Archives: Dezember 2014
Der Karneval ist vorbei. Schmerzhaft bewusst wurde das Tom Springfield, dem Bruder von Dusty, als er in Rio de Janeiro den Flieger bestieg. Zurück in Australien, tröstete ihn ein Besuch des Osipov Orchesters in Melbourne. Der Klang der Balalaikas! Und da war diese eine Melodie, dieses eine Lied, dessen Titel nur unsere zahlreichen russischen Leser unfallfrei aussprechen können: „Iz-za ostrova na strezhen“, auch bekannt unter dem Namen „Volga, Volga mat‘ rodnaya“.
In den Neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts machte es die Welle in Russland – Dostojewski hörte es mit Genuss und liess es in eins seiner Mammutwerke einfliessen. Im Land der Wohnwagen und Tulpen ist es auch populär geworden, dort heisst es „Vol Verwachting Blijf Ik Uitzien“, und in der Kinderliedfassung „Aan de Oever van de Rotte“. Um diese alte Melodie herum bastelte Tom Springfield einen Song mit neuem Text und weiteren Verwandlungen, der ihm die Rechte sicherte und den Seekers einen No. 1-Hit bescherte, auch ausserhalb von „Down Under“, dem Land der meisten giftigen Tiere und Serienkiller pro Landstrich.
Ich erliege hemmungslos dem Charme dieses Filmchens – und dieses Liedes, das ich bislang gar nicht kannte. Wer genau hinsieht, erkennt auch, dass Aliens schon früh zum Bestandteil der Popkultur gehörten, man erkennt sie an dicken Hornbrillen und verzögerten Bewegungsabläufen. Wenn man den ersten Eindruck hinter sich lässt, der einem die ganze Geschichte etwas kitschig erscheinen lässt, kann man sich, ausgestattet mit einer dezenten sentimentalen Ader, dieser schwebenden Melancholie voll und ganz hingeben. Am Ende sieht man die drei Menschen und den Alien eine mir unbekannte Flugmaschine besteigen. Kurze Zeit später löste sich diese Gruppe auf.
2014 6 Dez.
Oberton Unterton Oberunterton
Henning Bolte | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Comments off
Obertönen mit Unterton. Noch nie gemacht? Einfach mal ausprobieren, ist toll!
HIER Demonstration
2014 6 Dez.
Eine politische Farce
Michael Engelbrecht | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Comments off
Die bayerische CSU hat in ihrem jüngsten Antrag tatsächlich gefordert, dass Ausländer bei sich zuhause nur deutsch sprechen sollen. Nun, ich denke, wenn es dahin käme, dass so ein Schwachsinn den Bundestag passiert (mit „Wanzen“ lässt sich sowas prima kontrollieren und sanktionieren!), dann sollten die Bayern auch verpflichtet werden, „dahoim“ hochdeutsch zu sprechen. Und die Hard core-Pfälzer gleich mit. Man hat ja gesehen, welch bizarre Auswüchse unsere geliebte deutsche Sprache annehmen kann, wenn ein Vollpfälzer wie der einstige FDP-Boss Brüderle mal zu Hochform auflief vor der Kamera. Da war, im Vergleich, tiefstes Hinterlandserbisch verständlicher! Welcher Intelligenzbolzen hat sich das eigentlich ausgedacht?
2014 5 Dez.
Freifluss Adventskalender No.2
Henning Bolte | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | 5 Comments
music from different angles, different genders, different places, flowing …
Dec 6 IZU
Dec 7 TICO TICO
Dec 8 LAKTOB AOURAK CHAGAR
Photo credit 1,3 ©FoBo_HenningBolte
2014 5 Dez.
Keine falschen Seligkeiten (Hype, Liebesromane und Jazz)
Michael Engelbrecht | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Comments off
Das Jahr ist fast ausgezählt, die Rückblicke (an denen wir uns ja auch beteiligen) können leicht schwindelig machen, aber auch schwindeln, und gerne, wenn Zeitgeister und Trendverwerter etwas herumposaunen, gediegene Ware als Hochkunst andienen – jeder mag für sich den Hype des Jahres benennen und in die Mülltonne stopfen. Die Mutter aller Hypes: Pink Floyd und „The Endless River“. Dass ausgerechnet ein ansonsten hellwacher politischer Musiker wie Gilad Atzmon zu diesem Schund das verzuckertste Saxofonsolo seit der Erfindung von Kenny G beisteuert, ist eine kleine traurige Pointe.
