Normalerweise bin ich nicht manipulierbar. Aber bei dieser Schallplatte habe ich auf die Einlösung des Versprechens von Titel und Cover gehofft. Als hätte jemand eine Szenerie mit einer alten Fotokamera bewusst verschwommen aufgenommen. Oder: Als sei das Bild auf dem PC noch nicht ganz geladen. Eine nächtliche Szenerie, ein schroffer Felsen, ein Fluss, aber die Nähe einer großen Stadt ist spürbar: ein metallener Zaun, wie man ihn am Rande von Straßen oder Zugstrecken findet. Eine rätselhafte gestreifte Markise. Was ist das überhaupt für eine Art von Ufer, oder Strand? Es ist gut, dass das Bild keinerlei Romantik aufweist. Und doch: Die Stimmung auf den beiden Schallplatten entspricht genau dem Bild und der Vorstellung, wie der Mond seine Kleidung langsam, sehr langsam Stück für Stück ablegt, bis er am Ende, gar nicht verschämt, in seinem Versteck in Nacktheit leuchtet. Nur für sich.
Es ist vielleicht ungefähr ein Jahr her, oder etwas länger, als Michael in der Sendung Jazz Live Jon Hassells City: Works Of Fiction vorstellte. Ich hatte mich darauf gefreut, durch die Sendung einen Zugang zu diesem Werk zu bekommen, aber damals gelang es mir nicht. Stattdessen war ich vollkommen hingerissen von Nils Petter Molvaers Khmer (was den anderen Teil der Sendung ausmachte) und ich habe diese Platte gekauft und sehr oft gehört. Der Zugang zu Jon Hassell gelang mir erst ein paar Monate später. Ich weiß nicht warum. Es muss die richtige innere und äußere Zeit sein. Seltener sind es Hintergrundinformationen. Manchmal muss man ein Werk auch vollständig hören, um sich einlassen zu können. Wenn es eine längere Jazzarbeit ist, meistens sogar. Und dann stellst du fest, wie du dich als Mensch verwandelt hast. Das ist das schönste daran.
Man kann das nicht erzwingen. A, ein Leser dieses Blogs, schrieb mir, er wisse, Jon Hassell sei wichtig, aber er bekäme den Zugang einfach nicht. Obwohl es eine Verbindung zwischen Hassell und A gibt: Das von beiden Künstlern hochgeschätzte Buch von Italo Calvino Die unsichtbaren Städte. Quäl dich nicht, schrieb ich A, es gibt keine must-hear-music. Lass dir Zeit.