1 – Ich habe lange nicht mehr so wenig geschlafen wie heute. Fortgeschrittenes sexfreies Im-Bett-Sich-Drehen war angesagt. Zuletzt eine Nacht durchgemacht habe ich noch im alten Jahrtausend, nachdem Eberhard Weber Bass solo spielte in den Cuevas de los Verdes auf Lanzarote, und Bang On A Can hernach auf akustischen Instrumenten Brian Enos Meisterwerk Music For Airports darboten und dabei die in der Originalfassung fein unter der Oberfläche gehaltenen Emotion voll auslebten. Eine Verwandlung von ätherischer Sehnsucht in hemmungslose Traurigkeit der herzerweichenden Art. Hernach war ich mit den Streichvirtuosen aus den USA stundenlang in einer Bar in Arrecife, und die Diskothek, in der wir gegen vier Uhr nachts strandeten, spielte unendlich schlechte Bumsmusik. Da war das, was The Trammps in den Klanghorizonten spielten, abgemischt vom Tom Moulton, göttlicher Stoff.
2 – Ich weiss gar nicht, wie oft heute in der Sendung von New York die Rede war, und die 80er und 70er ständig die Bühne tauschten. Da die Zeit wieder mal raste (und es keine Chance gab, sie anzuhalten, wie sollte ich auch, ich bin schliesslich Epikuräer und kein Mystiker), blieben viele Dinge unausgesprochen, der Anfang eines „Disko-Gedichts“ von Silke Scheuermann etwa, oder wie Nico im aggressiven Vollrausch eine Frau brutal in den Hals schnitt, im Chelsea Hotel, und dann, aus berechtigter Furcht vor einer Racheaktion der Black Panther, über Nacht nach Kairo ausgeflogen wurde, etc.). Gerne hätte ich auch noch eine Passage aus Patti Smiths Buch „Just Kids“ vorgelesen, aber da scharrten The Trammps schon mit den Füssen. Nebenbei bemerkt, zweimal fiel der Name Brian Eno heute Nacht, und doch liess ich unerwähnt, dass es seine Stimme war, die ad infinitum das Wort „Exposure“ buchstabierte. Ich liebe es, wie Terry Roche sich einmal auf diesem Fripp-Stück die Seele aus dem Hals schreit.
3 – Was macht man nach so einer durchgewachten Nacht? Nicht viel. Ich bin jetzt eine Couchkartoffel, werde die sieglosen Spiele von Borussia Dortmund gegen Bayern und Neapel (wir spielen ohne komplette Viererkette, alle schwer verletzt, so was gab es seit den Kreuzbandrissen von Chappi Chapuisat und Kalle ‚Air‘ Riedle nicht mehr) mit Gelassenheit zur Kenntnis nehmen. Und, mein Highlight, bei A-Musik erstand ich gestern in Köln auch noch eine nie gehörte Reggaesscheibe aus dem Jahre 1970, die lange als vergrabener Schatz galt: Double Barrell, von Dave and Anselm Collins. Mein Rega Planar 6 wird sich auf dieses Futter freuen, und ich trinke zum Abend hin ein Glas Rotwein aus Australien, einen „Blue Eyed Boy“ für besondere Gelegenheiten, spreche einen Toast aus auf alle Manafonistas & Associates, die zu dieser sehr speziellen Nachtstunde beitrugen, mit konkreten Ideen oder guten Energien. A votre sante.