Die SZ verkündet heute nicht nur, dass die Liebe „eine Himmelsmacht“ sei, sondern bietet auch im nächsten Zeilensprung „fünf grosse Liebesromane der Weltliteratur“ an. Da ist die nächste Beweihräucherung rasch ausfindig zu machen, wenn „Tante Julia und der Schreibkünstler“ (immerhin das Opus eines peruanischen Nobelpreisträgers) zu diesen hochgehandelten E-Books gerechnet wird: die Erotik, die einem hier aus den Seiten entgegen springt, ist ungefähr so sinnlich wie ein Gartenzwerg aus Porzellan, und nervtötend manieristisch. Als Gegenmittel sei „Naked Lunch“ von William Burroughs empfohlen.
Und in den Jazzpreisungen ist der Blick zurück auch ein wenig verräterisch: denn was für ein Wirbel wird veranstaltet um den Auftritt von Keith Jarretts Trio im Hamburg des Jahres 1972 – und das völlig zu Recht. Das war mal ein „goldenes Jahrzehnt“, das dieses Etikett verdient. Ansonsten gibt es im Jazz für jeden die eine und andere Lieblingsplatte. Werthaltig allemal, Zeitschleifen inklusive. Wenn man einem online-Magazin wie allaboutjazz glaubt, erscheinen pro Jahr immer noch unendlich viele Meisterwerke, mit denen man den Hindenburgdamm zwischen dem Festland und Sylt pflastern könnte, aber das ist leider Kokolores. Das Virtuose ist Alltag im Jazz, das Besondere gehört in Reich der eher selten gewordenen Erscheinungen.
Wäre das Jahr noch etwas länger, würden zwei Aufnahme allerdings womöglich noch viel öfter den Weg in die Jahreslisten antreten: „Souvenance“, die vielleicht bedeutsamste und zauberhafteste und dunkelste (und jeden Superlativ locker aushaltende) Arbeit des tunesischen Oud-Spielers Anouar Brahem. Entstanden im Umfeld und Ausklang politischer Unruhen, „Souvenance“ heisst „Erinneung“, und jede Schönfärberei bleibt aus. Sowie, aus dem kalten Norwegen, „Bonita“ von Sidsel Endresen und Stian Westerhus. Da kann Improvisationskunst mal wieder mal eine fast vergessene Qualität ausspielen – unter die Haut gehen, Schauer von Wirbel zu Wirbel senden, und zwischendurch gar Angst verbreiten. Gut, dass man nicht ständig in die Siebziger Jahre flüchten muss, um so vielen gezähmten, im Kreise sich drehenden, Sounds zu entkommen!
Apropos Siebziger Jahre: Manfred Eicher sollte mal erwägen, „Nan Madol“ von Edvard Vesala, „Triptykon“ von Jan Garbarek, und „Northern Song“ von Steve Tibbetts neu herauszubringen. Wir würden eigens dazu eine neue Textreihe eröffnen: „Stardust Memories“. Keine falschen Seligkeiten.
