„Gehörbildung ist eine äußerst zähe Angelegenheit. Erfolge sind nur schwer messbar. Die Entwicklung des Gehörs verläuft in kleinsten Etappen, die für uns selbst kaum wahrnehmbar sind. Erst der Vergleich über mehrere Monate oder Jahre zeigt, dass man Fortschritte gemacht hat. Ohne genau zu wissen wie, wann oder warum dieser Prozess stattgefunden hat, realisiert man plötzlich: “Ist das einfach! Wieso hatte ich damit früher solche Probleme?!“ (F. Sikora, Die Neue Jazzharmonielehre)
Man kann sich von Musik bezaubern lassen, ohne das man weiss, was dort gespielt wird oder musiktheoretisch vor sich geht. Das ist OK, denn Musik sucht ja seine Hörer wie der Brief den Adressaten. Spielt man ein Instrument, versucht man, etwas nachzuspielen. Bei vielem hiess es dann immer: Ist zu schwer! Man hielt bewundernd Andacht. Technische Mittel mochten nicht gereicht haben. Es könnte aber auch eine seltsame Blockade gewesen sein, von der Art, wie man meinte, man könne nicht kochen, weil einem Oma, Mutter oder Onkel einmal sagten: „Du kannst nicht kochen!“ Nur das man hier sich selbst einflüsterte: „Sowas kannst du nie und nimmer spielen!“ Falsche Ehrfurcht, gekoppelt mit einer romantischen Wahrnehmung – dem Hang, zu verklären, dort wo Aufklärung, Aufmerksamkeit und nüchterne Analyse hilfreich gewesen wären. Nun aber, neuzeitlich, frühherbstlich und an Erfahrung gereift hört man beispielsweise ein Stück von Steely Dan, Donald Fagen – oder von Mister Mehldau gar – und man gibt Obacht: Hey, was geht da vor sich! Was wird gespielt im Bass, am Keyboard? Welche Figur genau singt der Gesang …