Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2015 28 Jan

Diabelli & The Fantastic Aleems

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 3 Comments

Es ist der grösste Unsinn, wenn man nach alter Väter Sitte heute immer noch in den Köpfen von Pseudo-Hierarchen und Kulturarbeitern herumirrenden Kerngedanken nachhängt und meint, dass man der eigenen Erleuchtung näher kommt, wenn man sich am Kanon der Musikhistorie abarbeitet. Sie glauben gar nicht, werte Leser, wieviele narzisstisch gestörte Spinner mit mentalem Sixpack (gerne auch „Brett vorm Kopf“ genannt)  ihr leicht derangiertes Ego mit permanenter „Durchblickerei“ füttern. Treten solche Affen öffentlich oder in kleinen Runden auf, erkennt man sie daran, dass sie gerne Beifall heischend in die Runde blicken, ihr Humor entweder abwesend oder gönnerhaft ist, und die Denkfalten kleine Schweissrinnsale bilden, wenn sie mal auf etwas Abwegiges stossen, das ihnen die Fallhöhe ihres steten Strebens nach Überlegenheit (rein theoretisch) vor Ohren führen könnte. So gibt es zum Beispiel, was das Auslösen von tiefreichender Faszination angeht, keinen Unterschied zwischen jenen „Diabelli-Variationen“, die Andras Schiff auf einem vierpedaligen Pianoforte des Jahres 1820 vor Jahr und Tag in Bonn aufführte (ECM New Series), und dem jüngst erschienenen Doppelalbum „Disco – a fine selection of independant Disco, Modern Soul and Boogie 1978-1982“ (Soul Jazz Records). Bei beiden Werken können unsere Körper, fernab der reinen Lehre, mächtig ins Schwitzen kommen, diesmal aber den Unterleib, den Sexus, miteinbeziehend. Das Klavier von Herrn Schiff ähnelt einer Maschine, die seltsamste Vibrationen und Töne ausspuckt – und manch alte, nie gehörte 12-inch-Single aus hehren Disco-Zeiten, ist schlichtweg „hot shit“, ein „burner unterm Neonlicht“. Wer sich solche Musik auf dem heimischen Sofa gönnt (egal, ob Beethoven oder „The Fantastic Aleems“), könnte leicht in einen ernsthaften Diskurs mit der Schwerkraft geraten. Unsere Kan(t)onisten und „Diven vom Dienst“ wären schon lange implodiert.

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3 Comments

  1. Jochen:

    „Aaatacke!“ hätte ein anderer Michael beipflichtend beigesteuert –
    auch kein neurotischer, ein vielmehr nauratischer.

  2. Uwe Meilchen:

    Wenn die Welt klar wäre, gäbe es keine Kunst.

    — Albert Camus

    Und: den Sendetermin am kommenden Donnerstag habe ich vorgemerkt ! :-D

  3. Michael Engelbrecht:

    Hinzu kommt das Wohlgefühl des Anfängers. Ich hätte vor Wochen nicht gedacht, dass ich zu dieser Beethoven-Arbeit noch zu der Disco-Kompilation einen so emotionalen Zugang finde. Es ist gut, dass man sich ab und zu selbst überraschen kann.

    Und ich brauche jetzt keine schlauen Bücher. Aber das Coffeetable-Book, das zu dieser speziellen Disco-Ära der Doppel-CD bei Soul Jazz erschienen ist, da habe ich Lust drauf, wg. der vielen BUNTEN Bilder. Und der kleinen Stories. So bleibe ich staunender Zaungast und pfeif mir eins. „Zeitreisender“ wäre masslos übetrieben.


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