Manafonistas

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2012 23 Dez.

Gregor öffnet seinen Plattenschrank (32)

von: Gregor Mundt Filed under: Blog | TB | Comments off

 
„Die Musik, mit der ich mich beschäftige, muss nicht unbedingt Musik genannt werden. In ihr gibt es nicht, woran man sich erinnern soll. Keine Themen, nur Aktivität von Ton und Stille.“ (John Cage)

„Ich verstehe nicht, warum Leute Angst vor neuen Ideen haben. Ich habe Angst vor den alten.“ (John Cage)

„Wenn etwas nach zwei Minuten langweilig ist, versuche es vier Minuten lang. Dann 16. Dann 32. Schließlich entdeckt man, dass es überhaupt nicht langweilig ist.“ (John Cage)

`Ich weiß eine Geschichte: „Es war einmal ein Mann, der stand auf einer Anhöhe. Eine Gruppe von Männern, die gerade die Straße entlangkamen, bemerkten von weitem den Mann, der auf einer Anhöhe stand, und sprachen miteinander über diesen Mann. Einer von ihnen sagte: Er muß sein liebstes Tier verloren haben. Ein anderer sagte: Nein, es muß sein Freund sein, nach dem er Ausschau hält. Ein dritter sagte: Er genießt nur die kühle Luft dort oben. Die drei konnten sich nicht einigen und die Diskussion ging weiter bis sie die Anhöhe erreichten, wo der Mann stand. Einer von den dreien fragte : O Freund da oben, hast du nicht dein Lieblingstier verloren? Nein Herr …, ich habe keins verloren. Der zweite Mann fragte. Hast du deinen Freund verloren? Nein Herr, ich habe auch meinen Freund nicht verloren. Der dritte Mann fragte: Genießt du die frische Brise da oben? Nein Herr, das nicht. Was also stehst du da oben, wenn du nein sagst auf all unsere Fragen? Der Mann oben sagte: Ich stehe nur hier.“´ (John Cage „Silence“, Übersetzung von Ernst Jandl)
 
 
Nein, um Cage soll es mir heute trotz des sich seinem Ende zuneigendem Cage-Gedenkjahres nicht gehen. Cage habe ich aus einem ganz anderem Grund zitiert: Grete Sultan! Über sie erschien in diesem Jahr ein Buch: (Moritz von Bredow: Rebellische Pianistin – Das Leben der Grete Sultan zwischen Berlin und New York)
 
 
 

 
 
 
Im Jahr 1906 kam in Berlin Grete Sultan zur Welt. Sie wurde eine der bedeutensten Konzertpianistinnen Deutschlands mit vielen hochgelobten Auftritten zur Zeit der Weimar Republik. Ungewöhnlich an ihren Programmen war stets das Nebeneinander von Werken aus Barock, Klassik, Romantik und zeitgenössischer Klavierliteratur. Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten im Januar 1933 erhielt Grete Sultan öffentliches Auftrittsverbot und konnte nur noch im Jüdischen Kulturbund spielen.

Ab 1940 wurde das Leben für die Familie allerdings so unerträglich, dass mehrere Mitglieder der Familie gerade noch rechtzeitig ins Exil gehen konnten, doch einige wurden Opfer des NS-Regimes, wurden in Konzentrationslagern ermordet oder kamen den Häschern zuvor, indem sie sich selbst das Leben nahmen, so der Vater von Grete Sultan. Grete gelangte nach einer schrecklichen Odyssee schließlich nach New York. Dort angekommen, wird sie schon bald Mitarbeiterin und Freundin von John Cage. Da sich Sultan schon in Deutschland mit zeitgenössischer Musik beschäftigt hatte, mag das nicht erstaunlich erscheinen. Dennoch wüsste ich nicht von einer zweiten Pianistin, die im Werk von J-S.Bach – z.B.Goldbergvariationen (siehe Plattenschrank Nr.9) – genauso zu Hause zu sein scheint wie in dem von John Cage. Als ich vor sechs Jahren zum ersten Mal von Grete Sultan hörte, war sie bereits ein Jahr tot, der WDR brachte ein Gespräch mit ihr, das war 2006. Eine Platte von Sultan zu bekommen, das war dann allerdings mehr als schwierig.

 
 
 

 
 
 
Über Umweg kam ich dann an eine Doppel-CD aus dem Jahre 1996, deren erste CD Musik von Arnold Schönberg, John Cage, Claude Debussy enthält, eingespielt zwischen 1967 und 1990, auf deren zweiter CD dann der Hörer den vollständigen Goldbergvariationen (78:03) Bachs interpretiert von Grete Sultan lauschen kann. Ein Erlebnis. Ein Blick ins Internet zu den bekannten Anbietern: CDs von Grete Sultan sind zu haben, allerdings gibt es fast nur sündteure Angebote. Nur die Etudes Australes For Piano von Grete Sultan und John Cage gibt es noch zum Normalpreis. Ich denke aber, die Zeiten werden sich zugunsten des Sultan-Interessenten ändern, denn kürzlich erschien ja das oben erwähnte wirklich lesenwerte Buch über Grete Sultan: Rebellische Pianistin – Das Leben der Grete Sultan zwischen Berlin und New York (Schott).
 
Ihnen allen: Schöne Weihnachten und ein gutes Jahr 2013!

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