Als Jan Garbarek einst eine Platte mit dem Violinisten L. Shankar aufnahm, SONG FOR EVERYONE, entbrannten wütende Diskussionen, weil der Norweger (der dann leider auch bald seine besten Jahre hinter sich haben sollte) bei einem langen Stück einen maschinellen Trommelrhythmus einsetzte. Kommt heute noch gut! Aber da kamen die Jazzpuristen gleich um der Ecke geschossen, sowas gehe gar nicht, da würde keine „jazzaffine Interaktion“ stattfinden, das sei doch wohl kommerzielles Kalkül. So ähnlich, nur etwas höher gehängt, ging es in bunter Vorzeit zu, als Pharoah Sanders und andere Cracks die Trommelkulturen ferner Ethnien nutzten für ihre Vorstellungen. Da wurde gleich „Kulturkolonialismus“ gewittert.
2015 19 Mrz
Ein Synthi-Drum, Kulturkolonialisten, und Vollpfosten
von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 7 Comments
7 Comments
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Uwe Meilchen:
Erinnere mich noch gut an die Anfang der 80iger Jahre von den damaligen Experten aufgestellte These, dass der Synthesizer das Ende aller Gitarrenmusik, kurz: der mit „regulaeren“ Instrumenten gespielte Musik sei …
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Michael Engelbrecht:
Man sprach auch von „richtiger Musik“.
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Jan Reetze:
Fast noch schöner fand ich damals die Unterscheidung zwischen „elektronischen“ und „natürlichen“ Instrumenten. Als würden Geigen am Baum wachsen.
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Wilfried Pasch:
Für mich ist das Album “Songs for Everyone” ein Meilenstein auf auf dem Weg zur heutigen Musik. Erinnern möchte ich in diesem Zusammenhang an David Torns etwas später erschienenen Album „Cloud About Mercury“. Auch ein Meilenstein, mit Bill Bruford an elektronischen Simmons-Drums, Tony Levin am Bass und Chapman und Mark Isham an der Trompete. Später haute mich dann Molvaer mit „Khmer“ vom Hocker, habe mir sogar seine Remix-Singles gekauft und häufig und gerne durchs Haus donnern lassen. All das mündet heute in der Musik von Jan Bang, Eivind Aarset, Arve Henriksen, Bugge Wesseltoft, Sidsel Endresen und wie sie nicht alle heißen.
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Michael Engelbrecht:
SONG FOR EVERYONE. Einer der letzten grossen Auftritte Garbareks an der Seite L. Shankars. Es ist so aus der Zeit gefallen, dass ich gar nicht mehr genau weiss, wann es erschien. Es kam dann noch sein Meilenstein ALL THOSE BORN WITH WINGS, und, ja, OFFICIUM. Auch ein grosses Teil. Eine einfache Idee mit Folgen, wie einst, Burton und Corea im Duo auftreten zu lassen.
Oder war OFFICIUM was für Ü-50-Leser der ZEIT, die gerne kleine Experimente , aber nicht zu weit in die Avantgarde abdriften wollen???!! Kleiner Scherz.
Und, Wilfried, besorg dir POLAR BEAR, 90%ige Begeisterungsgarantie gebe ich dir, da ich ja ein bisschen deinen Musikgeschmack kenne.
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Wilfried:
Tatsächlich, die „Polar Bears“ könnten neue Freunde werden, die ersten Hörproben auf YouTube haben mir gut gefallen.
„Officium“ hat nie den Eingang in meine Plattensammlung gefunden, da ist mir andere Musik doch näher. Meine letzte Garbarek-CD ist die „Ragas and Sagas“ von 1992 (läuft auch gerade) und das ist auch gut so. Sein Sax-Spiel habe ich mir wahrscheinlich sattgehört.
Ob eine Musik Avantgarde ist oder die Jazzpolizei Einspruch erhebt, sollte doch bittschön wurscht sein. Beim Hören klingelt irgendwo bei mir ein Glöckchen, dann ist das Gehörte gut, leider läutet dieses Glöckchen in letzter Zeit immer seltener. -
Michael Engelbrecht:
Das Glöckchen allein entscheidet. Garbareks Ton war früher viel schärfer. Die Schärfe hat er verloren, und zuviel Süsse hinzugenommen. So wird ein Sound porös und verliert alles.