Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2015 29 Mai

Paris, oder: Das Licht in Kalifornien

von: Martina Weber Filed under: Blog | TB | Tags: , , , | 4 Comments

Sean Baker sagte, er hätte es darauf angelegt, die Regeln des Pornofilms zu brechen. Die Pornoindustrie bestimmt hier nicht den ganzen Film und auch nicht die gesamte Persönlichkeit von Jane, sondern nur einen kleinen Teil. Ansonsten ist Jane eine verdammt gut aussehende, intelligente und ziemlich gut gelaunte junge Frau, hängt mit ihren Freundinnen herum und mit ihrem kleinen Hund Starlet. Eines Tages kauft sie auf einem Flohmarkt einer alten seltsamen und abweisenden Frau, Sadie, eine Thermoskanne ab. Damit beginnt die Geschichte. Sean Baker sagte, er hatte immer schon mit Menschen befreundet sein wollen, die wesentlich älter waren als er selbst. Aber wie fängt Freundschaft an? Vielleicht damit, jemandem ein Glas Wasser anzubieten.

 

– Good water.

– It´s just water.

 

Also, das war es noch nicht. Vielleicht fängt es an, wenn es selbstverständlich geworden ist, gemeinsam eine Tasse Kaffee zu trinken, ein Ritual. Und wenn niemand unangenehme Fragen stellt. Wenn es nicht mehr um Macht geht. Wenn man gemeinsam etwas erlebt. Ein Bingospiel. Weil Sadie jeden Samstag Bingo spielt. Wenn niemand recht haben muss und wenn es egal ist, wer eine Wette gewinnt. Und wenn sogar eine Verräterin nichts zerstören kann. Und der Schluss dieser Geschichte ist so bewegend, dass Besedka Johnson, die Sadie spielt, als sie im Interview davon erzählt, zu weinen beginnt. Wahrscheinlich war dieser Film ihre letzte Rolle. Sie ist 85 Jahre alt.

Ich war vor ein paar Stunden, als ich den Fernseher anschaltete, plötzlich in diesem Film gelandet, den ich vor drei Jahren im Kino gesehen hatte. Spätvorstellung. Das Sommerlicht in Los Angelos. Damals saß hinter mir eine Frau, die, noch während der Abspann lief, sagte, sie hätte das Ende nicht verstanden, und mit der ich dann bei einem Milchkaffee darüber sprach, wie wir es deuten könnten.

 
 

Starlet, USA 2012

Regie: Sean Baker

 
 
 

 

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4 Comments

  1. Martina Weber:

    Weiß nicht, wie lange das Bonusmaterial abrufbar ist.

  2. Wolfram Gekeler:

    Um nochmal auf das Manafonistas-Buch zurück zu kommen: solche Kinogeschichten würde ich z.B. gern darin lesen. Filmbesprechungen und die ganzen Profi-Kritiken kann ich auch in der Zeit lesen; ich vertraue aber mehr den Einträgen in meinem Notizbuch, die alle von persönlichen Schilderungen oder Hinweisen stammen. Der Milchkaffee bekommt da seine besondere Bedeutung. In der näheren Umgebung dieses Textes gibt es einige, für die das ebenso gilt: es wird persönlich Interesse geweckt, ob das nun um die Fritz-Lang-Biographie, Rickie Lee Jones’s CD oder Skandale im Fußball geht. Und alles durcheinander.

  3. Martina Weber:

    Danke, Wolfram, das freut mich. Auch, dass du dieses Buch nochmal erwähnst. Ich halte es immer noch für möglich, aber ich konzentriere mich jetzt erstmal auf die Arbeiten, die ich beeinflussen kann.

    Heutzutage hat es ja wenig Sinn, über Filme etwas zu schreiben, was schon im Netz zu lesen ist. Mich hat immer der andere Zugang interessiert. Und so geht es allen Manafonistas. Das ist eins der verbindenen Elemente. Sich im Schreiben nicht darüber zu stellen, sondern etwas daraus zu machen. Der Ansatz der Postmoderne. Rhizom :)

  4. Uwe Meilchen:

    @ Wolfram: ich kann garnicht so genau formulieren warum: aber wenn ich hier ueber das Fritz Lang Buch (z.B.), ueber Friedel Nietzsche (z.B.), ueber etwas lese, so weckt das mein Interesse mich „damit“ naeher zu befassen weitaus mehr als es z.B. eine Rezension in der „FAZ“, der „ZEIT“ oder aehnlichem tun kann. Vermutlich, weil die sachdienlichen Hinweise hier im Blog immer auch einen persoenlichen twist mit sich fuehren; quasi als unsichtbaren Webfaden.


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