Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

You are currently browsing the blog archives for the month September 2012.

Archives: September 2012

2012 25 Sep.

Der leere Geist

| Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | 1 Comment

 
 

 
 
Besonders schön sind Bücher, die man nie ganz auslesen kann. Weil man immer nur in ihnen stöbert, durch sie stromert, traumwandelnd in ihnen unterwegs ist, ohne Geradling- und Kapitelhörigkeit. Und die einen fortwährend verblüffen, verwirren, auf gute Weise ratlos machen, oder heitere Erkenntnisse produzieren. So ein Buch ist EMPTY MIND von John Cage. Marie Luise Knott und Walter Zimmermann haben, gewiss mit verdammt viel Spass, eine Auswahl von Cages Schriften getroffen, ein Lesebuch der abenteuerlichen Art kompiliert, voller Essays, Sinnsprüche (bei Cage gern auch Sinnlossprüche), Anekdoten, Gedichte und Skizzen.

Eine Kostprobe: – Als ich noch Ecke Monroe-Grandstreet wohnte, kam eines Abends Isamu Noguchi mich besuchen. Es war nichts im Zimmer (keine Mobel, keine Bilder). Der Boden war ganz und gar mit Kokos ausgelegt. Die Fenster hatten weder Gardinen noch Vorhänge. Isamu Noguchi sagte: „Ein alter Schuh würde in diesem Raum schön aussehen.“

2012 25 Sep.

Disziplin, Ekstase, Wohlklang: „Ronin Live“

| Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags:  | Comments off

Man erkennt den Stil der Schweizer schnell, aber man kommt gewiss nicht schnell hinter ihre diversen Betriebsgeheimnisse. Sonst würde man jede ihrer Kompositionen, die bei ihnen Module heissen, durchschauen, das Strohfeuer der Virtuosität wäre flugs erloschen, der Kaffee (bei Ronin eher der grüne Tee) bald kalt. Nach ihrem bislang besten Studioalbum bieten sie nun ein Live-Dokument an, das einmal mehr in den Sog dieser raffiniert verzahnten Texturen lockt. Ein Hauch von Jazz. Subtile Einflüsse aus Klassik und ethnischer Musik, und eine Extra-Klangspur „minimal music“. Was zum starren Korsett werden könnte, bleibt luftig, und atmet. Im Live-Spiel gibt es, mehr als im Studio, Passagen, in denen die Musik auf die Spitze getrieben wird, und die Module kurz vorm Kollaps zu stehen scheinen. Solche Momente der Ekstase wurden schon mal, wie Nik Bärtsch im Begleittext schreibt, vom Jaulen eines Hundes in einem Underground Club auf den Weg gebracht, als eine Art Aufschrei zur rechten Zeit. Wer sich dieses Doppelalbum auf der heimischen Couch zu Gemüte führt, wird den Hund gut verstehen, und immer wieder mal versucht sein, zu jauchzen, und aufzuschreien.

2012 21 Sep.

The haunting world of Nihilumbra

| Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Comments off

„Philosophie trifft auf Jump&Run, die Sinnfrage auf Farbenlehre – nein, „Nihilumbra“ ist kein gewöhnliches iPhone- und iPad-Spielchen“

With so many television channels in the United Kingdom now dedicated purely to childrens’ viewing, it’s surprising to remember that back in the 1970s, cartoons on TV were strictly rationed. Typically there would be an occasional episode of Tom and Jerry, or if you were lucky, Scooby Doo. Once in a while, there would be very strange Czech cartoons depicting melancholy, dream like worlds which followed their own bizarre logic. Nihilumbra feels like being immersed in one of those cartoons.

Nihilumbra is an original platforming adventure which guides an enigmatic shadowy figure through a series of beautiful hand-painted worlds before they are slowly devoured by an all encompassing void. Bleak poetic phrases are scattered throughout the game, providing atmosphere as well as instruction. English isn’t the developers’ first language, but that works in their favour, the occasionally foreign grammar enhancing the other worldly feel.

Running and jumping is controlled through either virtual buttons or tilting the iPad, but the game’s strongest feature is its use of paint. Using colours from a gradually expanding palette, the properties of surfaces can be transformed to become slippery, sticky and more.  Each worlds introduces a new colour, and part of the enjoyment in the game is discovering the new properties as they are introduced. 

The sound design is minimal, but effective, and the screams of the occasional nightmarish creatures that block your path are genuinely chilling. The soundtrack itself is majestic, with overtones of folk and even the subtler moments of early seventies prog. Although busy, it has enough variety to avoid becoming grating over time.

