Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

 

 
 
 
Lieblinge gab’s, ja, aber sie wurden weniger. Erkennbarkeit ist geblieben, Wirkkraft aber (schwer) geschwunden. Visuelle Wirk- und Anziehungskräfte für mich noch in covers von:
 
1. Kim Kashkashian/Sivan Magen/Marina Piccinni – Tre Voci
2. Helena Tulve – Arboles lloran lluvin
3. Dino Saluzzi Group – El Valle de la Infancia
 

Das bemerkte Henning zu seinen Favoriten, und Gregor war der mit der schnellsten Antwort, kurz und nachhaltig müssen ihm die Bilder dieser Alben vors innere Auge gestiegen sein:

 
1. Anna Gourari Visions Fugitives
2. Robin Williamson: Trusting in the Rising Light
3. Colin Vallon: Le Vent
 
Es wurden nur die vier bis fünf Manfonistas befragt, denen tatsächlich nahezu jede ECM-Produktion vor Augen und Ohren tritt, und so war Michael natürlich auch gefragt, man erinnere sich an seine ECM-Cover-Kritik (s. comment 1). Seine drei ausgewählten Cover stammen von folgenden Alben:
 
1. Anouar Brahem: Souvenance
2. Jokleba: Outland
3. Colin Vallon: Le Vent
 
Bei letzterem Album (des Schweizer Pianisten)- auf den ersten Blick ein allzutypisches ECM-Cover – waren Bild und (das in den Titeln zu erahnende, im Interview bestätigte Thema des Todes) Musik nah beieinander, wiesen ohne starken Fingerzeig, eher selbstredend, aufeinander. Das Bild als „signifier“.
 
„Das Tollste waren polnische und tschechische LKW-Fahrer, die bei Glatteis einen Stau mit 80 km/h auf dem Seitenstreifen überholen. Die muss man denn kommen sehen, um reagieren zu können. Denn: bremsen können die ja auch nicht.“ (Ulrich)

Im Schneegestöber ewig lang unterwegs, geriet Ulrich der schlichte Zeitraum dieses Jahres kurz aus dem Blick, weshalb noch zwei Bilder zu ergänzen sind. (Ist nun auch passiert.)

Er landete in Erinnerungen alter Cover, etwa bei Helena Tulve und ihrem Album „Linnen“ („unerreicht! Ein Grund für eine Reise ins Baltikum“) oder gar bei Ralph Towners „Solstice“, der ersten Platte mit dem kleinen Baummotiv („Nostalgie“).
 
1. Anouar Brahem: Souvenance (ganz diesseitig und konkret)
2. Stefano Bollani: Joy In Spite Of Everything
3. Heinz Holliger: Aschenmusik
 
Und Jochen scheint noch unterwegs zu sein, irgendwo in netzbefreiten Winterlandschaften, hoffentlich nicht mit Fahrrad jetzt. Wahrscheinlich entdeckt er da, im Hannoveraner Hinterland, genug kargen Baumbestand und flüchtige Schemen, wie gemalt für diese lange Covertradition.

Jetzt ist er doch wieder aufgetaucht. Und hier sind Jochens Favoriten, und damit scheint das Cover des Jahres 2014 eindeutig identifiziert zu sein. Auch rein musikalisch ein Meisterwerk! „Lumen Drones“ findet auch Michael ganz trefflich! Und wünscht sich von Manfred Eicher, dass Tigran Hamasyans ECM-Premiere (wohl frühestens im Herbst 2015) in armenisch-norwegischem Farbenrausch daherkommt. Auch der empfindsame Ton kann schneidende Schärfe mit sich führen! Dieser zukünftige Klassiker sollte nicht mit zuviel Understatement dargeboten werden!
 
1. Lumen Drones
2. Anouar Brahem: Souvenance
3. The Hilliard Ensemble: Transeamus
 
„Gestern 3 Std Radtour. Nichts ein/abgefroren.“ (Jochen) – auf dass Alltag und Musik die aufregendsten Verbindungen eingehen, die „kleinen“ Hörgeschichten gehen eben tiefer als strenge Werkanalysen! Man stelle sich nur vor, „Souvenance“ oder „Le vent“ zu hören, irgenwo am Ende der Welt.

