Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

You are currently browsing the blog archives for the month Mai 2014.

Archives: Mai 2014

 
GOLDEN SEA
 
 
 


 
 
 
Manchmal gehe ich an meinem Plattenschrank, ziehe aus einer Abteilung einer bestimmten Musikrichtung, auf die ich gerade Lust habe, eine Platte heraus und denke, hey, wie gut ist die denn? So erging es mir kürzlich mit einer Langspielplatte aus dem Stall von Pedro de Freitas sound aspects. Leider existierte dieses ganz hier in der Nähe, quasi in der Nachbarschaft, in Backnang, angesiedelte Unternehmen nur neun Jahre, brachte aber 53 Platten in dieser Zeit heraus, und darunter sind zahlreiche Kostbarkeiten, zum Beispiel von Robin Holcomb, Wayne Horvitz, Bobby Previte, Butch Morris, Gerry Hemingway, Anthony Braxton oder Paul Smoker. Die Platte, die mir neulich zwischen die Finger kam, wurde aber von zwei ganz anderen Musikern aufgenommen, von David Murray und Kahil El´Zabar. David Murray, * 19.2.55 in Berkely Kalifornien, spielt hier Tenorsax und Bass Clarinet, während der am 11. November 1953 in Chicago, Illinois als Clifton Blackburn geborene Kahil El´Zabar an diversen Perkussionsinstrumenten und am Schlagzeug tätig ist.
 
 
 

 
 
 
Die Platte, um die es heute geht, heißt GOLDEN SEA, aufgenommen am 28. Januar 1989 in Chicago, abgemischt im Tonstudio Bauer in Ludwigsburg. Das Titelstück hört sich wirklich an, wie es benannt ist, wie der Ozean bei sich neigender – nicht untergehender – Sonne, die See glitzert auf ganzer Fläche, es entstehen, je mehr sich die Sonne ihrem Horizont zuwendet mehr und mehr goldene Flächen, die glitzern und funkeln. Kahil El´Zabar entlockt seinen zahllosen Instrumenten tatsächlich die Golden Sea und David Murray scheint mit seinem Sax und seiner Bassklarinette dieses goldene Meer durchzupflügen.- Im zweiten Stück, Dreams, spielt Murray, man kennt das von ihm, einmal mehr recht frei, während im dritten Stück der ersten Plattenseite, Sunrise Serende, Kahil El´Zabar den Sonnenaufgang mit seiner Stimme und wiederum zahlreichen Perkussionsinstrumenten geradezu heraufbeschwört, David Murray schweigt hier. Auf Seite 2 erfreut das Duo den Hörer mit einer außergewöhnlichen Fassung des Miles Davis Klassikers All Blues. Die beiden spielen das Stück so zart, so zerbrechlich, wie ich es nie für möglich gehalten hätte, Golden Sea, das Funkeln einzelner, kleiner, kurzer Wellen.- Die Platte endet mit einem engagiertem Lied für ein neues Südafrika, Song for a new South Africa.
Bei sound aspects erschienen noch zwei weitere Platten mit Kahil El´Zabar: The Ritual und Sacred Love, beide mit Lester Bowie u. a. und schließlich Another Kind of Groove mit Billy Bang und Malachi Favors.
Zu erwähnen sei noch, dass Kahil El´Zabar 1999 zwei CDs herausgebracht hat, die
eine mit Archie Shepp, die andere mit Pharoah Sanders.
 
 
 


 

2014 21 Mai

Long time waiting …

| Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | 1 Comment

 

 

 
 

 
 

2014 19 Mai

Dem Himmel so nah

| Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | 3 Comments

 

 

 

Im dritten Stock, ganz oben, hinter der schmiedeeisernen Ballustrade, starb im Juli 1971, elend, Jim Morrison. Rue Beautreillis Nr. 17. Er hatte seinen Tod vorhergesehen, war sich sicher, Janis Joplin bald zu folgen. Er konnte die Abwärtsspirale nicht stoppen. Es war nur traurig, und Nostalgie ist hier der völlig falsche Reflex, die Nähe zum Himmel eine Fata Morgana.

„Needle of Death“

Die gesammelten Verrisse  erinnern in gewisser Weise an die Häme, die Neil Young entgegenschlug, als er Mitte der Siebziger den Sanftmut von Harvest verliess und mit drei Nachfolgewerken einen Abgesang auf die Ideale der Hippieära inszenierte. Tonight’s The Night etwa war wohl auch alles andere als eine aufnahmetechnisch hochwertige Produktion, es wurde aber ein Klassiker der Rockgeschichte, eine unerhörte Auseinandersetzung mit dem Elend des Sterbens Nahestehender: der psychoakustische Fachbegriff für das Klangbild ist „audio verite“.

