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on life, music etc beyond mainstream

2015 14 März

Sunny Morning Memory Play

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 15 Comments

Die letzte Single, die ich mir kaufte, war „Wonderful World“ von Black. Single-Charts sind musikalisch schon lange uninteressant geworden; meine großen Singles-Zeiten waren die Teenagerjahre, als Radio Caroline, Europawelle Saar, Radio Luxemburg und BFBS (Top Twenty) dauernd kleine Feuerwerke entfachten.

Wenn man bei Gregor die Jukebox anwirft, ist man plötzlich wieder 17, man möchte die zwei knapp bemessenen Minuten von „Summer in the City“ davon überzeugen, nie vom Plattenteller zu verschwinden, man möchte mit Ray Davies durch die damals schon abgefuckte Carnaby Street laufen und seinem Bruder, diesem „Dedicated Follower of Fashion“, zusehen, wie er sich abgedrehte Klamotten kauft.

Man möchte dem schönsten Girl der Strasse (die leider immer mit einem andern knutschte) die eigene Single-Sammlung zeigen, und sie davon überzeugen, dass bei langsamen Stücken (keine Hemmungen bei „Nights in White Satin“) die Küsse besonders intensiv sind. Transistorradiozeiten, heimliches Hören spät abends, als die Luft unter der Bettdecke oft knapp wurde!

ABBA wurde damals von uns Junghippies verschmäht, galten sie doch nie als Teil der Gegenkultur. Und doch, heimlich musste man sich eingestehen, die hatten was, und heimlich habe ich sie auch genossen, nicht gerade „Waterloo“, aber andere Songs umso mehr. „The Winner Takes It All“ ist genial und tief traurig. Wie bemerkte Jan doch jüngst: „ABBA faszinieren mich tatsächlich immer noch und immer wieder. Keine der beiden Sängerinnen hat für sich genommen eine besonders bemerkenswerte Stimme, aber die beiden Stimmen zusammen können eine Tresortür knacken. Und man muss immer wieder mal zum Kopfhörer greifen, um zu hören, wie raffiniert die Gesangsarrangements und die Abmischungen tatsächlich sind. Dass die es dann noch schaffen, die Texte exakt syllabisch auszunotieren und für den Refrain immer eine Zeile zu finden, die man selbst dann versteht, wenn man kein Englisch kann, und dass das Ganze ins Herz trifft (jedenfalls meistens) – das ist die hohe Schule des Popsongs. Das konnten so perfekt sonst nur noch die Brill-Building-Leute.“

Wie gut, dass es auch anno 2011 immer noch Songs gab, die einen durch Zeit und Raum fliegen lassen, auch wenn sie nicht mehr in kleinen Papierhüllen stecken, und keine Jukebox mit ihnen gefüttert wurde. Killersong Nr.1 meiner damaligen Jahres-Top-10 ist der Titelsong des herrlichen Kate Bush-Albums: manche der 50 Wörter für Schnee wirken so skurril, als hätte Thomas Pynchon daran mitgearbeitet.

 
 
 

 
 
 

Jedenfalls höre ich diese Songs immer noch mit einer ähnlichen Begeisterung wie einst „Haha Said The Clown“ oder „Sunny Afternoon“. Gerade kam der Postbote und brachte Sam Lees neues Album „The Fade In Time“. „Folk full of drama and surprise“ (see comment 2). Fehlt nur noch ein Heimsieg von Borussia Dortmund, und die täglichen Dosenöffner und „Regressionen im Dienste des Ichs“ (Groddeck, alter Psychoanalytiker) wären perfekt. 

 
 

1) Kate Bush: 50 Words for Snow
2) Brian Eno and the words of Rick Holland: Cloud 4
3) Wilco: One Sunday Morning (Song for Jane Smiley’s Boyfriend)
4) Jeffrey Lewis: Kongru Green Slime
5) The Mountain Goats: Sourdoire Valley Song
6) Bill Callahan: Riding for the Feeling
7) Bon Iver: Michicant
8) Giovanna Pessi / Susanna Wallumrod: Who by Fire
9) Jayhawks: Tiny Arrows
10) Wire: Clay      

 

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15 Comments

  1. Michael Engelbrecht:

    A. Lukowski: A bed of electronics whip up a quietly hypnotic tumult on the astonishing title song. Here – and again Kate Bush songs can be a job to not make sound ridiculous – Bush counts to 50 in a hushed monotone as Stephen Fry (oh yes) recites a list of names for snow, real and imagined: “blackbird braille… stella tundra… vanilla swarm… avalanche”, occasionally punctured by an eerily muted chorus in which Bush frenzied urges him to continue the list. On the one hand, it continues ‘Wild Man’s revelry in the intoxicating power of human language. On the other, it’s the album’s least human track, its churning, chiming electronics and alien words mirroring the quiet chaos and leaden intensity of a snowstorm, its final minutes a headlong descent into oblivion and whiteout. It is astonishing, immense, bizarre and perfectly realized: only Kate Bush could conceive of this song, and nobody else will make anything like it again.

