort ein: Stalking.
Ein Mann, der geradezu fanatisch an einer Wunschvorstellung festhält, obwohl er selbst bereits erkannt hat, dass es eben nur ein Wunsch ist und bleiben wird. Trotz dieser Erkenntnis lässt er nicht davon ab, sein Objekt der Begierde zu beobachten bis er jedes Detail über sie in Erfahrung gebracht – und natürlich besungen – hat.
So romantisch einige Menschen diesen Gedanken finden, mich schreckt es eher ab. Nicht, dass ich keinen Sinn für Romantik habe – ganz im Gegenteil. Allerdings muss ich zugeben, dass Punk-Poeten wie Blink182 ihre Gefühle auf eine schönere Art ausdrücken, wenn sie wie in „Rock Show“ das wunderbare Mädchen besingen, das von der Schule geflogen ist und mit dem sie nach Vegas ziehen wollen.