Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2013 18 Jan.

5000 Geister oder die Schichten der Zwiebel

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | Tags:  | 3 Comments

 
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Heute morgen, beim Frühstücksbuffet, kam ein ca. siebzig Jahre alter Engländer an meinen Tisch geschlurft, und fragte mich, wo er hier Tee bekomme. Jeden Tag eine gute Tat. Mit zwei Paracetamol hatte ich zuvor die Schmerzen abgeschossen, die mich in aller Frühe plagten. Ich war gestern mittag mit Robin Williamson durchgeschwitzt in der Bergsiedlung Femes angekommen, wir hatten uns in die pralle Mittagssonne gesetzt, und zumindest mich attackierten kühl auffrischende Böen. Das Gespräch lenkte mich von diesen Widrigkeiten ab.

„Die einzige Art, damals auf ziemlich leichte Weise interessante Musik zu machen, bevor der Moog-Synthesizer gross in Erscheinung trat“, sagte Robin Williamson, während ich an meinem Cafe con leche nippte, „war, sich interessante Instrumente zu besorgen“. Ich hatte Robin kurz vor meinem Abflug angerufen, weil ich wusste, dass der alte Schotte hier eine Eigentumswohnung bei Femara besass und im Januar regelmässig vor schottischen Klimaverhältnissen floh.

Die Kontakte gingen in die Zeit zurück, als ich regelmässig als Journalist eingeladen war zu dem alljährlichen Festival Musica Visual, das der Maler Ildefonso Aguilar de la Rua einst ins Leben rief. Brian Eno spielte mit Peter Schwalm in einem Vulkankrater, Eberhard Weber und David Darling führten Solokonzerte auf in den Cuevas de los Verdes, und der junge, damals noch unbekannte Arve Henriksen spielte im Trio von Christian Wallumrod.

Wir plauderten über das Jahr, als Robin finanziell abgebrannt aus Marokko zurückkehrte (1966) , und dann bald mit der Incredible String Band Furore machen sollte. (Ich hatte das Album 5000 Spirits or the Layers of the Onion aus dem Jahr 1967 permanent im Auto laufen, schliesslich sind zwei Songs daraus für meine kommenen Klanghorizonte geplant.) „Ich wäre gerne für immer in Marokko geblieben“, sagte er, und liess den Blick über den leer gefegten lanzarotinischen Himmel schweifen. Ich begriff rasch, dass in diesen gesegneten Monaten in Nordafrika etwas Erstaunliches passiert sein musste.

 
 
 

 
 
 

Wer damals als Hippie vor die Türen seiner Unterkunft trat, dem öffnete sich auf den Strassen von Fes und Marrakesch eine andere Welt: „Es war, als würde man zurück ins Mittelalter gehen, besonders in den arabischen Ortschaften, den Medinas. Sie hatten damals keine Autos, nur Esel und Kamele – und ganz winzige Gassen. Nur das Radio – das Radio war überall. Wunderbare Musik spät in der Nacht, die königliche Band sang ihre Songs um ein, zwei Uhr nachts.“

Da dies kein offizielles Interview war, hatte ich kein Aufnahmegerät dabei, und das Gespräch kam von Hölzchen auf Stöckchen. Wo es den besten Cappuccino auf der Insel gibt, wo es die grössten Seezungen gibt, und wie ich mich einmal fast mit einem spanischen Wirt geprügelt hatte. Robin wollte aber auch wissen, ob ich schon richtig tolle Musik gehört hätte in diesem noch jungen Jahr. Und ich erzählte ihm, dass es mir besonders ein Album angetan habe, in dem ein französisches Duo Traumerzählungen in Musik umsetzt: „A l’ombre des Ondes“, von Kristoff K. Roll. Wie gesagt, von Hölzchen auf Stöckchen.

In der Nacht darauf träumte ich, wie ich durch ganz kleine Gassen in Arrecife ging und auf eine Krimibuchhandlung traf, die viele deutsche und englische Bücher enthielt. Ich kaufte mir Jamal Verdigris‘ „Die Kunst des Schlosserhandwerks für Fortgeschrittene“ sowie den Thriller „Claire deWitt and the City of the Dead“, obwohl ich das Buch von Sara Gran schon begeistert in der deutschen Übersetzung gelesen hatte. So langsam sickerten meine Gliederschmerzen ins erste flüchtige Erwachen, und ich liess sämtliche Traumdetails noch einmal durch den Kopf gehen, um beim Frühstück genug Stoff zur fröhlichen Traumdeutung zu haben. Dann kam, wie gesagt, der alte Mann an meinen Tisch geschlurft, und der erinnerte mich plötzlich an den Buchverkäufer aus dem Traum, nur, dass der Händler eine Baskenmütze trug, und eine Pistole im Hosengurt stecken hatte.

