Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2015 23 März

Kopfhörerwelten (1)

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 8 Comments

Es gibt sie in vielen Preisklassen. Lassen wir Billigprodukte aussen vor, kann man für „headphones“ zwischen 100 und 5000 Euro anlegen, und damit das ganze Spektrum ordentlicher, guter und herausragender Kopfhörer abdecken. Sehr teuer ist nicht immer sehr gut. Kopfhörerverstärker bewegen sich in einer vergleichbaren Preisspanne, und mit dem richtigen Gespann kann man einen astreinen Klang erleben, der die Unwägbarkeiten des Raumes mit seinen störenden Resonanzen und Oden ausschaltet. Sich von der Aussenwelt zurückziehen und vollkommen in die Musik eintauchen – für manche eine ideale Form konzentrierten Hörens (deep listening). Zum Beispiel daheim, im dunklen Zimmer, oder auf Langzeitflügen (wo bestimmte Kopfhörer den Reisenden komplett von der Aussenwelt abschotten).

Oder ist der Verzicht auf den Klang im Raum, auf Bassvibrationen etc. eine Einschränkung, die der reinen Freude des Hörens abträglich ist? Da gehen die Meinungen sicher auseinander. Manafonista Jan erwähnte neulich (wenn ich mich recht erinnere), wie er den Reichtum der Musik von ABBA unter seinem Kopfhörer genau festmachen konnte. Manafonista Jochen erzählte mir am Telefon von seiner Begeisterung über seinen neuen Kopfhörerverstärker. Was passierte da? Ich erprobe derzeit (aus reiner Neugier, und weil mir der Zufall es in die Hände spielte) den Kopfhörer AUDEZE LCD-3 in der Kombination mit dem Verstärker BAKOON HPA-21. Hoppla, dachte ich, so was habe ich nie zuvor gehört, unfassbar. Oder doch fassbar.

Hier das Urteil eines (ist das ein Beruf?) professionellen Kopfhörertesters: ”Der erste Eindruck, den man gewinnt, wenn man Musik über die Kombi hört, ist der einer erstaunlichen Ruhe. Es handelt sich dabei jedoch keinesfalls um eine schläfrige Ruhe, sondern vielmehr um die Ruhe höchster Konzentration. Denn genau mit dieser Konzentration widmen sich LCD-3 und HPA-21 scheinbar auch dem kleinsten Musiksignal. Es ist wirklich faszinierend, wie vor einem absolut „schwarzen“ Hintergrund jedes kleinste Geräusch und jeder Ton quasi zu explodieren scheinen, wobei sie immer exakt definiert und konturiert bleiben.“

Bei aller Liebe zu aussergewöhnlichen Reproduktionen von Soundquellen: jeder weiss, dass selbst schlichteste Klangquellen tiefe emotionale Erfahrungen gestatten, weil sich die Qualität von Musik auch im bescheidendsten Medium durchsetzen, zumindest andeuten kann – und somit offenlegen lässt. Gibt es kleine Kopfhörer-Geschichten? Gar Liebeserklärungen an die Welt der „headphones“? Es gibt doch diesen immer wieder gelesenen Satz: „Music for Headphones“. Jeder hätte womöglich seine Liste der „Top 10 Desert Headphone Musics“. Oder eine kleine Anekdote zu erzählen.

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8 Comments

  1. Christoph:

    Dass die Kopfhörer wunderbar klingen, glaube ich sofort. Bei den Verstärkern ist die Sache nicht mehr so einfach. Eigentlich doch: es gibt eine Reihe von Blindtests, die zeigen, dass keine Versuchsperson einen Unterschied zwischen einem z.B. 300 und 3000 Euro Verstärker raushören konnte (zuverlässig konnten sie nur zwischen Röhren- und Transistor-Geräten unterscheiden).

