Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

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Archives: Juli 2012

 

Das Deckenlicht war ausgefallen, das Tageslicht ohnehin erloschen, und so ging ich zu dem Regal mit der besten Musik der Welt, vorsichtig im Dunkeln am Röhrenverstärker vorbei, der die einzige, sehr dezente Lichtquelle im Raum war. Nun sind meine CDs gewiss nicht groß alphabetisch oder nach Genres geordnet, und die Verteilung der Musik auf siebzehn sich leicht durchbiegenden Regalbrettern stellt eher eine Analogie zu meinem Hinterkopf dar, neuropsychologisch gesehen. Da ich einfach Lust auf eine gute, lang nicht gehörte, Musik zur Nacht hatte, griff ich intuitiv einen Stapel von ca. zehn CDs heraus und wartete, bis ich in der relativen Dunkelheit etwas erkennen konnte. Wow! Es war sofort klar, welches Album ich hören wollte, es ist wohl eine halbe Ewigkeit  her, dass ich diese feine Gitarren-und-mehr-Musik zuletzt gehört habe, und ich erinnere mich noch gut an die Zeit, als ich sie entdeckte, kurz nach ihrem Erscheinen, und an das Cover, das wie eine Reiseversprechung der besonderen Art war. Als ich die Musik auflegte (ich war etwas müde, und wählte mir, wiederum rein zufällig, die Tracks 4 und 5 aus), fluteten die Erinnerungen. Ja, ich hatte mich damals eine Zeitlang in der entsprechenden Langspielplatte eingerichtet, sie war Trutzburg, Pfadfinderschulung, Reisebericht, Wolkenkratzer, alles zugleich. Doch mein Gedächtnis hielt sich nicht lange mit dem Wechselspiel täuschend echter, vollkommen illusorischer und einfach nur wahrhaftiger Erinnerungen auf, und landete gleich wieder in der Gegenwart der Klänge. Kein Staub lag auf ihnen. Ich kenne wenige Gitarristen, die sich dermaßen darauf verstehen, Stillstände in ihren Kompositionen zu produzieren, bei denen man nie weiß, ob mit ihnen ein großes Verschwinden einhergeht, oder ein Sammeln der Kräfte für den nächsten Ausbruch (ich vermeide das Wort Eruption, in der Musikkritik wird dieser Begriff so oft verwendet wie in der Erdbebenforschung). Der Wind in den Rocky Mountains hat seine eigenen Gesetze. Safe Journey!

 
 

 

