Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2013 4 Mai

Die skurrilste Jukebox von Würzburg

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 2 Comments

Gregors Fantasie vom Handel mit Jukeboxen ist ja keine Träumerei ohne Vorgeschichte. Ein halbes Jahr lang betrieb er ein florierendes Geschäft mit dem Import und Vertrieb dieser alten amerikanischen Kulturgüter. Es war Ende der Siebziger Jahre, als wir uns zum zweiten Mal trafen, Gregor stand mit einem grauen VW-Bulli vor der Tür meiner Wohnung in Gerbrunn nahe Würzburg. Auf der Ladefläche hatte er eine Jukebox untergebracht, fest mit Seilen gesichert, so dass selbst eine Vollbremsung keinen Schaden anrichten konnte. Das erste Mal überhaupt waren wir uns über den Weg gelaufen, in der Gleichmannstrasse 10 in München-Pasing. Wenn man dort in den Laden ging, an Staubsaugern, Waschmaschinen, diversen Elektrogeräten vorbei, und dann hinauf in den ersten oder zweiten Stock, landete man bei „jazz-by-post“, mitten in einer Riesensammlung neuer aufregender Jazzplatten. Gregor (Trenchcoat, Vollbart) hatte eine neue Platte von Jan Garbarek in der Hand, auf den Titel komme ich gerade nicht, Jack DeJohnette war auch dabei, und Pianist John Taylor spielte nur auf einer skurrilen elektrischen Orgel (oder spielt mir die Erinnerung hier einen Streich?). Eine fantastische Platte, aus der Zeit, als der Norweger noch sein altes Feuer besass, das ihm später weitgehend abhanden kommen sollte. Bald kamen wir vom Thema Lieblingsplatten zu seiner Jukebox-Obsession, und noch im selben Sommer kam er in meine vorübergehende fränkische Wahlheimat, um mit mir zusammen eine Jukebox in einer renommierten Würzburger Studentenkneipe einzurichten und zu bestücken. Ich steuerte neben einigen Überbleibseln meiner Jugend („Winchester Cathedral“, „Death of a Clown“, „House of the Rising Sun“, solche Kaliber) auch noch an die dreissig (!) Singles der Hofband des äthiopischen Kaisers Haile Selassie bei, die auf seltsamen Wegen von Adis-Abeba über den Hafen von Marseille in meinen Besitz gelangt waren. Einen Sommer, einen Herbst und einen Winter lang wurden diese nordafrikanischen Exotica öfter gedrückt als die anglo-amerikanischen Klassiker; der „Alte Peter“ wurde sozusagen die erste Weltmusikkneipe Würzburgs. Gregor liess sich allerdings nicht lumpen („Amerika ist ein Fass ohne Boden“ war sein Kernspruch), und steuerte einige Schätze aus der Frühzeit amerikanischer Popularmusik bei, Gospels aus den Fünfziger Jahren, und etliche Erstpressungen von den Coasters (mit Autogrammen!). In besonderer Erinnerung habe ich die Single „Smokey Joe’s Cafe“ mit „Just Like A Fool“ auf der B-Seite. Etliche Hüllen hingen über der Theke, zusammen mit Sammlerstücken von Dick Dale, Abdoul Ahmed, Haik El-Masir und anderen.

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2 Comments

  1. Gregor:

    Ja, genau, so war es, dein Erinnerungsvermögen bewundere ich schon lange. Und, du wirst es nicht glauben, aber auch für die Erstbestückung meiner gestern beschriebenen Boxen, hatte ich eigentlich fünf, sechs Titel aus der Frühzeit amerikanischer Popularmusik vorgesehen, mich dann aber doch nicht getraut.

  2. Michael Engelbrecht:

    „Alter Peter“ ist ja schon history. Aber gut, dass du damals noch die alten Schätzchen wiederbekommen hast. Ich staune noch immer: Singles von den Coasters mit Autogrammen.


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