– Michael, du hältst offensichtlich ganz viel von der neuen Platte von Bill Callahan.
– Kann man so sagen, Uwe. Es gibt Platten, da weiss man ganz schnell, hey, diese Songs werde ich mein Leben lang hören, und mich nie langweilen.
– Und das ist ja ein eher klassisches Songwriter-Album. Keine Avantgarde.
– Ja, was diese Folkjazzigkeit angeht, ist es für mich gar ein ferner Verwandter meiner Lieblingsplatte Nr. 2 von Van Morrison, Veedon Fleece. die Luftigkeit, mit der die Flöten und Violinen etwa ins Spiel kommen. Und es interessiert mich überhaupt nicht, ob ein Songalbum nun irgendwelche klanglichen Horizonte verrückt, die entscheidenden Faktoren sind Intensität und Tiefe. Insofern besitzt Dream River für mich die gleiche Klasse wie David Sylvians Manafon oder Scott Walkers Bish Bosch, die etwa in den „Klanghorizonten“ des Deutschlandfunks jeweils meine „Alben des Jahres“ wurden.
– Die Texte haben es dir angetan!
– Klar, wobei ich den Weg von Bill Callahan aka Smog schon seit den Neunzigern verfolge. Und ich musste ja so schmunzeln, als er einmal in einem alten Mojo verriet, seine ursprünglichen Inspirationen für die Art zu schreiben, wie er schreibt, seien Chandler, Woolrich, Hammett und Co. Das spiegelt sich in dem trockenen Humor, aber auch in der Kunst, sozusagen von einem Atemzug zum nächsten, das Triviale ins Existenzielle kippen zu lassen. „Outside a train sings its whale song / To a long, long train long, long gone.“ Zwei unfasslich gute Zeilen.
– Und der Gesang?
– Den empfand Bill am Anfang als Beiwerk, die Lyrik war für ihn vorrangig. Irgendwann muss ihm aufgegangen sein, dass seine Stimme mehr ist als ein Transportmittel. In dieser Hinsicht vergleichbar mit Leonard Cohen, „the man with the golden voice“, oder Paolo Conte. Nur passionierte Hörer von Opern dürften bezweifeln, dass diese sonoren Stimmen das perfekte Medium sind.
– Noch mal zurück zu den berühmten Thrillerautoren? Welchen Thriller hast du gerade in Arbeit?
– Der Roman, den ich gerade lese, ich bin erst auf Seite 56, und er gefällt mir bislang ausgesprochen gut, heisst „Shot Gun Love Songs“. Er ist gerade in Deutschland mit genau diesem Titel erschienen. Ist aber kein Thriller. Er handelt von einer Bande alter Freunde in den USA, in the middle of nowhere. Einer von ihnen ist ein berühmter Songschreiber. Ich glaube, auf Seite 26 gibt es das erste Lagerfeuer (lacht). Der nächste Thriller wartet schon auf dem Nachttisch, „I Am Pilgrim“.
– Was singst du derzeit unter der Dusche?
– Ah, meine Lieblingsfrage. Ich singe wirklich schrecklich, und ob du es glaubst oder nicht, Uwe, ich singe, besser murmel, murmeln kann ich viel besser, das Eröffnungslied von Callahans Platte. Ich kann den Text mittlerweile auswendig von „The Sing“.
– Was ist derzeit dein Lieblingsfilm?
– Ganz klar „Mud“. Auch ne Geschichte aus der amerikanischen Provinz. Als würde Sam Peckinpah Mark Twain verfilmen. Gibt es aber nicht in den deutschen Kinos.
The Sing (by Bill Callahan)
Drinking while sleeping strangers
Unknowingly keep me company
In the hotel bar
Looking out a window that isn’t there
Looking at the carpet and the chairs
Well the only words I said today are „beer“ and „thank you“
Beer, thank you
Beer, thank you
Beer
Giving praise in a quiet way
Like a church
Like a church
Like a church that’s far away
I’ve got limitations like Marvin Gaye
Mortal joy is that way
Outside a train sings its whale song
To a long, long train long, long gone
Then silence comes back alone
High as scaffolding
‚Til the wind finds something to ping
When the pinging things finds the wind
We’re all looking for a body
Or a means to make one sing