Manchmal ist sie so Deutschland muede, dass sie ihr Land verlaesst, um in fremden Kulturen Verschiebungen ihrer Sehnsuchtslage zu erreichen. Das passiert erfahrungsgemaess nach 6 Wochen.
Dieses Mal ging ihre Reise jedoch in die Mitte der deutschen Welt. Sie wollte die Fuehlung am Hermannsdenkmal mit den nationalen „Stahlgewittern“ (Ernst Juenger) aufnehmen. Da stand er vor ihr: Hermann mit dem 7m langen Schwert, das in den Himmel stoesst, der doch allen gehoert. Ehre, Tapferkeit, Sieg, Stolz, alles Woerter aus dem heeren Germanenwortschatz. Schaudernd ging sie in den Maienwald hinein. Nach 7 km kam sie an eine Lichtung, auf der bizarre Felsen standen: Die Externsteine. Wer hatte diese Gebilde geschaffen? Walt Disney? Hermann? Wo waren die Reste der Gebirgskette, wenn es denn eine gab? Wo floss das Wasser, das diese Formen freigespuelt hatte? Der kleine Bach Wiembecke war auf der Karte eingezeichnet, allein sie konnte ihn nicht ausmachen. Sie starrte auf die fuenf Felssaeulen und entkam einer langen Weile nicht ihrer Anziehungskraft. Sie tastete an den Steinen entlang, das war Sandstein. Er musste aus der Erdkruste vor Millionen von Jahren herausgestellt worden sein. Sie erkannte zunaechst die glatten Risse zwischen den Felsbrocken. Dafuer hatte das gefrorene Wasser gesorgt. Aber an einigen gelben Flecken konnte sie auch kleine Loecher entdecken, das deutete auf die honey suckle Erosion hin.
Eigentlich war sie nicht nur wegen der Geologie hergekommen, sie hatte Lust auf Woodstockatmosphaere, auf Gestalten, die sich friedlich versammeln und unter der Magie der Steine in den Hexensabbath hinein musizieren. Weit gefehlt. Verbote schienen das Fest zerstoeren zu wollen: kein Feuer, kein Campen, kein Alkohol. Sie fragte einen Sicherheitsmenschen, wieso im Wald eine Flasche Bier verboten sei, we live in a free country. Weisses, blendendes Licht in ihrem Gesicht war die Antwort. Sie hoerte noch eine Weile den Trommelnden zu und dachte an die Kraft von Woodstock, die hier niemals stattfinden koennte. Hier erodieren Altnazis auf der Oberflaeche, hier singen sie „ein wehmuediges Adee“ (Heinrich Heine: Die Rueckkehr der Goetter). Hier wird die kulturelle Fremdheit ausgesperrt, bloss kein Woodstock hier. In diesem intoleranten Gemeinwesen fuehlte sie sich deplaziert. Sie ging zu Fels 1, wo das vorchristliche Loch behaupten will, dass bei Sonnwende die Sonne durchscheint. Sie holte nicht ihre Kamera raus, sondern Block und Bleistift und schrieb an den Buergermeister und den Landrat vom Lipper Land: I’m gonna live forever, I’m gonna cross that river, I’m gonna catch tomorrow now (Billy Joe Shaver).