Meine diesjährige Album-Bestenliste steht unter dem Motto des Jahres Weniger ist mehr (ein alter Buchtitel des Psychoanalytikers Wolfgang Schmidbauer) – dicht gefolgt von Carpe Diem (nur augenscheinlich ein alter, vermottoter Hut) und Bewege dich, so wirst du schön – ein alter Buchtitel des Ethnologen Hans-Jürgen Heinrichs … Doch nun zur Musik: Mary Halvorsons Gitarrenspiel ist eine Neuentdeckung – knorrig, vertrackt, witzig, versiert. James Farm ist das Quartett des Saxofonisten Joshua Redman, dessen vitale und klar nuancierte Art zu spielen mir gefällt. David Sylvians neues Werk ist beeindruckend, hätte aber auch den Namen von Franz Wright im Titel verdient, da dessen Dichtung und Stimme das Album prägen. Marcin Wasilewskis Pianospiel gefällt mir so gut, dass meine diesjährige Wunschliste lauthals und vermessen fordert: „Ein Klavier, ein Klavier!“
Stefano Bollani – Joy in Spite of Everything (ECM)
James Farm – City Folk (Nonesuch Records)
David Virelles – Mbókò (ECM)
Sylvie Courvoisier – Mark Feldman Quartet – Birdies for Lulu (Intakt Records)
Marcin Wasilewski Trio & Joakim Milder – Spark Of Life (ECM)
Aki Takase La Planète – Flying Soul (Intakt Records)
Anja Lechner & François Couturier – Moderato Cantabile (ECM)
David Sylvian – There’s A Light That Enters Houses … (SamadhiSound)
Alexander Hawkins Ensemble – Step Wide, Step Deep (Babel Label)
Mary Halvorson, Michael Formanek, Tomas Fujiwara – Thumbscrew (Cuneiform Records)
Mary Halvorson – Reverse Blue (Relative Pitch Records)
Tord Gustavsen Quartet – Extended Circle (ECM)
Screaming Headless Torsos – Code Red (RDS/rough trade)
of live music tonight again
just wonderful music
©FoBo_HenningBolte
2014 5 Dez.
Die Perle von der Golfregion
Lajla Nizinski | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | 3 Comments
Heute fand wieder eine Welturauffuehrung in Duesseldorf statt.
Dieses Mal war der aegyptische Kuenstler anwesend und erklaerte erfreulicherweise sehr ausfuehrlich. Wael Shawky produzierte eine filmische Trilogie, die er nach den Kreuzzuegen [1095-1204] ‚CABARET CRUSADES‘ nennt. Im ersten Film ‚The horrorshow file‘ benutzte er Marionetten aus Holz. Im zweiten Film ‚The path of Kairo‘ waren die Marionetten aus Keramik. Im dritten Film ‚The secrets of Karbala‘ verwendete er Glaspuppen, die er aufwendig in Venedig aus Muranoglas anfertigen liess.
Heute war nun die Welturauffuehrung des dritten Teils. Die Marionetten aus Muranoglas sind unglaublich fragil, bewegen sich aber trotzdem behende wie die Augsburger Puppen. Es klappert sehr schoen und zum Glueck hat der Kuenstler die Fidjeri Musik auch im dritten Teil beibehalten. Fidjeri Musik ist eine Musik, die vor 800 Jahren von den Perlfischern in der Golfregion gesungen wurde. Wael Shawky hat die Klaenge aus Bahrain ausgesucht.
Zu der Vokalmusik koennen die Marionetten sehr grazil tanzen. Zart geht es allerdings in diesen Filmen ganz und garnicht zu. Aus dem ersten Film ging ich sehr nachdenklich raus. Was fuer eine Parallelzeit fand denn da statt? Die Marionetten schlugen so grausam aufeinander ein, dass man nicht umhin konnte, an die aktuellen Kriege im Irak oder Syrien zu denken. In seiner dargestellten Geschichte ging es um die Stadt Kerbala, in der im Jahre 680 jene Schlacht stattfand, die die Muslime in Schiiten und Sunniten spaltete.
Shawky sagte, dass die Araber bis heute nicht gerne ueber diese Spaltung sprechen. Er habe dieses Thema bereits vor der arabischen Rebellion vorgestellt. Ich habe die Kreuzritterburgen vor vielen Jahren in Syrien besichtigt. Sie sind alle zerstoert. Nun sah ich sie wieder liebevoll aufgebaut von Wael Shawky.
Ein Trost ist das nicht.
2014 4 Dez.
Die Alben des Jahres der Manafonistas
Manafonistas | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Comments off
Rechnet man die Zahl der Einzelnennungen zusammen, und lässt dabei alle Fünfe gerade sein, ergeben sich folgende Highlights (und das ist eine spannende, verzweigte deutsch-französisch-österreichisch-tunesisch-englisch-norwegisch-kanadisch-amerikanische Mischung):
– Fennesz: Becs
– Anouar Brahem: Souvenance
– Eno/Hyde: High Life
– Erik Honore: Heliographs
– Daniel Lanois: Flesh & Machine
– Leonard Cohen: Popular Problems
– Anja Lechner & François Couturier – Moderato Cantabile