Vor zwei Jahren spielte Hans-Joachim Roedelius in Pittsburgh — im Hinterzimmer einer Kneipe voller Gläserklirren und ständig rein- und rauslaufender Gäste, mit Backgroundgelaber vom Tresen. Eine ziemliche Zumutung. Man hätte ihm den Saal im Andy-Warhol-Museum gewünscht. Der ist für solche Künstler ideal, wie sich am Donnerstag wieder einmal zeigte. Gerade noch klein genug, um Konzentration entstehen zu lassen, gerade groß genug, um die nicht allzu große Gemeinde der Pittsburgher Ambient-Fans aufzunehmen, die hier ziemlich vollzählig versammelt gewesen sein dürfte.
Loscil (a.k.a. Scott Morgan) aus Vancouver, Kanada, gab den Supporting Act. Eine gute Wahl. Vom Publikum zunächst kaum bemerkt, begann er seinen rund dreißigminütigen Auftritt. Ich kenne seine letzten drei Alben noch nicht (der Mann ist einfach zu produktiv), aber was er hier zu Gehör brachte, waren ruhige, fließende Klanglandschaften, nicht weit weg von Coast/Range/Arc von 2011; vielleicht ein wenig dunkler. Dazu war eine gut darauf abgestimmte Filmprojektion zu sehen — Wasser in diversen Variationen. Wie bei vielen Elektronikern stellte man sich auch hier die Frage, was der emsig an seinen Geräten wirbelnde Musiker da eigentlich macht. Wenn Computer im Spiel sind, verliert der Begriff „live“ zusehends seinen Sinn. Es dürfte eine Art Grundplayback ab Cubase gewesen sein (perfekt mit der Projektion synchronisiert), in das er Live-Einwürfe hineinstartete. Warmer Beifall am Ende.
Beim Hauptact des Abends, Loscils Labelmates A Winged Victory for the Sullen, war die Live-Frage etwas leichter zu beantworten, denn das Berlin/Brüsseler Duo trat ergänzt um ein Streichtrio (zwei Violinen + Cello) in den Ring. Adam Wiltzie hat mal bei Sparklehorse gespielt, Dustin O’Halloran ist durch Filmmusiken bekannt geworden. Die beiden können ohne Frage komponieren. Zu hören war offenkundig ihr zweites Album, Atomos. Von Wiltzies Gitarre kam nicht viel durch, ihr Klang floss mit dem Keyboardteppich zu einer Einheit zusammen; die Streicher, da mit Mikrofon verstärkt, fielen dagegen zeitweilig etwas trocken aus dem Klangbild heraus, einzelne E-Piano-Einwürfe waren zu laut; gelegentlich waren die Lautsprecher überfordert. Zu sehen war leider nicht viel, der anscheinend vorgesehene Hintergrundfilm lief aus irgendwelchen Gründen nicht, so dass ein einziges Dia für den ganzen Auftritt reichen musste; die Musiker selbst saßen weitgehend im Dunkeln.
Während des über eine Stunde durchgehend gespielten Stückes gingen mir ständig neue Assoziationen durch den Kopf. Ich fühlte mich streckenweise an Tangerine Dream der Ära zwischen Zeit und Phaedra erinnert, Brian Enos Apollo klang immer wieder einmal an, aber auch Steve Reichs Music For 18 Musicians oder seine Multiplay-Komposition Violin Phase. Andere Momente erinnerten an Mike Oldfield, an Cluster II oder auch Cluster & Eno. Dabei wirkte das Ganze niemals wie eine Kopie oder in irgendeiner Weise geklaut, aber wenn mir die Musiker erzählen würden, sie hätten diese Platten nie gehört, würde ich ihnen nicht glauben. Freundliche und sehr angenehme Musik, im Hinblick auf eine individuelle Handschrift aber wohl noch ausbaufähig.