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Wie etwa GRAVITY, ist LOCKE ein Raumfilm, wenn man so will, eine Art „space movie“, obwohl der Raum in Ivan Lockes Welt (Tom Hardy legte sich für den Film einen walisischen Akzent zu, der allein in mehrfacher Hinsicht dieses Drama bereichert) ein sehr begrenzter ist. Er fährt mit seinem Auto von Birmingham nach London, durch die Nacht. Und wie ALL IS LOST, handelt der Film von einem Mann allein, der ums Überleben kämpft, zumindest um das Überleben seiner privaten und sozialen Welt. Und es geht um Würde, ein fürchterlich altbackenes Wort, aber so ist es, es geht um die Erfüllung einer Verpflichtung. „I’ve made a decision“, ist ein Kernsatz. An einer Stelle formuliert Tom Hardy, der diese Rolle mit allen Nuancen ausreizt, ohne je eine Spur zu dick aufzutragen, all seine Vorhaben wie eine Shakespeare’sche Figur in einem Monolog, in grosser, zugeich, an den Rändern der Stimme, zitternden Ruhe, und beendet seine Affirmationen mit dem Satz „… and this is my prayer.“ Gänsehaut pur. Mit Religion hat der Film rein gar nichts am Hut. Anders als Robert Redford in ALL IS LOST, kämpft Ivan Locke nicht mit Naturgewalten, sondern mit den gewaltigen Kräften der menschlichen Natur, und diese können brutal sein, in all ihrem Beharren, Sehnen, und Zerbrechen.
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Tom Hardys Darbietung ist ja nicht das einzige Highlight des Meisterwerkes “Locke”. Ich habe den Film jetzt zum zweiten Mal gesehen, ohne dass er an Intensität eingebüsst hat. Bei Filmen achte ich stets auf die Musik, und ich habe meine Zweifel, ob der mittlerweile downloadbare Soundtrack auch autonom funktioniert. Und das ist beileibe keine Kritik an der Instrumentalmusik von Dickon Hinchcliffe. Bei einem anderen exzellenten Thriller der letzten Jahre, “Prisoners”, war die Musik des Isländers Johan Johansson eine subtile Bereicherung der erzählten Geschichte, aber als eigenständige Musik schlicht langweilig. Nun arbeitet Dickon Hinchcliffe in “Locke” weitaus mehr mit rhythmischen Elementen als der Isländer im besagtem Film von Regisseur Dennis Villeneuve (dessen danach fabriziertes Machwerk übrigens vollkommener, postkafkaesker Unsinn war). Hinchcliffes Musik sorgt weitgehend für Atempausen, für akustische Zwischenspiele, in diesem gnadenlosen, Kilometer fressenden, Adrenalinrausch. Hinchcliffe gelingt es, Momente der Entspannung und des – kontrapunktisch – “sanften” Schreckens so feinnervig zu verweben, dass der Zuschauer sich, in all diesen Interludien, in denen kein Handy klingelt, keine Menschen durchdrehen, keine Lebensentwürfe kollabieren, einfach mal in die Musik fallen lassen kann.