Schon seit einiger Zeit bin ich der Meinung, dass Tee aus Gläsern und nicht aus Schalen oder gar Tassen getrunken werden muss. Das Gefäß beeinflusst nicht nur den Geschmack, sondern das Gefühl drumherum. Natürlich auch die Art der Zubereitung. Es war mein Nebenplan bei der Reise nach Istanbul. Eine Stadt, in der Menschen auf der Straße ein Glas Tee in der Hand halten, als sei das völlig normal. Und so stand ich an einem Vormittag, als Ö noch schlief, frierend in der Küche. Im Reiseführer, den ich nach einer patentierfähigen Drüberschaumethode durchblätterte, hieß es, jeder Reisende würde mit einem Geschenk zurückkehren. Deshalb hatte mir Ö eine dieser Doppelkannen spendiert, die in der Türkei üblich sind; ich hatte mich für ein älteres Modell aus Aluminium entschieden, wir hatten es in einem Laden entdeckt, den man hier wohl als Ramschladen bezeichnen würde, ich mag solche Läden manchmal, und vor allem im Ausland, da sie so viele praktische Dinge in sich sammeln. Ös Mutter führte mir die Methode vor. Man füllt in die kleinere Kanne Teeblätter ein, nach einer Menge, die man mit der Zeit herausfindet. Ein paar Teelöffel voll mindestens. Mit kochendem Wasser aufbrühen, nur so viel Wasser überbrühen, dass die Teeblätter bedeckt sind, dann das Wasser einige Sekunden in der Kanne schwenken (ein sehr orientalisches Gefühl) und dann das Wasser herauskippen, die Teeblätter sollen aber in der Kanne bleiben. Dadurch werden die Bitterstoffe aus den Teeblättern entfernt. Dann Wasser zum Kochen bringen (es ist okay, hier einen Wasserkocher einzusetzen) und in die kleine Kanne füllen, in der sich die inzwischen durch das kochende Wasser etwas vergrößerten Teeblätter befinden. Inzwischen kaltes Wasser in die größere Kanne füllen und die Kanne auf den Herd stellen. (Ich verwende eine kleine Reisekochplatte, die ich auch für die Espressomaschine verwende). Die kleine Teekanne auf die große Teekanne stellen. Das Wasser in der großen Kanne einige Minuten kochen lassen. Dabei wird die kleine Teekanne miterhitzt und die Teeblätter in der kleinen Teekanne, und alles kocht und dampft. Dann wird die Kochplatte heruntergeschaltet oder ausgestellt. Jetzt die Teegläser füllen: Etwas von dem Teekonzentrat aus der oberen Kanne in ein Glas füllen (je nach Geschmack etwa ein Fünftel oder ein Viertel) und dann mit dem heißen Wasser aus der großen Kanne auffüllen. Profis halten in jeder Hand eine Kanne und befüllen ein Glas gleichzeitig mit dem Konzentrat und dem heißen Wasser. Die Teeblätter bleiben in der kleinen Teekanne. Da die Bitterstoffe herausgespült wurden, wird der Tee nicht bitter. Wurde die Kochplatte ausgestellt und wird der Tee allmählich kalt, so kann er wiedererwärmt werden. Nach der sonst üblichen Teezubereitung wäre das für mich ein No-go, aber bereitet man den Tee nach der orientalischen Art zu, geht es, ohne Qualitätsverlust. So eine Teezeremonie kann Stunden dauern. In der Zeit erzählt man einander Geschichten. Also ein echtes campfire-Utensil.
2014 27 Okt.
Die Geheimnisse der osmanischen Teezubereitung
von: Martina Weber Filed under: Blog | TB | 4 Comments
4 Comments
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Jan Reetze:
Erinnert mich an den original russischen Samowar, den ich in den 1970er Jahren mal geschenkt bekommen hatte. Irgendwann habe ich mich von ihm getrennt, weil das Metall einen seltsamen Film auf dem Wasser erzeugte. (Kommunistische Infiltration vielleicht?)
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Martina Weber:
Von genau so einem Samowar habe ich lange geträumt und mir immer vorgestellt, dass ich mal einen besitzen würde. Allerdings ohne die dazugehörige Lebensauffassung. Deshalb bin ich jetzt überglücklich mit den beiden Teekannen und meiner neuen Teezubereitungsmethode. Finde ich besser als einen Samowar, vor allem für kleine Teeportionen. Eine Veränderung der Wasseroberfläche habe ich bisher nicht beobachtet, ich werde das Thema aber im Auge behalten. Danke für den Hinweis, Jan.
Angeblich kann man jeden Tee nach der geschilderten Methode zubereiten. Bisher habe ich nur schwarzem Tee verwendet, und auch noch keine türkischen Teesorten, sondern meine allgemein bevorzugten. In der Türkei gibt es einen Schwarztee mit einem Hauch Earl Grey, den möchte ich in mein Repertoire aufnehmen, wenn ich ihn irgendwo entdecke.
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Ian M:
I bought a box of PG Tips (teabags) from the 7-11 recently as it was on special offer. It’s an iconic UK tea brand, and it’s good because you can brew a pot of it for 11 or 12 minutes without it becoming ’stewed‘ (i.e. over-infused).
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Sabine:
Teekunst (chinesisch 茶藝 / 茶艺, Pinyin cháyì) Also, falls Du eventuell mal den Kulturkreis wechseln möchtest beim nächsten Tässchen Tee, dann schau doch mal hier: http://www.diekunstdestees.de/Gut-zu-wissen/Teezeremonie.
Eigentlich, machen die Chinesen es mehr oder weniger so, wie Du es beschreibst, nur mit anderen Gerätschaften + ihre Teesorten heißen anders. :-)