Immer wieder hatte ich eine ältere Musikanlage mit zwei kleinen Boxen mitgeschleppt und dafür extra in einen kleinen Reisekoffer gepackt. Oder ich hatte den kleinen schwarzen Kassettenrecorder mitgenommen, wenn es nicht so sehr auf die Klangqualität ankam und ich hoffte, Lautsprecher und Tonqualität könnten ausreichen, um den großen Raum auszufüllen. Ich hatte den Anfang von Allen Ginsbergs „The Howl“ vorgespielt, den herzzerreißenden schnellsten Lyrikkurs der Welt, Sharon Creechs „Der beste Hund der Welt“, hatte eine andere Kassette genau bis zu der Stelle vorgespult, wo die Lyrikerin und Verlegerin Daniela Seel mit ihrem Essay über Lyrik begann und erklärte, dass poetische Texte durch ihre Wortwahl und Auslassungen etwas freisetze, was vorher nicht da gewesen und völlig individuell und unberechenbar sei. Ich bracht ein Feature über den experimentellen italienischen Lyriker Andrea Zanzotto mit, wir lauschten den Kirchenglocken in seinem Dorf und den Schulkindern, wie sie im Chor „buon giorno“ sagten. Hatte eine Reportage über den Open Mike, einen Berliner Literaturwettbewerb für junge Autoren bis 35, angespielt. Stapelweise brachte ich Kassetten mit, und verlieh sie, notfalls mitsamt einem weiteren Kassetenrecorder, weil der Besitz eines solchen längst nicht mehr mehr zur Standardausstattung gehört.
Zum Abschluss der zehn über das Jahr verteilten Abende wurde mir nun ein weiteres Stück für meine Sammlung überreicht, ich war völlig überwältigt.
Jeder aus der Runde hatte Lieblingsstücke beigesteuert und in aufwändigster Weise hatte T. es bewerkstelligt, alles zusammen auf eine Audiokassette zu schneiden. Noch in der gleichen Nacht hörte ich allen zu, diesmal aber nicht, wie sie ihre literarischen Texte lasen, die wir dann respektvoll, aber kritisch in der Runde diskutieren würde, sondern etwas anderem, was aus einem anderen Teil des Inneren stammt. Meine Aufgabe ist es nun, herauszufinden, wer welches Lieblingsstück beigesteuert hat. Bei manchem Stück weiß ich es sofort, bei anderen kommen verschiedene Personen in Frage. Egal. Es ist eine Reise in andere Zeiten und es ist eine Reise um die Welt und in das Innere von Menschen, die in dieser Runde wahrscheinlich nie wieder so zusammensitzen werden. Unvollendet, wie jede Begleitung.