Wenn Young jetzt sozusagen eine Zeitmaschine betritt und alte, ans Herz gewachsene Lieder im Klangfeld alter Schellackplatten ansiedelt, dann ist das a) eine künstlerische Entscheidung und b) einmal mehr „audio verite“. Das Resultat geht mir bei vielen Liedern unter die Haut. Ein wenig schüttel ich den Kopf über sogenannte hard core-Fans, die auf diversen Foren ihren Frust rausposaunen, und irgendwie vergessen haben, dass Young immer wieder  Erwartungen von „Fans“ gegen den Strich bürstete. Ich weiss nicht, warum ich mich nach wie vor von alten, ebenso „bescheiden“ klingenden Bluesaufnahmen von Bessie Smith begeistern kann, und jetzt nicht minder Freude an dieser ganz besonderen Zeitreise von Neil Young empfinden sollte.

Archaische Platte, wenige trauen sich sowas, und diese lo-fi-Produktion tut der Intensität des Vortrags keinen Abbruch. Ganz allein stehe ich mit meiner Meinung nicht da, John Mulvey hat im Blog-Teil der Webseite des englischen Musikmagazins Uncut eine ähnliche Wahrnehmung beschrieben. Keine Frage, für eine kurze Zeit ist Neil Young zu Dr. Who mutiert und in seiner fliegenden Telefonzelle im Jahre 1949 gelandet. Und viele Bewohner des 21. Jahrhunderts schauen jetzt völlig irritiert auf diesen Verrückten, als wolle er bloss einen kleinen Schabernack treiben.

Ich kann jedem einzelnen Niedermacher dieser Platte eins versichern: wenn Bob Dylan dieses Album hört, wird er seinen Hut ziehen. Wenn Jim Morrison für ein paar Tage auf die Welt zurückkehren würde, würde er spätestens bei der Interpretation von Bert Janschs Needle of Death heulen vor Ergriffenheit. Wenn Daniel Lanois die Scheibe hört, wird er sagen: „Respekt!“ Wenn Leonard Cohen sich A Letter From Home anhört, könnte er gut Lust bekommen, seinem Tower Of Song eine neue Strophe anzufügen. Und Julio Cortazar wäre für eine Weile vom alten Jazz zu diesen Liedern konvertiert, die auf dem letzten Loch zu pfeifen scheinen.

Montaigne hat einmal, schon viel länger ist das her, geschrieben, leben heisse, sterben zu lernen. Wenn Neil Young sich jetzt in so eine sauerstoffarme „Telefonzelle“ begibt, dann ist das durchaus auch eine Auseinandersetzung mit dem Tod: viele der hier gecoverten Lieder stammen von Musikern, die alle schon im „Tower of Song“ ihren Platz gefunden haben. Da muss keine high resolution her, kein polierter Sound: da dringt etwas Altes, Fernes an unsere Ohren, das will ich wie einem alten Schwarzweissfilm erleben, in schlichtem Mono, brüchig. Und so schlägt dieses Werk eine Brücke zu einem seiner alten Meisterwerke, Tonight’s The Night.

„The result is his most freely-flowing album since the sparse and beats-light Is A Woman, although this is a very different sonic world to that one he created 19 years ago. If the title of Showtunes could be at first read as ironic, there are actual hints of George Gershwin’s or Hoagy Carmichael’s melodic sweep in these songs, as Wagner sails his voice over ambient jazz washes and subtle electronics. More often, though, it sounds like The Blue Nile recording for ECM.“

(Tom Doyle) 

 


„This is all I know / It’s nothing but the courage of a fool“, singt Wagner im letzten Song von „Showtunes“ (diesem unheimlich intimen Album), „The Last Benedict“, fasst damit alles Vorhergehende zusammen – und offenbart genau, was für den Zusammenbau einer so brillant gewagten Platte nötig ist. Drei Jahrzehnte später wäre es so einfach gewesen, auf Nummer sicher zu gehen; der experimentelle Triumph von „Showtunes“ macht deutlich, dass Lambchop zum Glück nicht wissen, wie. Und wenn sie es wissen, vergessen sie es nur allzu gern. Es lebe „der Geist des Anfängers“. Dieses Album hat auch einen Hauch von Zen. Deep listening recommended!

(Sam B., Michael E.)