Als ich nach einem ausgiebigen Bad im Meer ins Hotelzimmer zurückkam, fand ich eine Email von SoulJazz Records vor; das Label bot – und beim Lesen grinste ich über beide Backen – ultrarare Vinylsingles aus dem Äthiopien der frühen Siebziger Jahre an. 30 Pfund pro Stück. Robins altes Afrika! Diese Freude liess ich mir nicht entgehen, bestellte für Robin Williamson und mich jeweils eine 7-inch-Kostbarkeit. Kurze Zeit später stellte ich die Ankündigung dieser heissen Ware bei den Manafonistas rein. Als ich nach dem Verzehr von „Langustinos con Brandy“ noch einmal die offizielle Webseite der Londoner Firma öffnete, hiess es ganz lapidar: SORRY! ALL SINGLES SOLD OUT IN ONE HOUR! Da kriege ich ja einen richtigen Schatz für die „Klanghorizonte“ im April. Good night, ladies and gentlemen, and good dreams!

 
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3 Comments

  1. Michael Engelbrecht:

    Wikipedia: The 5000 Spirits or the Layers of the Onion is the second LP by The Incredible String Band, released in July 1967.

    Since recording their debut album the previous year, the original trio had been reduced to two, Mike Heron and Robin Williamson. They recorded The 5000 Spirits… in London in early 1967. The album also featured Pentangle’s Danny Thompson on double bass, Williamson’s girlfriend Licorice McKechnie on vocals and percussion, master sitar player Nazir Jairazbhoy (credited as „Soma“), and, on piano, counter-culture activist John „Hoppy“ Hopkins, (on Mad Hatter’s Song) who had just set up London’s UFO Club with the album’s producer, Joe Boyd.

    The album demonstrated considerable musical development and a more unified ISB sound. It displayed their abilities as multi-instrumentalists and singer-songwriters, and gained them wide acclaim. As well as winning favourable reviews in the music press, it was received enthusiastically by the DJ John Peel, who regularly featured tracks from the album on his influential Perfumed Garden programme on the pirate radio ship Radio London. The 5000 Spirits… went to Number One in the UK folk chart, and was named by Paul McCartney as one of his favourite records of that year.

  2. Michael Engelbrecht:

    Oh seekers of spring how could you not find contentment
    In a time of riddling reasons in this land of the blind
    By the joke of fate alone
    it’s sure that as the loved hand leaves you,
    You clutch for the slip-stream, the realness to find.

    But do what you like, do what you like, do what you like,
    do what you like, do what you like, do what you can,
    do what you can, live till you die
    My poor little man.
    For Jesus will stretch out his hand no more.

    But in the south there’s many a waving tree;
    Oh would that musky fingers move your pain;
    In the warm south winds the lost flowers bloom again.

    And if you cried, you know you’d fill a lake with tears,
    Still wouldn’t turn back the years,
    Since the city has took you,
    Mad Hatter is on my mind.

    So sad, sad to see the way it grew
    Those other people that I knew
    That have either fell or faltered.
    Mad Hatter is on my mind.

    And you must have to see clear some time.

    Prometheus the problem child,
    still juggling with his brains
    Gives his limping leopard’s visions
    to the miser in his veins.
    Within the ruined factory is the normal soul insane
    As he sets the sky beneath his heel
    And learns away the pain.

    But I am the archer the lover of laughter,
    And mine is the arrowed flight.

    I am the archer, and my eyes yearn after the unsullied sight.
    Born of the dark waters of the daughters of night,
    Dancing without movement after the clear light.
    Oh Perithian fate be kind in the rumbling and trundling rickshaw of time.
    Hooked by the heart to the king fisher’s line,
    I will set my one eye for the shores of the blind.

    Diesen Text singt Robin Williamson in den kommenden Klanghorizonten am 28.1. um 1.05 Uhr nachts.

  3. Henning:

    seit Jahrzenten bei mir nie verblassendes Signum,
    tiefe Rille.


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