S war eine knallhart kalkulierende Studentin der Betriebswirtschaft, aber sie überraschte mich mit ihrem Lebenstraum: Eine Tomatenfarm in Südafrika aufzubauen. Manchmal sah ich sie, wie sie mit ihrem Freund, den sie bis dahin geheiratet hätte, in einem kleinen Büro saß, über die Labtops liefen Zahlenkolonnen, draußen sprangen ein paar blonde Kinder herum, eine Angestellte brachte gekühlten Tee auf einem Tablett.
Was mir M auf dem Klassentreffen erzählte, wunderte mich weniger. M hatte sich schon zu Schulzeiten nie von Leuten wie Aristoteles oder Jupiter beeindrucken lassen, wie sie als überlebensgroße Bronzestatuen großartig gestikulierend im Foyer unserer Schule standen. Ms Augen sagten immer „Hey, das Leben ist schön“. Er hatte an allen nennenswerten Stränden der Welt als Surflehrer gearbeitet und wollte an seinem Lieblingsstrand, dem vom Muizenberg, südlich von Kapstadt, eine Surfschule gründen. Vor ein paar Wochen schickte ich ihm eine E-Mail und fragte, ob er mir ein paar Unterrichtsstunden geben könnte. Aber wie sich vorbereiten auf ein Land, in dem es hoffentlich Schulhefte außerhalb des DIN A 4 Formats geben würde?
Früher mochte ich die Anders-Reisen-Bände. Ein Touch von underground. Weit weg von Mainstream-Sehenswürdigkeiten wurde das Land von einer kritischen Seite unter die Lupe genommen: Politik, Gesellschaft, Stadtlandschaften, Literatur und Musik.
Ich mochte die Fotos. Immer schräg, immer schwarz-weiß. Diesen Büchern habe ich es zu verdanken, dass ich mitten in Kopenhagen mit zwei verschreckten Freundinnen durch die Freistadt Christiania spazierte, vorbei an provisorisch anmutenden Bretterbuden, düsteren selbstbewussten Gestalten, umhüllt von harmlosen Drogendüften. Leider scheint es die Anders-Reisen-Reihe nicht mehr zu geben. Ich begreife das nicht.
My name is not sisi. Ein Fettnäpfchenführer? Eine Kulturkollision? Ich merkte nicht, wie lange ich schon in der Stadtbücherei in der Erdkundeabteilung stand. Sollte das ein Roman sein? Wie die anderen Bände der Fettnäpfchenführer aufgebaut sind, weiß ich nicht, ich werde dem aber nachgehen. Das Buch über Südafrika hat es in sich. Geschrieben von Elena Beis, Jahrgang 1978, nach einem geisteswissenschaftlichen Studium und ein paar Jobs als Regieassistentin im Jahr 2005 nach Kapstadt gezogen.
So begeistert? Dabei fängt es ziemlich skeptisch an. Das Buch beschreibt die erste Reise eines jungen Paares nach Südafrika, Silvie und Simon. Simon, der lässige Langschläfer, Fußballfan, Surfer, der nebenbei in Johannesburg einen Geschäftspartner seines Arbeitgebers treffen will. Silvie, die dutzende Reiseführer durchgearbeitet hat, eher in Richtung Bildungsurlaub tendiert und den Part des Über-Ichs spielt. Flug über den Äquator, Tage im Kapstadt, Abendessen im „Mama Afrika“, Ausflüge auf den Tafelberg und ans Meer, Bekanntschaften, eine Grillparty, eine Fahrt nach Johannesburg, mitten durch die Lehmwege eines Township (es gibt Abenteuer, die wir einzig den Herstellern von Navigationsgeräten verdanken), Simons power-point-Präsentation bei einem potentiellen Auftraggeber, Silvies Sitzung bei einer traditionellen Heilerin, eine unorganisierte Safari außerhalb der Öffnungszeiten des Nationalparks.
Kapitel für Kapitel begleiten wir das junge Paar, vor allem bei all den kulturell bedingten Fettnäpfchen, in die sie immer wieder tappen und nur gelegentlich etwas übertrieben erscheinen und sich dadurch besonders gut einprägen. Silvie, die es nicht schafft, mit all den bettelnden Kindern souverän umzugehen. Simon, der nicht wusste, dass man Pavianen deshalb nichts zu essen geben darf, weil sie sonst jeden Respekt verlieren und Kofferräume ausräumen. Silvie, die der Heilerin kein Honorar anbietet. Simon, der die Bedeutung des Smalltalks im Arbeitsalltag nicht versteht und nicht merkt, dass er die alte Südafrikaflagge in seine power-point-Präsentation eingefügt hat.
Hintergrundinformationen gibt es in Kästchen. Verhaltensregeln zur Vermeidung von Überfällen, eine Liste von Gegenständen, die man für einen Ausflug auf den Tafelberg einpacken sollte, ein Überblick über Rassenzugehörigkeiten, die Regeln der südafrikanischen Zeitangaben, wo die Jetztzeit durch das Anhängsel „ish“ dehnbar wird („Give me a call around ten-ish.“) und erst die Worte „now now now“ sich dem deutschen „jetzt“ annähern. And always have in mind: „You have to luuk, before you cross the street.“
– And what about music?
– I liked The Dirty Skirts. Daddy, Don´t Disco.