This entry was posted on Sonntag, 28. Dezember 2014 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

12 Comments

  1. Michael Engelbrecht:

    Die neue Monotonie der ECM-Cover-Ästhetik: Dunkelheit, ein paar Lichtpunkte, flüchtige Schatten, taubengrau, nachtschwarz, die Liste liesse sich noch lange fortsetzen. Als würde man eine heilige Kuh schlachten – aber ECM-Cover sind überwiegend langweilig geworden. Nur was aus dem Rahmen fällt, fängt noch den Blick. Ein bisschen übertrieben vielleicht, dieser Satz, but you know what I mean :)

    Natürlich, könnte man argumentieren, würde sich in dieser kultivierten Schlichtheit manch ästhetische Signatur zeigen: der Wille zur Reduktion, der geweitete Raum, die Suche nach Details. Aber aus diesen Tugenden ist, visuell, ein Klischee geworden, eine nimmermüde Wiederholung des Ewiggleichen. Diese Cover, lange Zeit Standards setzend, sind nur noch eine Art Hausausweis, Zeichen einer „corporate identity“, den ästhetischen Mehrwert haben sie verloren, viel zu selten zeigt er sich noch, etwa im Cover der Cd Sunrise von Masabumi Kikuchi.

    Bringt uns die Luftballons zurück von Keith Jarretts Belonging, die farbigen Linien von Paul Bleys Open, To Love, das helle Holz und die Farbenspiele der drei Codona-Platten, die beschädigte Fotographie der regennassen Strassen von Steve Tibbetts’ Northern Song, die Motorräder von Changes.

  2. Henning Bolte:

    ECM Covers, ja. Male in der Landschaft, sinnschwanger. Anzeichen oder zeichenhafte Markierungen? Eher ein Kontinuum! Auch ein Kontinuum an Fassbarkeit. Nach neuesten Berichten finden sich systemische Markierungen schon vor 500 000 Jahren (siehe den Fund mit den Muschelkratzern*).

    Vorgefundenes, nichts Arrangiertes, höchstens hervorgehoben, konturiert. Dann die klaren typograpischen Covers. Irgendwann kamen die Lichtspuren, Schattenspiele, das Irrlichtern und die Unschärfenflächung in allerlei Variation dazu. Und: die klare Grundgestalt des Design erlaubt eben auch wunderbare Abweichungen von diesen visuellen Typen.

    Wie und zu was verdichtet sich das alles kumulativ? Zu welcher Art abstrakter Ikonographie? Um Sicht darauf zu bekommen, sollte man vielleicht bei den Rändern und den Abweichungen zu schauen beginnen.

    Wo beginnt die Fossilisierung? Wo liegen die produktiven Erweiterungen? Intern oder extern?

    Interessant wär’s auch zu schauen, welche Covers den Zahn der Zeit durchstanden haben!

    Man nehme ein paar gute Photographien und sortiere sie nach ECM-Kompatibilität!

    Und wozu dienen Cover, was bewirken sie? Welche anderen Entwürfe gibt es. Z.B. Tim Bernes altes Label Screw Gun, Winter&Winter und die neueren wie Clean Feed, Rune Grammofon, Hubro?

    *
    A freshwater shell was recently discovered with an engraving on it that is believed to be about half a million years old. Researchers, led by archaeologist and lead author José Joordens, believe the engravings were made on the shell by Homo erectus. This would disprove an earlier theory that Homo sapiens were the only ancient earthlings that carved similar patterns on objects, as Inquisitr previously reported. Homo erectus is an extinct human species (even older than Neanderthals) that first appeared on earth more than a million years ago, according to NPR.

    http://www.inquisitr.com/1654405/540000-year-old-shell-engravings-are-oldest-existing-artwork/

  3. Henning Bolte:

    Cover und Titel von Bollani halte ich für einen ziemlichen Fehlgriff, „Le Vent“ ist hart am Rande (überstrapazierten) Klischees. Genauso wie „Trusting in the Rising Light“. Und „Souvenance“? Etwas schwieriger zusagen. „Astrakan Café“ finde ich am besten von Brahem Covers (wahrscheinlich auch die Musik!), „Le Pas Du Chat“ benutzt ein hervorragendes Photo an sich und „The Astounding Eyes Of Rita“ ist ok. Möglicherweise liegt’s bei „Souvenance“ auch daran, dass sich die überschwängliche Begeisterung für die Musik bei mir nicht einstellt, und mir damit auch die Verbindung mit der visuellen Repräsentation nicht recht gelinge will. Idem dito in Bezug auf „Lumen Drones“. Ausser Vögel und Schwein bisher keine Tiere auf ECM-Covers … Nun ein Husky für Drones, naja. Ah, ich vergasz die Eule bei Konstantia Gourzi („Music for piano and string quartet“). Die ist wieder hervorragend! Ja, und das Cover von Tulves Lijnen ist richtig, richtig gut (‘Lijnen’ bedeutet ‘Linien’).