2012 8 Juli

Mark, Armando und die anderen

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Das Hotel ausfindig zu machen war nicht so einfach gewesen. Mario, Bühnentechniker bei einer Konzertagentur, hatte einen ungefähren Hinweis bekommen. Ich wollte damals unbedingt Pat Metheny hören und er seinen Jugendfreund Armando wiedersehen, der in der Band Perkussion spielte. Wir standen also an einem eher kühlen und verregneten Spätsommermittag vor dem Foyer einer Hildesheimer Nobelherberge und warteten gespannt, ob etwas dran war an dem Tipp. Plötzlich kamen zwei dunkelfarbene Vans auf den Hof gefahren. Den Fahrer des ersten erkannte ich an diesem freundlichen Grinsen, das so breit war wie der Himmel von Missouri weit: es war tatsächlich Pat Metheny. Lukas dem Lokomotivführer und der Wilden Dreizehn ähnlich stieg die Band aus dem Bus. Als Armando völlig überrascht und aus allen Wolken fallend seinen alten Gefährten aus Rio erblickte, fiel er ihm um den Hals, fing an zu weinen und zeigte ihm seine Hände. Die waren wund vom Congaspielen und überall mit Hühneraugenpflaster zugetaped. „Mario, Mario, schau mal, was die hier mit mir machen!“ Alle waren gerührt. Wir trafen uns dann mit Armando nach dem Soundcheck auf dem Hildesheimer Marktplatz, wo das Konzert am Abend stattfinden sollte und gingen zunächst ins Steakhouse. Hochinteressant, was einer der bekanntesten Perkussionisten Brasiliens, dessen Vater Mestre Marçal ja auch eine honorige Musikergrösse des Landes war, so zu erzählen hatte. Seit fast einem Jahr waren sie nun schon unterwegs, rund um den Globus, und nur ein paar Tage zwischendurch zuhause gewesen. „Du musst deinen Vertrag erfüllen, egal was kommt.“ Ob das Spielen trotzdem Spass mache? „So eine Tour läuft wie eine Maschine ab, man spielt sein Programm runter, weitgehend emotionslos.“ Und Pat Metheny? Er schaute zu Mario, sagte auf Portugiesisch: „Pat ist positiv verrückt – er und der Schlagzeuger, die spielen nach dem Konzert im Hotel noch weiter, die sind besessen.“ Wir gingen dann zu Woolworth, Armando brauchte frische Socken. „Ich wasche die gar nicht, kaufe mir immer neue, die alten schmeisse ich weg.“ In der Fußgängerzone kam uns Mark entgegen, der Multiinstrumentalist und Sänger der Gruppe. „Hi, ich suche einen Optiker, könnt ihr mir da weiterhelfen?“ Armando grinste hämisch: „Er sucht sich jeden Tag in jeder Stadt ein neues Brillengestell aus – mit Fensterglas, aber immer vom Feinsten. Das trägt er dann abends bei der Show.“ Was folgte, war die Mark Ledford Show beim Optiker. Ein witziger und aufgeschlossener Typ, der ganze Laden war am Grölen, als er seine Brillen ausprobierte – nicht ganz ohne Eitelkeit. Wir verabredeten uns auf ein Bier nach dem Konzert und hofften natürlich, Pat Metheny würde auch mitkommen. Das Konzert war die Wucht, das war 1995, das aktuelle Album hiess WE LIVE HERE. Als Schluss war nach einigen Zugaben, gingen wir hinter die Bühne. Dort standen Armando, Pat und Lyle Mays: „Sie haben umdisponiert, wir fahren sofort weiter nach Amsterdam, schade. Das mit dem Bier müssen wir verschieben.“ … „Und?“ fragte Mario später auf der Rückfahrt. „Ja, ein toller Abend!“ „War dir aber auch wichtig, die Musiker persönlich kennenzulernen!?“ „Hmm, weiß nicht.“ Wir fuhren die Autobahn Richtung Hannover. „Hey, Mann, das war dir schon wichtig – gibs zu!“

2012 7 Juli

Nana Caymmi

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A Film by Georges Gachot

Bereits in frühen Jahren wurde die brasilianische Sängerin Nana Caymmi mit der musikalischen Tradition ihres Landes vertraut. Eine Hommage an Brasiliens musikalische Ikone. Sie ist die Tochter des bekannten Komponisten Dorival Caymmi, war Kindheitsfreundin des Pianisten Nelson Freire und die Muse des Komponisten, Sängers und Instrumentalisten Milton Nascimento. Außerdem war sie mit dem Musiker und Politiker Gilberto Gil verheiratet. Doch die Sängerin hat das musikalische Erbe nicht nur angetreten, sondern führte es als eigenständige Musikerin fort. Sechs Jahre lang begleitete der Schweizer Filmemacher Georges Gachot die 1941 in Rio de Janeiro geborene Sängerin in ihrer Heimat Brasilien. Die Aufnahmen führen mit sehr persönlichen Begegnungen in die melancholische Welt Nana Caymmis. Gespräche mit brasilianischen Musikgrößen wie Maria Bethânia und João Donato erlauben eine weitere Annäherung an die Karriere und Kunst der Sängerin. Anhand von Archivaufnahmen erzählt der Film auch ein wichtiges Kapitel der Musikgeschichte Brasiliens. (3Sat)

 

