Eines der scharfsinnigsten und gewitztesten Philosophiebücher der letzten Jahre stammt von einem Musikliebhaber und Literaturnarren. Bei solchen Briten wie Terry Eagleton ahnt man, dass der Titel mit der Frage aller Fragen (DER SINN DES LEBENS) mit einem spitzbübischen Lächeln serviert wird. Das Philosophische heiter zu servieren, ist eine Kunst.
Nicht um Sinn-, sondern um reine Überlebensfragen und existenzielle Traumata (die dann natürlich doch in ihrem Schlepptau Sinnfragen aufkommen lassen) geht es in dem gerade in Deutschland erschienenen neuen Thriller von Mo Hayder, WOLF. Die üblichen Könner ihres Faches von Harlan Coben bis Michael Connelly nennen das Werk wahlweise „überwältigend“ oder „furchteinflössend“, und man ist diese Sprache der Superlative schon etwas satt, dieses ewige Lobgehudel, aber hier trifft es voll ins Schwarze. Der raffiniert gesponnene „plot“ entwickelt sich zu einem der unheimlichsten Thriller, die zumindest mir in den letzten Jahren in die Hände gerieten. Die Qualität des Buches ist tatsächlich auch den Amerikanern aufgefallen, und so ist WOLF auf der Liste der „Edgar Nominees 2015“ gelandet.
Schockerlebnisse hielten auch die Bücher von William S. Burroughs bereit, was für ein bewusstseinserweiterndes Werk ist „Naked Lunch“ im Vergleich zu den sexuellen Verklemmungen von Salingers „Fänger im Roggen“. Nun ist NOTHING HERE NOW BUT THE RECORDINGS neu veröffentlicht worden, und liefert mit seinen cut-ups, Textcollagen, Wortwutattacken diverse Einblicke in die Gedankenfabrik des einflussreichen Amerikaners, dessen Raspelstimme manche wohl nur aus einem Laurie Anderson-Song kennen. „Something as simple as the poor quality of the recordings, reported by P-Orridge at the time („It’s a good job we got them, ‚cause they were recorded over twenty years ago and the oxide was actually crumbling off the tapes as we held them.“), recalls William Basinski’s divine preservation of audio decay in The Disintegration Loops. It is the voice then that continues: resonating down the alley, nesting under the skin.“ Das bemerkt Andrew Spragg dazu, und Recht hat er.
Das erste Album, das der dänische Gitarrist Jakob Bro als Bandleader bei ECM veröffentlicht, eine solch luftige, feinsinnige Angelegenheit, dass man sich rasch, trotz einer Kopenhagen gewidmeten Komposition in ländlichen, zumindest von allem Trubel weit entfernten Gefilden wähnt. Mit dem Drummer Jon Christensen (der seit den frühen 70ern zum Stammpersonal des Münchner Labels zählt) und dem Bassisten Thomas Morgan hat Jakob Bro das ideale Trio gefunden, und mit seiner elektrischen Gitarre ein sublimes, melodisches Geflecht von Klangtexturen zu entwickeln, das ohne gängige Klischees ureigene Atmosphären erkundet. Die Brüche, die Einrisse fehlen nicht, sie sind stets präsent, als könne alles von einem Moment zum andern verschwinden. Thomas Morgan ist ohnehin dafür prädestiniert, nur die allernotwendigsten Töne zu spielen. Raffiniert, wohl unter tätiger Mithilfe des Produzenten Manfred Eicher, wie die einzelnen Stücke in einer Weise angeordnet sind – das Fachwort lautet hier „Sequencing“ – dass ein dramturgisch schlüssiger Bogen ensteht, der GEFION gleichsam eine cinematische Qualität verleiht.