  4. Michael Engelbrecht:

    Zuviel Übereinstimmung ist tatsächlich zuviel des Guten:)

    Der Husky auf Lumen Drones ist wunderbar, und passt auch zur Musik. Ich liebe oft Cover, die aus der Realität wie aus einem Film stammen könnten („stills“) – Souvenance gelingt das perfekt. Und könnte auch ohne den Hintergrund des Politischen eine Spur legen für zukünftige Cover…

    Joklebas Cover passt wunderbar zu dieser hochvitalen sperrigen free improv music, die sich mit der Zeit in leicht zugängliche ungebändigte Free Improv Musik verwandelt. Und ihren Zorn, ihre Phantasie dabei nicht einbüsst.

    Jon Balke ist für mich einer der ganz grossen Pianisten und Blickwinkelverschieber, er wechselt seine Sprache mit jedem Album. Und bleibt sich trotzdem treu in jeder Hinsicht. Die Batagraf-Alben: exzellent. Ich habe jede Balke-Platte der letzten 15 Jahre geschätzt oder – meistens – geliebt. Er ist definitiv mein Lieblingspianist und Keyboarder, in den 70ern war es Keith Jarrett.

    Bollani: das ist nicht meine Musik, nicht mein Titel, und nicht mein Cover ( trotz Filmverbindung ) .

    Aber was höre ich heute: ganz anderes: BEWARE THE FETISH, von den Kasai All Stars. …“the juddering polyrhythmic bass and distorted thumb pianos felt more like a no-holds-barred workout with Joe Frazier“ (Mojo)

  5. Henning Bolte:

    Ja, lieber vielfältig als einfältig!

  6. Henning Bolte:

    Ich stehe zur Musik von ‚Lumen Drones‘ und ‚Souvenance‘ eben ganz anders.

  7. Henning Bolte:

    Pianisten gibt es ja viele, schon allein bei ECM. Aber ECM ist nicht gleich der Welt des Piano. Es gibt noch reichlich Wunderbares und Qualität ausserhalb dieses Universums. Und vor allem auch eine Menge Relevantes. Mehr zum Thema spädda!

  8. Michael Engelbrecht:

    „Aber ECM ist nicht gleich der Welt des Piano“.

    Hallo, Erde an Henning: da wäre ich von allein nie drauf gekommen, aber das Thema dieses posting drehte sich um ECM-Cover-Musik-Kontexte.

  9. Henning Bolte:

    Ja, da hast Du recht! Jon Balke ist also Dein Lieblingspianist aiuf ECM! Und Bobo Stenson (der ja auch noch viel ausserhalb von ECM gemacht hat)? Oder Craig Taborn? Paul Bley? Carla Bley? Christian Wallumrød?

  10. Michael Engelbrecht:

    Paul Bley hat in den letzten Jahren keine Platten gemacht, die ich so mochte wie alte Sachen auf diversen Labels. IAI zum Beispiel. Carla Bley nur wenige, die ich sehr mochte, in den letzten 15 Jahren. Ausnahme: „Trios“. 2013. Craig Taborn: eine geniale Soloplatte. Und manch Beeindruckendes. Bei Jon Balke ist das aber anders: im Gegensatz zu Bobo Stenson überrascht er mich mit jedem Album seit Oslo 13 – und ist innerhalbundausserhalb von ECM mein Lieblingspianist. Und Musikdenker :)

  11. Michael Engelbrecht:

    Ein Bild aus einem alten armenischen Film: unwirklich gefärbt: das wäre mein Traumcover, für Tigrans Album. Die Verfärbung als Verfremdung, nicht als „Modernisierung“…

  12. Lajla Nizinski:

    „Wozu dienen Cover, was bewirken sie?“

    Das ist mal eine interessante Frage. Sie sind zu allererst: a brand like a friend.

    Ob ECM mit den schoenen, fuer mich immer unterkuehlten Cover, sein Corporate Identity Konzept erfolgreich durchsetzt, ist anzunehmen. Ich hoere zunaechst gar keine Musik, wenn ich auf ein Cover gucke, ausgenommen, ich kenne die Band. Das hat also nicht unbedingt was mit der Musik zu tun, die da drin liegt. Nehmen wir mal das Cover von Sgt Pepper’s. Das ist so grosse Kunst, dass es erst mal ganz alleine fuer sich steht. Oder die Banane [hoere ich Banana:)?] von Velvet Underground, designed by Andy Warhol, dem Meister des Remakes in der Kulturindustrie. Er kam aus der Werbung, er wusste, was sich verkauft. Damit bin ich wieder am Anfang …


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