2014 19 Mai

Cool Words

| Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | 7 Comments

I find Anja Utler’s poetry beautiful beyond words – almost literally, because when I listen to her reciting her poetry, I do so without paying conscious attention to her language, but rather, allow the rhythms and any surface or underlying meaning(s) to enter my mind – or rather my superconsciousness, on an intuitive level. Of course, even describing this process is challenging as at each moment of listening, and as I report the process, I’m not absolutely clear whether how I am engaging with the reading (in this case) is actually at a conscious level or not. However, even without  picking out the individual words, I know beyond question that this poetry is resonating strongly with me on an emotional and spiritual level. In many ways the relationship with this particular poet’s writing (and performance of it) is similar to the relationship that I might have with certain musicians and their work – where I don’t know what it is precisely about the music that is affecting me, but at the same time I know that, unquestionably, it is allowing me to tap in to a well of joy. In the UK there is a rather strange attitude towards the German language, with a common view being that the language is ‚harsh‘ or ‚guttural‘ – a view that is derived from exposure to a plethora of war movies and documentaries about a period of history 70 years ago. I always oppose these views – pointing out the beauty of the German language … perhaps this recording would be a first step in convincing those who do not already know it of the validity of such a view.

2014 19 Mai

Dayway Wayday

| Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Comments off

 
HAPPY DAY, WE’RE ON OUR WAY … TO BERGEN
 
 
 


 

 
Birdies For Lulu, das erste Werk des neuen Sylvie Courvoisier/Mark Feldman Quartet mit Bassist Scott Colley und Schlagzeuger Billy Mintz.
 
 
 


 
 
 
Wie ein munteres Uhrwerk nahenden Unheils klingt der Anfang dieses Albums, ein einprägsames Klangmotiv voller Reminiszenzen halbdunkler Welten. Scheinbar unaufhaltsam läuft es, aber dann beginnt es drumherum zu schaben und zu knarzen. Solcherart aufgeladene Klangmotive gehen einher mit verblüffenden Übergangsqualitäten und Umschwüngen, die aufhorchen und aufschauen lassen. Es treffen erstaunliche klangliche Kernmotive aufeinander, verzahnen sich miteinander, umspielen sich frech oder ehrbietig, dreist oder behutsam, flüsternd oder krachend.

Der Kontext stiftet Lesarten, lässt Stimmigkeit entstehen. Dadurch, dass solche freien Kerne zu Kontexten füreinander werden, können ganz neue, erstaunliche Valenzen entstehen, die sich in einer Klangdramaturgie von erstaunlicher Direktheit, Dynamik und Enigmatik entfalten. Fixierschrauben gelöst oder gänzlich ohne. Hier wird nicht in grossen Linie geschwelgt oder Fertiges vorgegaukelt. Vielmehr ist es ist ein grossartiges Spiel in vielen Varianten mit der Unbestimmtheit der Form, das von einem ausgeprägten Formgefühl getragen wird. Und so wird der eine wunderbare Schuh nach dem anderen daraus. Im Gegensatz zum Ideal der Nahtlosigkeit wird hier der Prozess der Entstehung von Sinnfälligkeit und Sinngebung im Spiel selbst gefeiert – eine befreiende Wohltat. Ach, und so macht’s wohl keiner. Vergleichsverrenkungen erübrigen sich!
 
 
 


 
 
 
Nun braucht man all das beim Zuhören nicht zu wissen oder (mit)zu denken. Die Elemente, Übergänge und Bewegungsarten sind so reich und anregend, dass sie einem als solche zum Vergnügen reichlich genügen. Und wie dabei ein bestechendes Ganzes entsteht, das ist schon verblüffend wunderbar. Vom Kartenspiel des Capitaine zum krönenden Shmear und über verklanglichte Körper-Kontext-Figurationen zu den Birdies für die Katze Lulu und den Travesuras, was für ein Wort, den Possen der Klangverwandlung. Und zu guter Letzt noch eine Coda für einen Freund, den Capitaine.

Dies alles verdankt sich einem ganz eigenen Zusammenwirken von Colley und Mintz mit dem Zweigespann Feldman Couvoisier. Es überrascht, wie Colley dies, das Ganze in voller Fülle hüllend, trägt. Auch seine solistischen Interventionen sind erstaunlich, von grosser Klasse, enorm bereichernd. Mintz ist der Mann, der aus dem Hintergrund agiert, nicht so sehr ausbauend, sondern eher injektierend. Schönes Beispiel: sein evokatives, suggestives Besenfegen im Eröffnungsstück. Wie ein munteres Uhrwerk … scheinbar …
 
 
©FoBo_HenningBolte

2014 18 Mai

Die Klasse von 73

| Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | 11 Comments

 

 
 
 

 
 
 

 
 
 