    Ps. Siehe hier den netten Originalartikel zu „Secrets of Stradivari“ …

  2. Michael Engelbrecht:

    Christoph, der LCD-3 gehört zu den wenigen Kopfhörern, die nach dem magnetostatischen Prinzip aufgebaut sind, haben einen dementsprechend schwachen Wirkungsgrad, und brauchen einen extrem starken Energielieferanten. Ich habe mir diese Kombi nun zugelegt, nicht zuletzt, aufgrund meiner einzigen geglückten Börsenspekulation vor Wochen, da bin ich der Empfehlung eines Freundes gefolgt und habe genau den Gewinn abgeschöpft, der mir den Erwerb dieser Kombi erlaubte. Da war meine Heiterkeit gross, denn ich bin normalerweise gnadenlos untalentiert in Glücksspielen und Börsenspekulationen. Mein Trumpf war: „Bitcoin“ :):) – Und der Bakoon ist übrigens auch, wie dieser Blog, jenseits des Mainstreams. Falls du in Essen leben solltest, gönn dir mal einen Besuch im „Studio für aktiven Hörgenuss“:) – siehe auch hier

  3. Uwe Meilchen:

    Spontan fallen mir da die Hoerspiele im Radio in Kunstkopfstereo ein. Und der Moment als ich eines Morgens, auf dem Weg zur Arbeit in winterlicher Dunkelheit auf dem Bahnsteig auf meinen Zug wartend das Album „The Final Cut“ von PINK FLOYD auf meinem Kopfhoerer hoerte. Das Album kannte ich, so meinte ich in- und auswendig. Tja, einige der Klangeffekte waren mir noch nicht bekannt – denn in eines der Stuecke waren zu Anfang vernehmlich Schritte hineingemischt, so realistisch, dass ich mich auf dem Bahnsteig stehend tatsaechlich umgedreht habe, um festzustellen, wer denn da hinter mir geht und wessen Schritte ich da hinter mir hoere …

  4. Michael Engelbrecht:

    Das klingt nach Kunstkopfhörer auf dem Bahnsteig! Gab es das?

  5. Uwe Meilchen:

    Ende der 1990iger Jahre gab es kurzzeitig das Q-SOUND Verfahren, dass raeumliche Klangeindruecke simuliert(e)- es hat sich allerdings nicht durchgesetzt. „The Soul Cages“ von STING, „AMUSED TO DEATH“ von Roger Waters sind z.B. in diesem Verfahren aufgezeichnet worden.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Q-Sound

  6. Michael Engelbrecht:

    Ich erinnere mich, wie ich einst einen Verriss schrieb über die „Seelenkäfige“ von Sting. Das hätte kein Supersound gerettet. Höchststrafe für mich wäre allerdings, Bono im Kunstkopfformat um mein Hirn schwirren zu haben. Lieber drei Tage Gefängnis.

  7. Gregor:

    TRENDS PA-10 Röhren-Kopfhörerverstärker / Vorverstärker und ein Sennheiser HD 650, das sind meine Geräte, um den Hörgenuss auf die Ohren zu bekommen. Wenn man Glück hat, bekommt man beides für runde 600,00 Euro. Das ist nun kein AUDEZE LCD-3 – würde mich schon interessieren, wie der Musik überträgt – aber dennoch richtig gut!

  8. Michael Engelbrecht:

    War ja nur Glück, dass ich da landete. Was heisst landen, Gregs. Als ich den Kopfhörer erstmals aufsetzte, vom Bakoon führt eine lange Schnur, ging ich auf den Balkon und hörte das Stück SPACE IS FIZZY aus der neuen CD STATOR von Biosphere und Deathprod. Und plötzlich hob ich ab. Das Stück spiele ich wahrscheinlich in den Klanghorizonten am 18. April.

    P.S.: Es geht um Kopfhörergeschichten, nie um High-End-Palaver. Der Markt der High End-Szene ist ein Dschungel. Es geht doch letztlich um das, was beim Hören passiert, nicht um Geräte. Menschen, die in Rauschunterdrückungskategorien denken, sind etwas limitiert. Einst regte sich so ein Stockkonservativer auf, dass es soviel analoges Rauschen auf Brian Enos Klassiker Thursday Afternoon gäbe, und bekam nichts von der Musik mit, auf seinen Super-Duper-Stax-Kopfhörern.


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