Als im Sommer 2013 in Baden-Württemberg über die Neu-Strukturierung der Musikhochschulen gestritten wurde und der davon überraschten rot-grünen Landesregierung wütende Proteste entgegenschlugen, packte der grüne Kulturstaatssekretär bei passender Gelegenheit (s)ein Zückerchen auf den Tisch. Gewiss, es müsse überall gespart werden, aber er als erklärter Jazz-Fan und früherer Konzertveranstalter habe dafür Großes im Sinn: Eberhard Weber werde zum 75. Geburtstag den Sonderpreis des Landes Ba-Wü für sein Lebenswerk erhalten, im Rahmen eines prominent besetzten Konzertes mit, so viel sei bereits verraten, Pat Metheny und anderen internationalen Stars. Die Verhandlungen liefen bereits. Vor ein paar Tagen fand es nun statt, das „Great Jubilee Concert“ für Eberhard Weber im Stuttgarter Theaterhaus, wo der Künstler, damals noch aktiv, bereits seinen 65. Geburtstag entsprechend begangen hatte. Und der Staatssekretär mit dem Sinn für Weltstars wiederholte bei dieser Gelegenheit noch einmal ganz unverhohlen und schamlos, wie es zu diesem erstmals verliehenen Preis kam: „Wo ich schon mal an der Macht bin …“. Abseits der Kulturpolitik war der (erste) Abend (von zweien) musikalisch übrigens durchaus okay; vielleicht ein bisschen zu viel SWR Big Band. Aber das ist Geschmacksache. Schön war es zu beobachten, wie empathisch die anderen Musiker mit Webers stark gedrosselter Mobilität umgingen. Mal wurde er von Burton, dann wieder von Garbarek geführt. Mental war Weber jedoch nicht gehandicapt, sondern ganz der alte, scharfzüngige Lakoniker, der immer den Eindruck hinterlässt, die Jazz-Szene im Innersten zu verachten. In seiner äußerst lesenswerten und kurzweiligen Autobiografie „Résumé“ liest man kurz vor Schluss: „In jungen Jahren ist das Alter fern, unglaublich weit weg. Während meiner aktiven Zeit habe ich mich niemals mit dem Gedanken beschäftigt, mich zum Beispiel mit einer Professur für das Alter abzusichern. Heute weiß ich: Ein paar ordentliche Euros monatlich würden schon Freude aufkommen lassen nach Erreichen des Pensionsalters.“ Der Sonderpreis des Landes Ba-Wü für sein Lebenswerk ist mit 10000 € dotiert. Da kann man auch mal die Ohren für 15 Minuten auf Durchzug stellen und so tun, als bemerke man nicht, dass man zum Objekt einer absolutistischen Kulturpolitik instrumentalisiert wird.
3 Comments
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Uwe Meilchen:
Sicherlich bewaeltigt man vieles im Leben besser, wenn man ab und an, von Ignoranz und Eitelkeiten umgeben, innerlich auf Distanz geht.
Schoen auch zu sehen und auch hier nocheinmal hervorgehoben davon zu lesen, dass es ueber Jahrzehnte anhaltende Freundschaften auch unter Musikern gibt. Und die, ebenso wie die Dankbarkeit und Aufmerksamkeit des interessierten Publikums, abseits der sich selbst feiernden Honorationen, kommt es am Ende an.
Der SWR hat in seiner Mediathek zumindes den ersten, knapp neunzig minuetigen Teil des Konzerts:
Es sollte mich wundern, wuerde dieser Abend dann nicht noch auf CD, DVD erscheinen sollte.
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Jan Reetze:
Hier ist der Teil mit Pat Metheny, jedenfalls, so weit das iPhone reichte. Selbstverständlich illegal.
https://www.youtube.com/watch?v=PvY6ZbJSmh4 -
Roland Wittich:
Sehr geehrter Herr Kriest,
ich frage mich, warum Sie über einen so emotional hochgeladenen Abend – 4 mal standing ovations ! – so bissig und krittelig berichten. Bitte denken Sie darüber nach, wie Sie sich fühlen würden, wenn Sie von einem Tag auf den anderen Ihren Beruf nicht mehr ausüben könnten,nicht mehr mitzuteilen in der Lage wären, was Sie erleben, denken und meinen? Sie täten mir von Herzen leid.Können Sie das nachvollziehen und einsehen, dass da wohl irgendwas mit Ihnen durchgegangen sein muss? Wenn ja, fände ich es gut, wenn Sie das Eberhard Weber auch sagen könnten, vielleicht gepaart mit einem Anflug des Bedauerns darüber, was Sie im letzten Satz Ihres Blogs geäußert haben. Ich würde mir das wünschen … für Eberhard.
Viele Grüsse von seinem alten Musikerfreund
Roland Wittich