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2014 1 Sep

Martina öffnet Achims Plattenschrank

von: Martina Weber Filed under: Blog | TB | Tags: , , , | 9 Comments

Der Alphazustand ist bekannt als introspektiv und kreativitätsfördernd. Lebt man eine Woche lang direkt am Atlantik, völlig abgelegen im südwestlichen Irland, in einem riesigen Haus voller Geschichten, so kann dies einiges bewirken, sagte Denise. Ist Achim Musiker?, fragte ich, denn ich hatte in seinem Plattenschrank eine CD mit eigenen Liedern entdeckt, die stammten allerdings noch aus dem vorigen Jahrtausend. Er ist Fotograf, sagte Denise, sie holte einen großformatigen Band aus einem Bücherregal und blätterte ihn auf. Die Fotografien sehen aus wie Bilder, in ihrer Düsternis und in ihrem Interpretationsspielraum würden sie sich hervorragend als Cover für die Alben von Scott Walker eignen, dachte ich sofort. Ich erinnere mich an einen angedeuteten männlichen Oberkörper, hell, sonst alles schwarz. War da ein Kopf? Ich weiß es nicht mehr. Entfernt die Erinnerung an ein Bild von Edward Munch, das ich in meiner Postkartenssammlung habe. Madonna oder so.

Der Höhepunkt aus Achims Plattenschrank ist die Sammlung an Alben aus dem Hause ECM. Ich habe fast nur Pat Metheny aufgelegt, von denen es ungefähr ein Dutzend gab. Eine ruhige, entspannte Sommermusik (auch wenn die Sonne nicht die irische Insel fand), Endlosschleifen, die sich manchmal unbemerkt verändern, weil ich zwischendurch abgedriftet bin in meinen Gedanken, gut gelaunt und leicht, aber dennoch nicht oberflächlich, wenn ich mir auch ein paar manchmal mehr Kratzer, Kippmomente oder Sprünge in dieser schwebenden Perfektion gewünscht hätte. Dafür ist es eine Musik, die ich Gästen zum Abendessen zumuten kann, die ich mit „Bécs“ von Fennesz (immer noch meiner No. 1 dieses Jahres, leider außerhalb von Achims Plattenschrank) verjagen würde.

Auch sehr überzeugend: „mystic jazz“ von Paolo Rusticelli.

Eine ganz andere Musik: das Tuckern der Motoren der Fähre, direkt unter meinem Kopf, als ich die ganze Nacht schlaflos quer liegend auf zwei abgewetzten Ledersesseln lag, zugedeckt von meiner Winterjacke.

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9 Comments

  1. Lajla nizinski:

    Hmm Scott Walker düster? Bei mir geht beim Hören seiner Musik die Sonne hinterm Horizont auf.

  2. Michael Engelbrecht:

    Noch 150 solche Texte, miteinander thematisch verwoben, aber nicht linear, und es wäre ein Buch wie ein Perpetuum mobile, man könnte es seitwärts, vorwärts, in Sprüngen lesen. Ich freue mich schon auf meine kleine Radionummer in Kristiansand und werde des öfteren unakademische Sprache benutzen, Geschichten erzählen, etwas Blasphemisches von mir geben und ca. fünf mal mit grosser Lust fuck sagen :) die Katholiken werden vom Stuhl fallen, und die Quasselstrippe vom Dienst muss sich schon ne intelligente Frage einfallen lassen, sonst wird er eine uncharmante Replik erhalten. Nach meinem Nachthorrrortrip erwartet mich, wenn ich gelinkt werden soll, möglicherweise eine Doppelanzeige wegen Beamtenbeleidigung und Körperverletzung. Hört sich jetzt hart an, aber das eine war gerechtfertigt, und das andere Notwehr.

  3. Lajla nizinski:

    Lüpertz ist hier beim Überqueren bei Rot von einer Polizistin festgehalten worden. Als er sie abschüttelte, zog sie die Pistole. Er fragte: wollen Sie mich jetzt erschießen? Er bekam eine Strafanzeige.
    Gute Reise, Michael.

    Martina, gab es in dem Plattenschrank nichts von David Gray oder Van Morrison oder eine Irische Neuentdeckung?

