Manafonistas

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2014 10 Apr

Gregor öffnet seinen Plattenschrank (68)

von: Gregor Mundt Filed under: Blog | TB | 3 Comments

 
Neu im Plattenschrank
 
 

Ein sehr großes, ein riesiges Kino, sehr alt, leerstehend, vor langer Zeit aufgeben, im Stich gelassen, stelle ich mir vor. In der Vorhalle sind noch Reste eines kleinen Kiosk zu sehen, ein vergilbtes Reklamebild wirbt für Toblerone, ein anderes für Langnese Eiskonfekt. Im Saal dann: Das, was einmal ein schwerer, roter Samtvorhang war, hängt in Fetzen vor der vielleicht einmal weißen Leinwand. Dunkle Höhlen, rechts und und links der ehemaligen Leinwand, hier hatten wohl einmal die Lautsprecher ihren Platz. Überall befinden sich Löcher im Boden an den Stellen, an denen einst die Kinosessel verschraubt gewesen sein mochten. Welcher Film hier wohl als letztes lief? In den Schaukästen draußen kann man nur noch dunkle Schatten an den Stellen erkennen, an denen dereinst Kinobilder hingen, ansonsten sind hier nichts als tote Fliegen zu sehen, die sich am Grund der Schaufenster sammeln … irgendwo steht ein verlassenes braunhässliches Klavier, verstimmt … hier, so denke ich jedenfalls, könnte Hauschka seine CD Abandoned City aufgenommen haben. Der Titel der CD verspricht vollkommen, was er ankündigt, Musik für schöne Ruinen … unglaublich.
 
 
 

 
 
 
Ganz andere Musik jetzt: Vor vierzehn Tagen erschien eine weitere Platte, die mit Sicherheit zu meinen besten zehn Platten des Jahres 2014 gehören wird: Paul Bley Play Blue. Bei dieser Platte handelt es sich um einen Konzertmitschnitt: Paul Bley Live At Oslo Jazz Festival / 2008. Fünf Titel sind auf dieser CD versammelt, vier davon Eigenkompositionen des Meisters. Gleich das Siebzehn-Minuten-Stück Far North begeistert den Bley-Bewunderer. 2008, Paul Bley war damals 75 Jahre alt, ein Jahr zuvor hatte er die CD About Time veröffentlicht. About Time, das war eine 33 Minuten dauernde absolut faszinierende Improvisation, Pent Up House war das zweite Stück auf dieser Platte, eine Sonny Rollins Komposition. Mit diesem Stück endet nun auch die Live-Aufnahme auf dieser bei ECM erschienenen Platte, für deren ausgezeichneter Tonqualität Jan Erik Kongshaug verantwortlich zeichnet.

Ähnlich der neuen Hauschlka-Platte, mag es dem Hörer auch mit der CD Mutations von Vijay Iyer gehen, auch hier: extrem bilderspendende Musik. Das geht gleich los mit Spellbound And Sacrosanct, Cowrie Shells And The Shimmering Sea und wird dann über Vuln Part 2 mit Mutations I bis X, einer Komposition für Klavier, Streichquartett und Elektronik weitergeführt, das ist schon wirklich mitreißend.

 
 
 

 
 
 
Schon am 29.01.2014 wurde von Henning Bolte auf manafonistas.de auf die famose Platte der Gruppe Eggs Laid By Tigers: Under The Mile Off Moon hingewiesen. Von dieser CD bin ich überaus überrascht und begeistert, besonders das Stück Let it be known läuft bei mir rauf und runter, ein Stück, das zwingend in die Jukeboxen dieser Welt eingeordnet gehört.

 
 
 

 
 
 
Und am Schluss mal noch ganz schnell der Hammer: Am 10.02.2014 erschien W. A. Mozart Klavierkonzerte No. 20 KV 466 und No. 25 KV 503 mit Martha Argerich und dem Orchestra Mozart unter Claudio Abbado. Es handelt sich um einen Livemitschnitt aus dem Juni vergangenen Jahres. Abbado ist ja vor wenigen Monaten gestorben, diese Aufnahme ist sein letztes Konzertdokument. Ganz davon abgesehen, dass für mich Martha Agerich eine der größten Pinanisten auf dem Gebiet der klassischen Musik ist, dieser Mitschnitt ist eine Offenbarung. Umwerfend, wie das Klavierkonzert No 25 KV 503 gespielt wird, man kann sich nicht satthören.

This entry was posted on Donnerstag, 10. April 2014 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

3 Comments

  1. Uwe Meilchen:

    Immer schoen wenn ich Ueberschneidungen zwischen meinem und „anderen“ Regalen feststellen kann: die Abbado / Argerich CD habe ich auch und bin auch ganz begeistert !

  2. radiohoerer:

    Hallo Gregor

    und deine Eingangsbeschreibung klingt wie eine Sequenz aus dem Film mit Charlton Heston: Der Omega Mann. Dort besucht er ein altes Kino und schaut sich Woodstock (?) an und dafür passt Hauschka’s Musik auch. Der letzte Überlebende im Kino … Und es ist alt und heruntergekommen, genauso wie du es beschreibst …

    Überhaupt: „bilderspendende Musik“ das muß ich mir merken und hätte auch zu meinen Text von Aki Takase gepasst. Zu Claudio Abbado kann ich nur sagen, das ich mir seine Mahler Aufführungen aus Luzern besorgt habe. Diese sind auch eine Offenbarung und wie es so schön heist, da ist reines Licht wenn er Dirigiert. Ein außergewöhnlicher Mensch !

    Mit Vijay Iyer tue ich mich ein wenig schwer, die hat mich nicht so richtig umgehauen … Nun ja, mit den Jahren fällt man auch schwerer um …

    Lg.

  3. Uwe Meilchen:

    Ja, ueber die Mahler Einspielungen von Abbado habe ich auch nur Gutes gehoert. Vermutlicht hat man dort beim Anhoeren ein aehnliches Schluesselerlebnis wie bei den Bruckner Einspielungen unter Guenther Wand !


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