„If you’re gonna like the Dirty Projectors’ sixth album, then you’re gonna have to make a few concessions. Mainly, you’ll have to entertain the notion that band leader David Longstreth is New York’s most plausible heir apparent to Talking Heads’ David Byrne. After all, both are relentlessly post-modernist, driven by high-concept projects – try 1979’s Fear Of Music vs. 2005’s The Getty Address; 1980’s Remain In Light vs. 2007’s Rise Above – and both have successfully mixed polyrhythmic Afrobeat with experimental Western pop. Crucially, though, the two are bound by a determination to combine the above in recognisable-yet complex packages: pop art in its truest sense. Thus, with Swing Lo Magellan, Dirty Projectors are exiting something of an “Eno period” – the batshit ideas are still nominally present, but the execution is a little less, as Dave Jnr puts it, “florid” – making this album their very own ‘Little Creatures’; a melody-focussed opus that reinforces the notion of Longstreth’s band as songwriters, as opposed to sonic adventurers. All of which is fine, incidentally, as it’s pretty fucking awesome. The silky-smooth hook of ‘About To Die’ is balanced delicately atop rattling electronic stutters, while the intricate layers of ‘Just From Chevron’ propel Amber Coffman and Haley Dekle’s delectable harmonies into a dense finale. Sure, these are pop songs, but they’re still very definitely Dirty Projectors songs too. To write the album, Longstreth relocated, Bon Iver-style, to a house four hours outside of New York, cutting himself off from friends and family. With that in mind, the lyrical directness is fascinating – “You’re my love and I want you in my life,” he declares on ‘Impregnable Question’, with those elastic vocal cords reined in to subtly moving effect. Long-term fans may be justifiably concerned that the exploratory exhilaration of previous records has been lost, but this sense of warmth is a more than adequate replacement. “Without songs we’re lost/And life is pointless, harsh and long,” croons our hero on the understated, Cole Porter-esque closer ‘Irresponsible Tune’. Let the days go by with Swing Lo Magellan and you might just feel the same way …“ (Will Fitzpatrick, The Fly)

 

Zwei Songs daraus in den nächsten Klanghorizonten. Und was für ein herrlich unspektakuläres Cover, wie ein diskretes Motto: zurück zu den einfachen Dingen, die kompliziert genug sind. Tatsächlich haben sich die Dirty Projectors ganz bewusst aufs Land zurückgezogen, um dort einiges von den urbanen Getriebenheiten ihrer vorigen Arbeiten abzuschütteln. Der Mann mit der Bommelmütze ist unschlagbar, er verkörpert das Gegenteil von „style“. Diese neue Naturverbundenheit der Band ist keine Pose, sie erlaubt David Longstreth, einem der faszinierendsten Sänger unseres Planeten, seine unberechenbaren Arrangements kurzzuschliessen mit dem Erbe der Beach Boys und der Beatles. Aber auch solche Rückgriffe sind erfindungsreich. Mindestens an zwei Stellen werden Melodien und Textzeilen von Brian Wilson aufgenommen, doch die rundum erschallenden Vokalharmonien proben keinesfalls alte Strandromantik, sie kommentieren frech und garstig (aber eben auch leidenschaftlich), so dass jede ansatzweise überzuckerte Romantik ihren subversiven Unterton erhält. Ich finde dieses Album ganz und gar großartig!

2012 6 Juli

Filmempfehlung für das Wochenende

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„Mein Essen mit André“, von Louis Malle (DVD)

Mit Wallace Shawn und André Gregory (die sich beide selber spielen)

„Dieser Film ist all jenen gewidmet, die irgendwo unterwegs sind, ohne ein konkretes Ziel vor Augen, die schon gar nicht mehr wissen, warum sie sich ursprünglich auf den Weg gemacht haben, und die zugleich unfähig sind, umzukehren, weil sie ehrlich daran glauben, dass die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten selten eine gerade Linie ist.“ (A. Gregory)

Warnung: Dies ist einer der französischen Filme, in denen sehr viel geredet wird.
Beruhigung: In diesem Fall ist das vollkommen in Ordnung.

Every piece in this album is rich in color and landscape. There’s a plot, intention and meaning. Do I want anybody to know the specifics of plot, intention, and meaning? Definitely not. Why not?

I’ll tell you why not. In 1973 I took a very nice music appreciation class at college. Harry Hammer, our soon-to-be-deceased instructor led us through his favorite classical music. It was very pleasant, especially at 9 in the morning. Our assignment one Friday was to listen to Smetana’s “Moldau” and tell him what we thought it was about the following Monday.

I spent a good part of that weekend prone on the carpet in my dorm room, staring at the ceiling, listening. Sometimes I listened with Sharzhad Karimi, an Iranian woman from our class I had a raging crush on. Sometimes I listened alone. It was a fine weekend, and the music filled my mind with all sorts of strange and wonderful imagery. It reminded me of the times I spent listening to “Revolver” and “After Bathing At Baxters” as a 14-year old. I would come home from school and before anyone would get home I would put on one of those records and recline with my head between the speakers. The imagery that unfolded is still tied to the music, to this day.

