Die mit dem Älterwerden verbundenen Unannehmlichkeiten würde man allzu gerne in einer Fußnote abhandeln oder frühmorgens auf einer To-Do-Liste streichen, um den restlichen Anforderungen des Tages dann mit flexiblem Tai Chi zu begegnen. Wo die Gefahr wächst, da wüchse das Rettende ja auch, tröstete Philosoph Heidegger und wir wollen es gerne glauben. Zuspruch und Zeugenschaft findet man bei so manchem Zeitgenossen. David Bowie etwa fragte gerade altersweise: „Where are we now?“ – und auf sein neues Album, das am elften März erscheint, darf man sich freuen, auch weil dort Gitarrist David Torn seine Finger im Spiel hat. David Sylvian sang auf Manafon die Zeilen: „Its not just the boredom, its something endemic – its the fear of disorder, stretched to its limits.“ Wo Utopia war, wird Entropia? Schöne Aussichten! Zur bevorzugten Literatur dieses Themas zählen Jean Amerys Über das Altern – Revolte und Resignation, ferner Der Knacks von Roger Willemsen und Silvia Bovenschens Älterwerden. Soeben von einem Zahnarzt kommend, der mir langfristig keine guten Aussichten prognostiziert, halte ich in der linken Hand deren Buch, in der rechten ein Kühlpack, und lese:
„Jetzt, 2005, habe ich die Vorstufe zu Big Bang erreicht. Ich bin permanent beim Zahnarzt. Auf dem zurückgekippten Stuhl (…) denke ich an eine Geschichte, die mir meine Freundin (…) vor Jahren erzählte. Sie handelte von einem Mann, der sich erschiessen wollte, weil ihn die tägliche Zahnputzprozedur so langweilte. Das hatte mir sofort eingeleuchtet. Daher komme ich jetzt zu dem absurd tröstlichen Schluß: Je weniger echte Zähne du haben wirst, desto kürzer wird diese Prozedur dauern. Dann aber fällt mir ein, dass für Jean Amery, in seinen angenehm unbeschwichtigenden Ausführungen zum Älterwerden, allein die Aussicht auf einen partiellen Zahnersatz die Altersniederlage einläutete.“