Wer sich mit der Frage beschäftigt, sein Leben zu verändern, gerät schnell an die psychologische Binsenweisheit, wonach es darauf ankommt, Visionen zu entwickeln, konkrete Bilder, denn die Vorstellungskraft ist immer stärker als der Wille. Dieses Prinzip hat Walter Mitty, gespielt von Ben Stiller, in dem Film „The Secret Life of Walter Mitty“ zur Meisterschaft entwickelt. Walter Mitty arbeitet in New York in der Fotoabteilung der Zeitschrift „Life“, die in ihrer Printversion wirtschaftlich nicht mehr tragfähig ist und künftig nur noch online erscheinen wird. Nun steht neben einer gnadenlosen Entlassungsaktion das letzte Heft an. Und Walter Mitty kann das Negativ für das Titelfoto nirgendwo finden. Also macht er sich auf die Suche nach dem Fotografen. Entscheidend wird er dabei von seiner Kollegin Cheryl Melhoff (Kirsten Wiig) unterstützt. Zufälligerweise hat Cheryl vor kurzem an einem Krimiworkshop teilgenommen und versteht einiges davon, Spuren zu lesen. Klar, dass hier eine Liebesgeschichte im Raum steht. Während Cheryl im Verlag am Schreibtisch sitzt und nachmittags ihren Sohn beim Skateboardfahren begleitet, führt Walters Reise um die halbe Welt: Grönland, Island, Afghanistan. Was von dem, was wir suchen, tragen wir schon längst in uns?
Die Dramaturgie ist sehr hollywoodlike. Das heißt auch teilweise sehr voraussehbar. Schön eingeflochten werden ein paar symbolträchtige Gegenstände (der mit Gel gefüllte Spielzeug-Muskelmann, der Rucksack aus der Jugendzeit, das Reisetagebuch als letztes Geschenk des früh verstorbenen Vaters). Vielleicht basiert auch alles auf der Vorlage, einer Kurzgeschichte von James Thurber. Es steht Ben Stiller gut, dass er ein paar graue Haare bekommen hat und ab und zu eine Brille gegen seine Weitsichtigkeit aufsetzt. Doch auch wenn er abgetragene Pullis trägt und beeindruckende Techniken auf dem Skateboard drauf hat, haftet ihm immer noch so ein gewisses Yuppieimage an. Das mag auch mit der teilweise doch noch ausbaufähigen Sozialkompetenz der Figur des Walter Mitty zusammenhängen, besonders bei der Begegnung mit Menschen, denen gegenüber er sich sozial überlegen fühlt. Dass Walter Mittys sehr toughe und kluge Mutter dabei ist, in ein Seniorenheim umzuziehen, ist kein bisschen glaubwürdig. Von der Besetzung ist der Fotograf, gespielt von Sean Penn, am meisten überzeugend. Menschen, die beim Altern immer schöner werden, immer mehr sie selbst.
Am meisten unbeholfene und tragische Musik: Der in der grönländischen Karaokebar gesungene Song „I was working as a Waitress“, eingeleitet mit den Worten: „Ich hab ´ne gute Lady verloren. Und der Song hilft mir, mich nicht so allein zu fühlen.“
Poetischstes Zitat: „Mein Verstand verweht wie der Schnee.“
Schönster Song: Ground Control to Major Tom.