The game is extremely generous with its levels, and maintains its quality to the end. As a final bonus upon completion of the game, a set of ‘remixed’, much tougher versions of the levels becomes available. Not only is Nihilumbra one of the most haunting adventure games on iOS, it is incredibly good value for money. (Peter Chilvers)

Available for iPad, iPhone and iPod touch

2012 21 Sep.

Brian Eno and Peter Chilvers: Scape for iPad

| Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Comments off

Scape makes music that thinks for itself. From Brian Eno and Peter Chilvers, creators of Bloom, Scape is a new form of album which offers users deep access to its musical elements. These can be endlessly recombined to behave intelligently: reacting to each other, changing mood together, making new sonic spaces.

„Can machines create original music? Scape is our answer to that question: it employs some of the sounds, processes and compositional rules that we have been using for many years and applies them in fresh combinations, to create new music. Scape makes music that thinks for itself.“ – Brian Eno, Peter Chilvers

Includes 15 original scapes
Scapes can be saved into a gallery and added to a playlist
Plays in background of other apps (excluding iPad 1)
Generates random scapes
Scapes can be shared by email
Supports AirPlay and Retina display

 
 

 

„Diese Musik ist wie ein Schlüssel!“, entgegnete ein musikverständiger Zeitgenosse, als unsereins einst überschwänglich Begeisterung für das Paris-Concert des Bandleaders und Saxofonisten Tim Berne zeigte. Den Bass auf dieser legendären Liveaufnahme spielte damals ein gewisser Michael Formanek. Der war mir vorher schon zu Ohren gekommen, auf Parias Pariah beispielsweise – im Quartett mit Gary Thomas, Greg Osby und John Arnold. Wuchtige polyrhythmisch-harmonische Strukturen legten dort den Grundstein für das abstrakt-kühle Spiel der Kompositionsarchitekten Osby und Thomas.

Als Nachfolge des hochgelobten Formanek-Debüts The Rub and the Spare Change erschien nun Small Places. Von der Wucht des auch im echten Leben stabil gebauten Bassisten hört man viel und gerne. Und kein Eicher wäre im Spiel, käme nicht zu dieser Kraft auch Feingefühl und Atmosphäre. Man munkelte schon von „muskulösen Ostinati“, doch der Hörer sei besänftigt: diese Musik wurde nicht im Kraftraum eines sterilen Fitnesscenters ausgeschwitzt – sie entstand enspannt unter der federführenden Hand Formaneks und entfaltete sich dann weiter vor den Mikrofonen der New Yorker Avatar-Studios.

Als Einstieg empfielt sich das letzte Stück des Albums: der von dem Bordun-Ton einer Shruti-Box getragene Song „Soft Reality“. Hier hört man diese schnörkelig feinen Linien, diese hingehauchten Verspieltheiten des Tim Berne, wie er sie schon auf dem Paris-Konzert zelebrierte. Dann aber, im anfänglichen Titelstück „Small Places“, geht es zur Sache. Das ganze Album gewinnt seine Spannkraft durch den Gegensatz von kraftvollen, geradezu rockigen und dann den leiseren, lautmalerischen, tentativen Passagen. Was ist hier noch komponiert, was schon improvisiert?

Das Zusammenspiel Tim Bernes – dessen Ton immer auch etwas ungehobelt, raubeinig und organisch klingt – mit dem Pianisten Craig Taborn und seinen leichten, kühl-ätherischen Klangfarben ergänzt sich gut. Hört er den Letzteren spielen, fragt sich der Klassik-Laie einmal mehr: „Wo ist eigentlich der Unterschied zwischen E-Musik und Jazz?“ Ist das hier Ravel, Schönberg, Webern oder gar Strawinsky? Auch an den kaskadenhaften, klassisch angehauchten Spielwitz des Frank Zappa erinnert zuweilen die Musik auf Small Places.

Keith Jarrett und sein Trio spielen bekanntlich seit Jahren Standards auf hohem Niveau. Jazzstandards sind basis-komponiert im Gefüge von Funktionsharmonik oder Modalität. Darin ähneln sie dem Bossa Nova und den Songs von Steely Dan. Die Musik Formaneks, Bernes, Taborns funktioniert anders: es sind verschachtelte, rhythmische Melodielinien, frei von funktionsharmonischer Struktur – sie bieten Gerüst und Rahmen für die sich öffnenden Räume der Improvisation. Wäre dies Malerei, sie wäre teils abstrakt, teils gegenständlich.

Schlußendlich gehört Small Places zu jenen akustischen Schauplätzen, wo sich auf offener Bühne etwas vollzieht, das sowohl dem leidenschaftlichen Jazzliebhaber als auch dem selbst Musizierenden so manch inspirierenden Aha-Effekt verleiht; die Lust auf Musik macht und – um zappaesk zu schließen – einem die Einsicht vermittelt, der Jazz sei noch lange nicht dahingeschieden, vielmehr ein ewiger Phoenix, aus Asche entsprungen.