  2. Michael Engelbrecht:

    his Mercury prize nominee continues to shake up the folk scene with this second album packed with drama and surprise. Sam Lee again concentrates on traditional songs he learned from Gypsy travellers; they are performed in no-nonsense, almost crooned style, but with startlingly original settings.

    So the opening Jonny O’ the Brine matches edgy, insistent percussion against wailing brass and ukulele effects, while Bonny Bunch of Roses starts with an archive recording of an eastern European cantor mixed with flute, violin and percussion.

    The most emotional songs are bravely straightforward but quite unexpected: on Lovely Molly he is backed by the exquisite massed voices of the Roundhouse Choir, while the poignant Moss House features just the piano of co-producer Arthur Jeffes, of Penguin Café. Surely one of the albums of the year.

    – The Guardian, yesterday

  3. Lajla Nizinski:

    Dieser Text macht jung.

    Groddeck wird hier in der jungen Künstlerszene herumgereicht. Auf meine Nachfrage, ob alles klar sei mit dem ES, schmunzelte man: es gehe um die Selbstheilung. Ja, na dann.

  4. Jochen:

    „Dosenöffner“ ist gut – meiner ist heute ein neuer Kopfhörerverstärker …

  5. Michael Engelbrecht:

    „Dosenöffner“ – nicht Andy Warhol (der hatte es mehr mit Dosen), sondern Jürgen Klopp hat das Wort populär gemacht.

  6. Michael Engelbrecht:

    Gregor, bei einem Heimsieg heute Abend erkläre ich die „Geschichten eines Absteigers“ für beendet, kein Sieg, und sie wird nach dem Ausscheiden gegen Turin nächste Woche gnadenls fortgeführt. Also, let’s wait and see. Hannover wird die Klasse auf jeden Fall halten.

    Und, ohne dein Hinzergrundwissen, dafür mit meiner Lust am Klang, freue ich mich auf diese unglaublichen Sounds eines alten Pianoforte, wenn ich mir die neue Schubert-Aufnahme von Herrn Schiff bekomme. Es schrieb einer mal was über die Parallelen zwischen den Geräuschsprachen eines Pianoforte alter Dampfmaschinen, Dampflokomotiven, und das passt.

    Sam Lees neue Platte ist was Besonderes: mit dabei der Sohn von Simon Jeffes.

  7. Michael Engelbrecht:

    Für MixTape-Freunde: die ideale Reihenfolge ist 2-10, und dann der Bushsong am Ende. Am Anfang wäre er „overpowering“.

  8. Gregor:

    Meine großen Single-Zeiten waren die Teenagerjahre, als Radio Caroline, Europawelle Saar, Radio Luxemburg (vor allem der englische Sender, der stets die neusten Sachen schon Wochen früher als die deutschen Kollegen brachten) und BFBS (Top Twenty) und Radio Nordsee !!!, aber durchaus auch der Hessische Rundfunk mit diversen richtig guten Sendungen!

  9. Michael Engelbrecht:

    Radio Nordsee: wer waren die? Und wieso habe ich das Piratenschiff nie gesehen, wenn ich zu den Seehundsbänken vor Borkum schwamm?

  10. Gregor:

    http://www.radio-northsea.de/Story/story.html
    Hier findest du die spannende Geschichte des bzw. der Seesender. Radio Nordsee war für mich ein richtig wichtiger Sender. Wie ich gerade erfahre, gibt es den/die Sender seit ein paar Jahren wieder.

  11. Michael Engelbrecht:

    Aber doch wohl nicht mehr richtig guter Musik, oder? Sonst würde ich da mal auflaufen:) – mein Traum ist es, mit dem Meer vor Augen ein radikal unabhängiges Musikprogramm zu fahren, mit einigen Mitstreitern:)

  12. Michael Engelbrecht:

    Ich glaube, heute ist das Programm ein Witz, habe gerade das Ostern-Special studiert, ein Brüllwitz.

    Damals: https://m.youtube.com/watch?v=kaTQOneyhxE

    Und, Gregor, spielten die damals auch Soft Machine und Caravan? Oder eher Kinks und Stones, was ja auch allerfeinst gewesen wäre.

  13. Michael Engelbrecht:

    https://m.youtube.com/watch?v=WX3vreqs5js

    Tiny Arrows
    The Jayhawks
    and
    the desert

  14. Gregor:

    Heute hat nichts mehr mit damals zu tun, definitiv nicht. Demnächst schreibe ich mal mehr dazu.

  15. Jan Reetze:

    Danke, Gregor, für den Radio-Northsea-Link. Ich bin sehr verblüfft, dass da (angeblich?) die DJs tatsächlich an Bord gewesen sein sollen. Bei anderen Piratensendern kam das Programm vom Band, und die wurden in der Regel in London hergestellt.


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