  4. Gregor:

    Wie geht das denn eigentlich, in anderer Leuts Plattenschränke, also, äh, rumkramen … dann noch Platten auflegen … einfach so …

  5. Michael Engelbrecht:

    Erklär dem Gregor das mal, aber ohne diese spezielle Wohnung zu benennen. Das lesen hier so viele, nachher ist das Zauberhaus ausgebucht, und ich will da im Frühjahr 2015 hin …

  6. Michael Engelbrecht:

    Und, ähem, ich hätte da lieber ein paar andere ECM-Platten gefunden:)

    Northern Song von Steve Tibbetts, das wäre mein Soundtrack für das Haus!

  7. Jochen:

    Das „Turn Left“-Album heisst übrigens Offramp (1982) und der Song „Are You Going With Me?“ zählt zum persönlich Meistgehörten in jener Zeit. Er hatte etwas Befreiendes, Eröffnendes, Raumgreifendes, erfrischend Gelassenes.
    Nana Vasconcelos brachte latino-perkussives Flair und Meister Pat entdeckte für sich die Synth-Gitarre …

  8. Martina Weber:

    Offramp, ja, das stand in den tags, ich hatte auch Fotos der Cover eingefügt, die waren aber nicht perfekt genug, deshalb mussten sie wieder raus.

    Tja, Gregor, der Hintergrund der Sache ist die, dass es sich um ein Haus handelt, das der Eigentümer zeitweise als Ferienhaus zur Verfügung gestellt hat. Solche Häuser oder auch Wohnungen gibt es immer öfter. Denise sagte, man könne in Irland ein Haus keine zwei Wochen leer stehen lassen, es würde sofort modern. Nach der regenreichen Erfahrung, die ich in dieser Woche gesammelt habe, wundert mich das nicht.
    Ich hatte schon in Helsinki eine grandiose Ferienwohnung eines Architekten mitten im Design Destrict (auch mit großem Plattenschrank übrigens), im vergangenen Sommer eine kleine Wohnung in Paris mitten in Montmartre, gerade am Sonntag bin ich nochmal an dem Haus vorbeigegangen, weil die Rückreise von Irland mich über Paris führte (von den Balkonen dieser Wohnung hatte ich damals meine Street Photography Versuche gestartet, das war mein erster Eintrag hier im Blog). Man findet mich nicht in Hotels, ich mag lieber Wohnungen oder Häuser. Ich gehe nicht gern essen, ich liebe es, in den Ferien in Supermärkte zu gehen. Ich habe sogar Orangenmarmelade gegessen, was mir hier nicht einfallen würde. Und ich habe eine kleine, sehr hübsche Taschenlampe gekauft, eine mit LED-Leuchte, die keine Batterie benötigt, man muss nur ein paar Mal eine Drehschlaufe herumdrehen. Ich stehe total auf so ein praktisches Zeug.

    Der Grund, warum es gerade so viele Pat Metheny Alben in dem Haus gibt, liegt darin, dass Achim in früheren Jahren viele Fotografien von Pat Metheny gemacht hat, wie er mir gestern schrieb.

    Ich verrate hier natürlich nicht, wie ich das Haus gefunden habe, um Michaels Urlaub nicht zu gefährden. „Northern Song“ müsstest du dann in deinen Reisekoffer packen, Michael, die Platte gab es nicht. Es gab eine Reihe an Klassikalben, die ich sofort ignoriert habe, etwas Irisches habe ich nicht gefunden, Lajla, Achim ist kein Ire. Ich habe zwischendurch mal Fleetwood Mac aufgelegt und Keith Jarrett und auch die CD mit Songs von Achim, die mir auch gefielen, aber da es so viele Pat Metheny Alben gab, habe ich beschlossen, mich ganz darauf zu konzentrieren.

    David Gray und Van Morrison wäre mir aufgefallen, Lajla. Und Scott Walker finde ich schon düster, aber ich mag es düster.

    Alle Fragen beantwortet?

  9. Henning Bolte:

    ‚Offramp‘ ist der Soundtrack seiner Zeit, da gibt’s kein Vertun. Und wird noch lange durchklingen. Tut es. Auch da gibt’s kein Vertun!


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