Viele, die diese Zeilen lesen, werden den Film schon gesehen haben. Ich hatte das Vergnügen erst heute. Und ich wusste so gut wie nichts von diesem französischen Filmereignis. Auch wenn ich infolge einer Virusgrippe für ca. 30 Minuten wegdämmerte (ganz gegen meinen Willen!), war ich sehr beeindruckt, und freue mich auf ein zweites, und ein drittes Wiedersehen. Ich weiss nicht, ob es in den zahlreichen Lobeshymnen, die diese Tragikomödie (Tragitragikomödie?) gewiss erhalten hat, angeklungen ist, aber: ganz und gar frappierend ist das Gewebe der bewegten Bilder mit den bewegenden Songs (aus alter Zeit, Disco, Earth Wind & Fire, Nina Simone etc.) und dem Original-Soundtrack. Für sich allein geben diese Tracks recht wenig her, ausser den üblichen anheimelnden Wirkungen aufs Gemüt. Deswegen: sehen resp. hören Sie sich den Film (noch) einmal an! Und eins fiel mir im Nachhinein auch auf: anders als manche französische Kunst-Filme, die sich gerne in endlosen Dialogen verheddern, ist hier jede Szene bestens durchdacht, ohne dabei kalkuliert zu wirken: so werden etliche kleine Spannungsbögen entwickelt und falsche Fährten gelegt. Alles geschieht mit – quel vieux mot – Anmut.

2012 17 Sep.

John Cage: Water Walk (1950)

| Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags: , | Comments off

The bulk of the 32 minute title track on The Seer is two chords, one tritone apart from each other, played over and over again. The interval – once thought to actually be demonic – heaves back and forth, collapsing and recollecting like throwing a two-ton burlap sack of noise. Instead of crescendoing to some sweeping catharsis, the two chords remain steady and resolute, never resolving. The song doesn’t lift, it doesn’t pound, it just twists and screws and digs. It’s like: Say a word over and over and it can lose its meaning and succumb to semantic satiation. Intone a mantra or prayer every morning and it can be a spiritual guide. Have a drop of water fall on your head for seven hours and it’s torture. Watch a pendulum swing back and forth and fall into hypnosis. The volatile act of repetition yields all kinds of results ranging from pure truth and ecstasy to violence and lunacy, but the overarching theme of repetition is that it looks for what is beyond the surface. Repetition is a jackhammer trying to wrest truth from the muddy waters of the subconscious. Repetition is a wholly committed search.

You are now – somehow – interested in the new Swans opus? Read comment 1!

 
 

 
 
Ein Buch bei dem ich nicht weiß, was ich trinken soll. Zuerst entscheide ich mich für Kaffee. Bei jedem Absatz einen. Das geht zweimal gut, dann Espresso, bis mein Herzschlag sich dem Rhythmus der Sprache anpasst. Aber in Wirklichkeit geht es nicht ohne Wodka. Der bringt mich vom Denken ab und der Text zieht mich hinein in die Welten von Schriftstellern und Musikern, Gestrandeten und Gestrauchelten, Suchenden und Irrenden, Liebenden und Lieblosen. In die Welt derjenigen, die Chancen ergriffen, die sie nicht hatten.

Ich lasse mich treiben … Hamburg, Jamaika, Amsterdam. Eindrücke, Gespräche, Songtexte, Biographisches. Kunst und Leben auf unentwirrbare Weise miteinander verquickt. Hätte nie gedacht, dass das geht. Cool!

Reiseberichte, Reportagen, Aufsätze. Jean-Pierre Melville, Ernest Tidyman, James Crumley, Daniel Woodrell und David Osborn kommen vor und zahllose Unbekannte, die vor dem Vergessen behütet werden müssen. Es ist völlig egal, wie gut oder ob man die mehr oder minder prominenten Künstler zuvor kannte. Deshalb wird ja von ihnen erzählt.

Frank Göhre erzählt immer von jenen, die zu kurz gekommen sind, die sich haben durchschlagen müssen. Von den Unsteten, Risikobereiten, den Hassadeuren und Geschlagenen. Er ist ihr Chronist.

Wunderbar fügen sich die Episoden aneinander, nicht folgerichtig, sondern unbewertet, respektvoll und frei von jeglicher Hierarchie. Ich darf sie begleiten und mich anrühren lassen von ihrer Dynamik und ihrer Intensität. Geschichten gegen das Vergessen und für die Würde des Einzelnen mit raschen Beats, schnellen Schnitten und einem glasklaren und liebevollen Blick auf die Welt.


Manafonistas | Impressum | Kontakt | Datenschutz