Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2014 13 Feb.

Life -> Life online

von: Martina Weber Filed under: Blog | TB | 4 Comments

Wer sich mit der Frage beschäftigt, sein Leben zu verändern, gerät schnell an die psychologische Binsenweisheit, wonach es darauf ankommt, Visionen zu entwickeln, konkrete Bilder, denn die Vorstellungskraft ist immer stärker als der Wille. Dieses Prinzip hat Walter Mitty, gespielt von Ben Stiller, in dem Film „The Secret Life of Walter Mitty“ zur Meisterschaft entwickelt. Walter Mitty arbeitet in New York in der Fotoabteilung der Zeitschrift „Life“, die in ihrer Printversion wirtschaftlich nicht mehr tragfähig ist und künftig nur noch online erscheinen wird. Nun steht neben einer gnadenlosen Entlassungsaktion das letzte Heft an. Und Walter Mitty kann das Negativ für das Titelfoto nirgendwo finden. Also macht er sich auf die Suche nach dem Fotografen. Entscheidend wird er dabei von seiner Kollegin Cheryl Melhoff (Kirsten Wiig) unterstützt. Zufälligerweise hat Cheryl vor kurzem an einem Krimiworkshop teilgenommen und versteht einiges davon, Spuren zu lesen. Klar, dass hier eine Liebesgeschichte im Raum steht. Während Cheryl im Verlag am Schreibtisch sitzt und nachmittags ihren Sohn beim Skateboardfahren begleitet, führt Walters Reise um die halbe Welt: Grönland, Island, Afghanistan. Was von dem, was wir suchen, tragen wir schon längst in uns?

Die Dramaturgie ist sehr hollywoodlike. Das heißt auch teilweise sehr voraussehbar. Schön eingeflochten werden ein paar symbolträchtige Gegenstände (der mit Gel gefüllte Spielzeug-Muskelmann, der Rucksack aus der Jugendzeit, das Reisetagebuch als letztes Geschenk des früh verstorbenen Vaters). Vielleicht basiert auch alles auf der Vorlage, einer Kurzgeschichte von James Thurber. Es steht Ben Stiller gut, dass er ein paar graue Haare bekommen hat und ab und zu eine Brille gegen seine Weitsichtigkeit aufsetzt. Doch auch wenn er abgetragene Pullis trägt und beeindruckende Techniken auf dem Skateboard drauf hat, haftet ihm immer noch so ein gewisses Yuppieimage an. Das mag auch mit der teilweise doch noch ausbaufähigen Sozialkompetenz der Figur des Walter Mitty zusammenhängen, besonders bei der Begegnung mit Menschen, denen gegenüber er sich sozial überlegen fühlt. Dass Walter Mittys sehr toughe und kluge Mutter dabei ist, in ein Seniorenheim umzuziehen, ist kein bisschen glaubwürdig. Von der Besetzung ist der Fotograf, gespielt von Sean Penn, am meisten überzeugend. Menschen, die beim Altern immer schöner werden, immer mehr sie selbst.

Am meisten unbeholfene und tragische Musik: Der in der grönländischen Karaokebar gesungene Song „I was working as a Waitress“, eingeleitet mit den Worten: „Ich hab ´ne gute Lady verloren. Und der Song hilft mir, mich nicht so allein zu fühlen.“

Poetischstes Zitat: „Mein Verstand verweht wie der Schnee.“

Schönster Song: Ground Control to Major Tom.

This entry was posted on Donnerstag, 13. Februar 2014 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

4 Comments

  1. Sabine:

    Hört sich an wie ein Film, über den man sich wahrscheinlich nicht direkt ärgert, während man im Kino sitzt, den man aber auch noch an einem langweiligen regnerischen Sonntagnachmittag in 5 Jahren anschauen kann, wenn man seine Lesebrille verlegt hat, der Cd- + der dvd-Spieler gleichzeitig streiken und die Goldfische sich im Myriophyllum verstecken … :-)

  2. Michael Engelbrecht:

    Ich mochte den Film dann doch um einiges mehr als Martina, trotz „hollywoodlike“ und der einen oder anderen zu special effects-lastigen Szene. Filme wie ABOUT TIME und jetzt MITTY werden nie als Klassiker gehandelt werden, aber sie können, wenn man sich ganz auf sie einlässt, weitaus mehr als Popcornfutter sein. Food for thought. In Hypnotherapien lasse ich Klienten ausgewählte Filme sehen, und diese beiden gehören genauso in meine Bibliothek therapeutischer Filme wie OSTWIND und BELLE & SEBASTIAN.

  3. Martina:

    Huch, kam das so negativ rüber? Vielleicht habe ich zu lange die taz gelesen und wollte etwas besonders Durchdachtes schreiben. Mir hat der Film im Prinzip sehr gefallen, und ich erkenne darin durchaus seine Tiefsinnigkeit – trotz Hollywood – und ich habe da zwei sehr angenehme und durchaus inspirierende Stunden im Kino verbracht. Es waren nur sieben Personen in diesem riesigen, luxuriösen Saal, was der Uhrzeit geschuldet sein mag, sonst bin ich ein kleines abgewraktes Programmkino gewohnt, in das es sogar schon hineingeregnet hat. Ich habe mich jedenfalls sehr amüsiert bei dem Film und habe mich keineswegs geärgert, wie Sabine vermutet hat. Food for thought – absolut d´accord, Michael :-)
    Danke auch für deine beiden anderen Filmtipps, die habe ich gerade notiert.

    Und die Szene in der Karaokebar war klasse. Ich bekam auch Lust, wieder nach Island zu reisen.

  4. Martina:

    Der Link zum schönsten Lied des Films mit Trailer:
    http://www.youtube.com/watch?v=ZrZlhD0Oeto


Manafonistas | Impressum | Kontakt | Datenschutz