Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2013 18 Dez

Mein schönstes Mixtape

von: Martina Weber Filed under: Blog | TB | 8 Comments

Immer wieder hatte ich eine ältere Musikanlage mit zwei kleinen Boxen mitgeschleppt und dafür extra in einen kleinen Reisekoffer gepackt. Oder ich hatte den kleinen schwarzen Kassettenrecorder mitgenommen, wenn es nicht so sehr auf die Klangqualität ankam und ich hoffte, Lautsprecher und Tonqualität könnten ausreichen, um den großen Raum auszufüllen. Ich hatte den Anfang von Allen Ginsbergs „The Howl“ vorgespielt, den herzzerreißenden schnellsten Lyrikkurs der Welt, Sharon Creechs „Der beste Hund der Welt“, hatte eine andere Kassette genau bis zu der Stelle vorgespult, wo die Lyrikerin und Verlegerin Daniela Seel mit ihrem Essay über Lyrik begann und erklärte, dass poetische Texte durch ihre Wortwahl und Auslassungen etwas freisetze, was vorher nicht da gewesen und völlig individuell und unberechenbar sei. Ich bracht ein Feature über den experimentellen italienischen Lyriker Andrea Zanzotto mit, wir lauschten den Kirchenglocken in seinem Dorf und den Schulkindern, wie sie im Chor „buon giorno“ sagten. Hatte eine Reportage über den Open Mike, einen Berliner Literaturwettbewerb für junge Autoren bis 35, angespielt. Stapelweise brachte ich Kassetten mit, und verlieh sie, notfalls mitsamt einem weiteren Kassetenrecorder,  weil der Besitz eines solchen längst nicht mehr mehr zur Standardausstattung gehört.

Zum Abschluss der zehn  über das Jahr verteilten Abende wurde mir nun ein weiteres Stück für meine Sammlung überreicht, ich war völlig überwältigt.

 
 
 

 
 
 

Jeder aus der Runde hatte Lieblingsstücke beigesteuert und in aufwändigster Weise hatte T. es bewerkstelligt, alles zusammen auf eine Audiokassette zu schneiden. Noch in der gleichen Nacht hörte ich allen zu, diesmal aber nicht, wie sie ihre literarischen Texte lasen, die wir dann respektvoll, aber kritisch in der Runde diskutieren würde, sondern etwas anderem, was aus einem anderen Teil des Inneren stammt. Meine Aufgabe ist es nun, herauszufinden, wer welches Lieblingsstück beigesteuert hat. Bei manchem Stück weiß ich es sofort, bei anderen kommen verschiedene Personen in Frage. Egal. Es ist eine Reise in andere Zeiten und es ist eine Reise um die Welt und in das Innere von Menschen, die in dieser Runde wahrscheinlich nie wieder so zusammensitzen werden. Unvollendet, wie jede Begleitung.

 

This entry was posted on Mittwoch, 18. Dezember 2013 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

8 Comments

  1. Martina:

    01 Fever Ray – I´m not done
    02 Maximo Park – Books from Boxes
    03 Regina Spektor – Summer in the City
    04 Lana Del Rey – Summertime Sadness
    05 De Lucia, Di Meola, McLaughlin – Letters from India
    06 One Inch Punch – Pretty Piece of Flesh
    07 The Beatles – Come Together
    08 Regina Spektor – That Time
    09 Tamikrest – Aicha
    10 Fever Ray – When I grow up
    11 Okkervil River – A Stone
    12 Villagers – Earthly Pleasure

  2. Henning:

    Schöner Beitrag zum Recording-/Listening-Thema. Tragen, schleppen, schneiden, montieren, in Runden lauschen …

  3. Michael Engelbrecht:

    Ja, wunderbar, auch das übermässig in Selbsterkundungs-sessions programmierte Loslassen lässt sich hier praktizieren. Ich habe Spass am Studium dieser Liste, obwohl ich nur wenige der Stücke kenne. Von denen die ich kenne, zwei an der Zahl, mag ich beide nicht (dieser Beatles-Song, und die Briefe nach Indien) – und Summer in the City will ich nur von The Lovin‘ Spoonful hören, auch, wenn es kein Cover ist:) Aber das Schleppen, Tragen, Montieren, dieses ganze wunderbare campfire feeling ist der Knüller.

  4. Martina:

    D´accord, was Summer in the City angeht.

    Bei mir hat die Nummer zwei (Books from Boxes) sofort gute Laune produziert, das ist ein Stück, das ich, wenn ich es auf CD hätte, fünf Mal lauter als sonst auf Repeat hören und in meinem Zimmer herumtanzen könnte und dann wieder etwas ganz anderes, Komplexeres hören.

    Und bei der Nummer sechs (Pretty Piece of Flesh)wusste ich, ohne das Stück auch nur zu kennen, wer es ausgewählt hat, denn es wäre die perfekte Hintergrundmusik, wenn J. diese Horror-Fantasie-Sexgeschichte vorlesen würde, die wir in drei Fassungen diskutiert hatten, bis sie dann absolut perfekt war.

  5. sylvia:

    Als sozialarbeiterin hatte ich einen jugendlichen über 2jahre bis zu seiner volljährigkeit zu begleiten.Die umstände waren denkbar schwierig.In den ersten gemeinsamen stunden fragte ich ihn nach seinen träumen,was wünscht du dir an erster stelle?
    Ein mofa,war die antwort.
    Es gab einiges zu lernen für den jungen,der schulabschluss mußte gemacht werden…und natürlich auch der mofaführerschein.
    An seinem 18ten geburtstag endete die betreuung,er hat gelernt was man mit 18 gelernt haben muß. Der abschied vor dem versicherungsbüro war vollendet romantisch.Er strahlte,zog sich den helm auf den kopf und brauste mit seiner mofa winkend davon. Das zum letzten satz in martinas text.

  6. Martina:

    Ja, Sylvia, so ist es.

  7. Gregor:

    …und wie gefällt dir die 2012er-Platte von
    Regina Spektor – What we saw from cheap seats?
    Die Scheibe gehörte zu meinen Top Twenty 2012!

  8. Martina:

    Sie gefällt mir ausgezeichnet, Gregor. Ich habe Regina Spektor erst jetzt durch das Mixtape kennengelernt. Das Mixtape ist so klasse. Ich habe es auch aufgegeben, die Songs einzelnen Teilnehmern zuzordnen, diese Rationalität verdirbt mir den Spaß an der Musik.


Manafonistas | Impressum | Kontakt | Datenschutz