So it was disappointing to hear Harry’s lecture that Monday about Smetana’s visual program for the music. The wind instruments that start the piece symbolize a cold stream and a warm stream that eventually combine, form the Moldau, and finally parade through Prague. Getting that information completely destroyed my own imagery, which had involved a desert, an Iranian princess, myself as a centaur, and so on.

I think it’s better not to know about the programmatic intentions of musicians and composers. I’m so grateful that the Beatles never made a video to go with “Tomorrow Never Knows.” Until my dying day I will have the strange vision of a raft and a river of barking puppies whenever I hear that song.

2012 5 Juli

The book that destructs itself

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Never quite get round to finishing that book you’ve been meaning to? Still putting off cracking open the Dickens biography you got for Christmas? Recalcitrant readers take note: a publisher in Buenos Aires has created a book written in disappearing ink.

El Libro que No Puede Esperar (The Book That Can’t Wait) comes in a sealed package and as soon as you start to turn its pages, the ink begins to age… and fade. Readers have less than two months to tackle the tome before the text toddles off into the ether.

While it might sound as though it was created by a sadistic speed-reader who wanted to torment rather slower bookworms, it’s actually a bid to boost excitement about real, rather than digital, books. It’ll be be a real cliffhanger if you don’t finish it in time.

P.S.: Sorry, couldn’t find the source, it vanished before my eyes. I was too late.

2012 5 Juli

Abschied von St. Tropez (7) – letzter Abend

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Das Treffen mit Jean war wichtig. Die alte Übereinkunft steht. Freunde fürs Leben. Schon ein verrückter Ort. Im mondänen, sterilen Luxus einer Oase von Reichen, Schaulustigen und Flanierern durch exotische Kulissen findet sich stets auch eine herzliche Geste, ein freundliches Wort – und das Abenteuer. Wenn ich aus der Stadt rausfahre, spiele ich noch einmal den alten Song von Pink Floyd.

 
 

 
 
 
Big Map Idea, the sixth Tibbetts album, is a set of hypnotic compositions with dreamy depth and texture, quieter than most of the other Tibbetts/Anderson compositions, but with not nearly as much quiet introspective space as Tibbetts‘ third album, Northern Song. To some, this might have a darker mood than others, but I find it a refreshing and enjoyable set of tracks.

„Black Mountain Side“ begins the album, it’s a significant improvement of the Jimmy Page track first heard on Led Zeppelin’s first album (although I love the way it works as a lead-in to „Communication Breakdown“ on that earlier album). As usual, the percussion here and throughout Big Map Idea is top-shelf. The ensuing tracks are largely based on excellent percussion and acoustic or subtle electric guitar layers.

Part of an interview of Tibbetts by Michael Engelbrecht included in the liner notes of the CD describe Tibbetts use of sounds from the natural environment: „There are a lot of possibilities in sound; possibilities of boredom and of entertainment, there are possibilities of sound actually tapping into your memory and uncovering something with potential, with energy. sounds unlock a flood of emotions … So you can go into the field, into the arena, out into the world with a tape recorder looking for sounds with coherent harmonic content, good rhythmic content, or emotional content. When you bring these sounds back into the studio and record them on to one track of your recorder, those sounds will inform the music you’re making around them: An emotional situation will inform the music. You can use these sounds as a skeleton, as a scaffolding for a piece of music, as a mold for a piece of clay. In the end, if necessary, you can pull the sound away and let the music exist on its own.“ He later adds he and Marc arrived at this approach because they „were bored with recording in the studio.“

5 brilliant TIBBETTS albums:

– Safe Journey
– Full Moon Dogs
– Big Map Idea
– Northern Song
– Natural Causes

And, well, in fact there are 6 fantastic ones (the other ones are „only“ good):

– A Man About A Horse

2012 5 Juli

Das sonore Cogito

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Wo sind wir, wenn wir Musik hören?

Gespräch mit Peter Sloterdijk
Heute um 22:04 Uhr im rbb-kulturradio

 

„LimaNeli Haschmu WaNschbok.
Tama Haschmu: Portolabi Paehu
Mui Pianeti
Tamiba Temibo
Temibanu Karuzu
HaifatuNeti
Haifatusolum RofuNo.
Hoi Kirwimme. Karosta Healobe Kepipi
Schamfuso …

Man kann es nicht deutlicher sagen.“

(P. Sloterdijk, Der ästhetische Imperativ)


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