Bald war stoischer Gleichmut gefragt. Bis auf zwei Spieler lieferte das Team nach dem Zeitpunkt des Wolfsburger Ausgleichs eine durchweg, freundlich ausgedrückt, durchschnittliche Partie ab, da war keine Wendung zum Guten zu erahnen, auch wenn die überwiegend schwarzgelben Fans im weiten Rund noch manchen Ermutigungschorus im Repertoire hatten.
Wieso beging Kehl vor dem Standard, der die Wende einläutete, ein völlig sinnloses Foul an Gustavo, der bloss einen Pass ins Niemandsland spielte? Wo waren Reus und Gündogan, als alles den Bach runterging? Später sahen wir noch Delling und Klopp über den Bildschirm flimmern, und Klopps letzter Auftritt als Trainer verriet, dass das hier alles andere als das routinierte Abwickeln eines letzten Arbeitstages war. Er wusste, dass jede Umarmung eines Spielers die letzte war. So fühlte er sich auch.
Und es darf die Frage gestellt werden, warum mit diesem tristen Bluesakkord des Schlusspfiffs die Ära Klopp besiegelt werden musste. Hätte es nicht Optionen gegeben, nach dem verflixten siebten Jahr einen Nullpunkt im Jahr acht zu setzen: was ist wirklich hinter den Kulissen passiert: hat es, wie ich ahne, manchmal zu heftig geknallt zwischen Zorc und Klopp? Hätte ein Mediator geholfen? Oder war es doch ein Solo von Klopp, den Abschied einzureichen? Sowas passiert weder aus heiterem noch aus bewölktem Himmel „einfach so“! Okay, okay: „Hätte, hätte, Fahrradkette“. Unser Zug aus Berlin wird bald in Dortmund ankommen. Kein DJ heute in der Hafenkneipe, der alte BBC-Sendungen mit Joe Strummer auflegt. Keine neuen Freunde im Kreuzviertel.
Sie könnten mal, wenn Sie Trauerarbeit leisten wollen, mit dem Fahrrad oder Auto am Borsigplatz im Kreis fahren. Statt einer grossen, wehmütigen Party mit hunderttausend Teilnehmern, sehen Sie ein paar Betrunkene, einen Pudel, der an einen Laternenpfahl pinkelt – und ein Zeitungsblatt segelt, wie in einem alten Robert Wyatt-Song, durch die Lüfte. Wir sehen uns dann bei der nächsten grossen Party, in 50 Jahren! Weniger lakonisch: es gehört zum Ende einer Ära, dass danach die etwas tristeren Zeiten kommen. Ein Thomas Tuchel wird diesen langen Übergang zu moderieren haben, er wird kaum eine Chance haben, die Mannschaft hat ihren Zenith überschritten, und Mourinho (mein zweitliebster Trainer, ich gestehe!:)), kann leider kein Deutsch.
Wohl dem, der die Musik liebt! Zeit für „Lone Wolf“, für Rickie Lee Jones. Und, an Tagen wie diesen, gerne auch „Sailing“, oder „Road To Nowhere“. Da können die Wolken ruhig pinkfarben sein. Jürgen Klopp ist, schon jetzt, ein „lost classic“. Mit Ulla (Frau) und „Emma“ (Hund) geht es erstmal in den Urlaub, klar, nach Sylt. Insel der Manafonisten. (Die Konsequenz für mein Leben ist einschneidend: zum ersten Mal seit meinem sechsten Lebensjahr lege ich ein einjähriges Borussia-Sabbatical ein.)