Nein, geschont wird in diesen Tagebuechern nichts und niemand; auch sich selbst nimmt Fritz J. Raddatz nicht von der eigenen, beissenden Kritik aus. Vermutlich ist es eine Binsenweisheit wie oberflaechlich das Leben doch ist (sein kann); Ernuechterung, oftmals Verbitterung macht sich bei all jenen breit, die einen Blick hinter die Kulissen wagen durften.
Mit Fritz J. Raddatz Tagebuechern (der zweite Band mit den Jahren 2002 bis 2012 liegt seit einigen Wochen vor) lernen wir: der von ihm geschilderte Kulturbetrieb ist eitel, ist oberflaechlich, ist selbstbezogen. Ausnahmen, einige wenige Freundschaften die ueber die Jahre fuer Raddatz Bestand hatten und haben inbegriffen. –
Gleichzeitig ist die ueberaus anregende Lektuere natuerlich auch Erinnerung an eine Presse- und Verlagslandschaft die es heute so nicht mehr gibt.
Die wichtigen Buecher zu nennen, die waehrend Fritz J. Raddatz Aegide bei Rowohlt erschienen sind, (u.a. von Hubert Fichte, James Baldwin, Gisela Elsner – um nur drei zu nennen), wuerde den Rahmen dieses Blogeintrags sprengen. Bei der „ZEIT“ hat er ueber Jahre ein auf- und anregendes Feuilleton gemacht; auch davon und von seinen Begegnungen erzaehlen diese beiden Buecher ebenso wie seine Biographie „Unruhestifter“.
Und heutzutage? Heute, in den Grossbuchhandlungen wendet man sich mit Grausen ob der dort einzig und ausschliesslich ausliegenden Trivialliteratur. (Zugegeben: nichts gegen ein bisschen Schokolade, etwas Lektuere fuers Herz — aber nur light entertainment auf den Praesentationstischen vorfinden ??) –
Ebenso: man blaettere momentan einmal durch den Kulturteil ueberregionaler Zeitungen und bemerke auch dort die Unterschiede zu „einst“. – Der Kulturteil der „Sueddeutschen“ besteht an manchen Tagen aus vier (!) mageren Seiten; und in der „ZEIT“ sind z.B. Besprechungen von aktuellen Jazz- oder Klassikveroeffentlichungen so gut wie garnicht mehr vorhanden. – Roger Willemsen hatte einmal eine gute, woechentliche Kolumne in der „ZEIT“ in der er personal favourites aus der Musik vorstellte. Auch dies, unter anderem: vorbei. Grosse Interviews, anregende Lektuere, kurz: Artikel, die man zur Seite legt, zum wieder zur Hand nehmen: dass ist selten geworden.
Wo ist die neue, nachgewachsene Generation von Journalisten, die an Groessen wie Joachim Kaiser, Konrad Heidkamp und Rolf Michaelis anschliessen – oder es zumindest versuchen ? Oder praezisiert: es versuchen duerfen ?
Wer nennt die Namen, erinnert an die Zeiten ? Tempi passati, leider.