Ich hatte unlängst ein faszinierendes Kinoerlebnis, bei einer Vorführung des Regiedebuts von Ryan Gosling, „Lost River“. Er ging mir schlicht und einfach unter die Haut, und die Zeit, die Gosling und sein Kameramann in langsamen Einstellungen oft anzuhalten, einzufrieren schienen, verging im Fluge).
Der Schauspieler, der keine Miene zuviel verzieht, das allerdings mit einer Ausdrucksstärke, die unsern allgegenwärtigen Till Schwaiger auf unterstes Bad Segeberg-Niveau stutzt, war in kurzer Zeit zum „James Dean des 21. Jahrhunderts“ mutiert (u.a. wegen des abgründigen thrillers „Drive“, und des epischen „The Land Beyond The Pines“) – und er selbst kann ja nichts für das Geschwätz der bunten Presse.
Auf „Lost River“ wurde in Cannes und sonstwo gnadenlos „eingeprügelt“, und als ich den Film sah, der mich mit seiner gespenstischen Atmosphäre, seinen berauschenden Bildern, seiner apokalyptischen Stimmung gefangen nahm, spürte ich die Vorbilder, allen voran David Lynch, aber auch die keineswegs bloss epigonalen Abgründigkeiten dieses Nacht- und Neonfilms. Inspiriert wurde er angeblich von Ryan Goslings Eindrücken im desolaten Detroit, einer Stadt, der schon seit Jahrzehnten alle Höhenflüge abhanden gekommen sind.
Lassen sie sich also nicht von den Verrissen hier und da auf den Gedanken kommen, diesen Film (der gerne schon mal als „Machwerk“ bezeichnet wird) zu verpassen. Was heute Tobias Kniebe in der SZ schreibt, ist jedenfalls eine fast so grosse Freude wie der Film selbst (okay, Freude ist das völlig falsche Wort für „Lost River“ – ich bin da eher in eine mitteltiefe Trance gesunken, die aber meine Urteilskraft keineswegs getrübt hat).
Für dieses Hineinsinken hat Herr Kniebe auch treffliche Worte gefunden. Ich konnte mich da sogar auf die wenig doppelbödige Filmmusik von Johnny Jewel einlassen, obwohl David Torn sicher die bessere Wahl gewesen wäre. Ja, der Mann, der gerade das verstörende, einzigartige Gitarrensoloalbum „Only Sky“ rausbrachte, versteht sich auch aufs Soundtrack-Handwerk!