Damals, im Mai 1973, als wir in der Musikaula des Max Planck-Gymnasiums (Dortmund) in einem geradezu feierlichen Akt alter Schule unser Abitur in Empfang nahmen, hörte ich exzessiv einen Song der Temptations: „Papa Was A Rollin‘ Stone“. Eine ziemlich traurige Familengeschichte, mitreissend vorgetragen. In jenem Jahr lief auch der anrührende Oldie von Albert Hammond „on high rotation“, „It Never Rains In Southern California“. Selbst dieser Song war keine Hippie-Schnulze, sondern ein verdammt sehnsüchtiges Lied, das, wie die  Beach Boys auf „Pet Sounds“, traurigste Dinge in allerschönste West Coast-Sonnenuntergänge verwandeln konnte. Nun traf sich ein harter Kern der Klasse von 1973 im Schwabenland zu einem denkwürdigen Klassentreffen. Unser Klassenlehrer, Dr. Egon Werlich (Englisch und Deutsch), ein harter Hund, ein konservativer Freigeist, eine Kapazität auf den Gebieten, „englisches Denken“ zu lehren und radikale Strömungen der modernen Literatur (von Ezra Pound über D.H. Lawrence bis Samuel Beckett) als kühne, Horizont erweiternde Abenteuer darzubieten, war gestorben, und viele von uns hatten noch Gelegenheit, ihn im letzten Sommer in alter geistiger Frische zu erleben. Jeder hatte sich an dieser dominanten Figur abzuarbeiten, und ich werde mich jetzt hüten, alle alten Stories aufzutischen. Es war beeindruckend, dass so viele den Weg in Rudis „Car Park Saloon“ gefunden hatten. Harald H. und Randolf K. kamen gar mit dem Flieger, Thomas S. aus dem hohen Norden mit dem Motorrad angerauscht, der Rest kämpfte sich an einem Tag, an dem es Hunde und Katzen regnete, über diverse Autobahnen. Einige konnten leider nicht dabei sein, so waren Klaus und Babsi schon auf dem Sprung über den grossen Teich, um ein halbes Jahr lang in ihrem grossen „Camping-Van“ den Norden Kanadas bis nach Alaska zu durchstreifen. Wir hatten es uns mittlerweile behaglich gemacht am Rande Stuttgarts, Thomas H. (sichtlich erholt nach harten Zeiten), Michael H. und Peter W. nebst Gattinnen, Robert F., sowie Horst W. (der Klassensprecher, der durch eines der drei obigen Fotos huscht). Rudis Lebensgefährtin entpuppte sich als herzliches und kontaktfreudiges Wesen, eine Bilderbuch-Gastgeberin, alle wechselten immer wieder die Plätze, und das grosse Erzählen der kleinen Geschichten begann, während allerfeinstes Rindergulasch mit Spätzle serviert, und Veuve Clicquot aus Bierkrügen (oder was war das?) getrunken wurde. Hier ging es nicht um Karrierebilanzen, ein grosses Besäufnis und andere, gern chauvinistisch geprägte, Bauchnabelpinseleien der Rotary-Clubs dieser Welt, hier entstand auch unter denen, die sich einst herzlich wenig zu sagen hatten, eine geradezu freundschaftliche Nähe. Das alles wurde ein Stückweit getriggert durch Rudis psychedelische „Zeitmaschine“, die all die alten Lieder dezent abspulte. Michael H. und ich rezitierten unisono den alten Zweizeiler, den wir  bei „Egon“ messerscharf analysiert hatten: „The apparition of these faces in the crowd / Petals on a wet, black bough“. Später, als der Schlaf allmählich sein Recht forderte, und mir noch einige Geschichten des Abends durch den Kopf geisterten (von sadistsichen Mathepaukern, deutschen Liedermachern, archetypischen „Klammerblues“-Nummern, der Londoner Klassenfahrt, etc.) öffnete ich mein Hotelfenster, um die kühle Nachtluft hereinzulassen. Da sah ich zwei Gestalten, Rudi und Horst waren es wohl. Sie öffneten die grosse Garage und begaben sich mit einem alten Mercedes Coupe, einem Schätzchen aus Rudis Sammlung, auf eine kleine Spritztour durch die Nacht. Aus dem Lautsprecher tönte ein Song (und zwar volle Kanne!), den ich 1973 akustisch völlig falsch verstanden hatte: ich hatte mir stets eine ziemlich scharfe Brünette namens Rita vorgestellt, die ungefähr das gleiche erotische Kaliber darstellte wie eine Uschi Nehrke oder Diana Rigg, dabei hiess der Song von Golden Earring nicht „Rita Love“, sondern „Radar Love“. Ich überlegte kurz, in meinen Toyota zu springen und den beiden Verrückten zu folgen, aber, eh ich mich versah, waren sie schon hinter einer Hügelkuppe verschwunden, eine hochgewirbelte Staubspur mischte sich mit dem fahlen Licht einer Neonlaterne, und auch der Evergreen hatte sich in Luft aufgelöst.


Manafonistas | Impressum | Kontakt | Datenschutz