an diesen surrealen Roman von Italo Calvino, dem der Schriftsteller David Mitchell attestierte, heitere Avantgarde zu sein, denke ich an die vielen Romananfänge, die sich in diesem Erzählwerk aneinander reihen, unterbrochen von der zarten Liebesgeschichte zwischen einer Leserin und einem Leser. Das Schöne war, wie oft man in diesem Buch mit dem Versprechen eines neuen Anfangs geködert wurde, der dann stets in neue Welten, aber zugleich nirgendwohin führte. Etliche Jahre später habe ich dann die Lektion angewendet, die ich bei Calvino unbewusst gelernt hatte. Wenn dich ein Roman in ein uninteressantes Nirgendwo führt, statt, wie Calvino, in verführerische Nirgendwos, klappe das Buch zu, rasch! Dann wird es nie wieder passieren, dass du dich selbst austrickst und einem hochdekorierten Autor durch hanebüchenen Quatsch folgst. Bis zum bitteren Ende. In dieser Hinsicht (ich war so doof und habe es, einst, ganz gelesen) wird mir nie wieder das langweiligste Buch meines Lebens begegnen, denn ich müsste ja das ganze bleierne Werk durchkauen, um ein solches Urteil zu fällen. Und so thront einsam im Olymp des kulturell aufgeladenen Hoch-Blödsinns, Peter Handkes “Der Chinese des Schmerzes”, ein ganz und gar tumbes, gewiss virtuoses Depressivum, ein Betroffenheisschinken sondergleichen, in dem ein großer Stilist pure Langeweile zelebriert (trotz Mord und Totschlag). Lieblingsbuch von PH in den 70ern: „Der kurze Brief zum langen Abschied“.
Letztes Jahr landete mit Karacho der hochgehandelte Roman STONER im Müll, völlig runterziehende Geschichte über einen permanent unglückseligen Literaturliebhaber. Solch zähen Calvinismus halte ich nur schwer aus. Nun, auch Calvinos postmoderne Romanze wirkt nach all den Jahren ein wenig altmodisch, aber es ist dennoch ein gut gealtertes Kunstwerk. Zuweilen denke ich an die Zeit der Lektüre zurück, wenn ich mal wieder in einem Buch gelandet bin, das mich nicht, calvinoesk, mit einem Augenzwinkern und kurzem Genuss an die Luft setzt, bestens unerfüllt, sondern in einem, in das ich tiefer und tiefer eintauche, wie vor einiger Zeit, in die Zeit der Staubstürme und der großen Depression der frühen 30er Jahre. Home was anywhere you hung your hat, and family was often whoever sat around your campfire, heißt es im Klappentext eines der jüngsten Romane Joe R. Lansdales, ALL THE EARTH, THROWN TO THE SKY. Und das klingt doch, oder nicht, nach einem verlockenden Nirgendwo?! Genauso wie der Anfang von ORDINARY GRACE:) – Kindheit, die ersten Begegnungen mit dem Bösen, Überlebensstrategien von Kindern in alter Zeit, was freue ich mich aufs zweite Parallellesen mit William Kent Kruegers neuem Roman, der „Johnny Cash Prime Time“ verspricht, laut Lajla!