Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2012 8 Jul

Mark, Armando und die anderen

von: Jochen Siemer Filed under: Blog | TB | Tags:  Comments off

Das Hotel ausfindig zu machen war nicht so einfach gewesen. Mario, Bühnentechniker bei einer Konzertagentur, hatte einen ungefähren Hinweis bekommen. Ich wollte damals unbedingt Pat Metheny hören und er seinen Jugendfreund Armando wiedersehen, der in der Band Perkussion spielte. Wir standen also an einem eher kühlen und verregneten Spätsommermittag vor dem Foyer einer Hildesheimer Nobelherberge und warteten gespannt, ob etwas dran war an dem Tipp. Plötzlich kamen zwei dunkelfarbene Vans auf den Hof gefahren. Den Fahrer des ersten erkannte ich an diesem freundlichen Grinsen, das so breit war wie der Himmel von Missouri weit: es war tatsächlich Pat Metheny. Lukas dem Lokomotivführer und der Wilden Dreizehn ähnlich stieg die Band aus dem Bus. Als Armando völlig überrascht und aus allen Wolken fallend seinen alten Gefährten aus Rio erblickte, fiel er ihm um den Hals, fing an zu weinen und zeigte ihm seine Hände. Die waren wund vom Congaspielen und überall mit Hühneraugenpflaster zugetaped. „Mario, Mario, schau mal, was die hier mit mir machen!“ Alle waren gerührt. Wir trafen uns dann mit Armando nach dem Soundcheck auf dem Hildesheimer Marktplatz, wo das Konzert am Abend stattfinden sollte und gingen zunächst ins Steakhouse. Hochinteressant, was einer der bekanntesten Perkussionisten Brasiliens, dessen Vater Mestre Marçal ja auch eine honorige Musikergrösse des Landes war, so zu erzählen hatte. Seit fast einem Jahr waren sie nun schon unterwegs, rund um den Globus, und nur ein paar Tage zwischendurch zuhause gewesen. „Du musst deinen Vertrag erfüllen, egal was kommt.“ Ob das Spielen trotzdem Spass mache? „So eine Tour läuft wie eine Maschine ab, man spielt sein Programm runter, weitgehend emotionslos.“ Und Pat Metheny? Er schaute zu Mario, sagte auf Portugiesisch: „Pat ist positiv verrückt – er und der Schlagzeuger, die spielen nach dem Konzert im Hotel noch weiter, die sind besessen.“ Wir gingen dann zu Woolworth, Armando brauchte frische Socken. „Ich wasche die gar nicht, kaufe mir immer neue, die alten schmeisse ich weg.“ In der Fußgängerzone kam uns Mark entgegen, der Multiinstrumentalist und Sänger der Gruppe. „Hi, ich suche einen Optiker, könnt ihr mir da weiterhelfen?“ Armando grinste hämisch: „Er sucht sich jeden Tag in jeder Stadt ein neues Brillengestell aus – mit Fensterglas, aber immer vom Feinsten. Das trägt er dann abends bei der Show.“ Was folgte, war die Mark Ledford Show beim Optiker. Ein witziger und aufgeschlossener Typ, der ganze Laden war am Grölen, als er seine Brillen ausprobierte – nicht ganz ohne Eitelkeit. Wir verabredeten uns auf ein Bier nach dem Konzert und hofften natürlich, Pat Metheny würde auch mitkommen. Das Konzert war die Wucht, das war 1995, das aktuelle Album hiess WE LIVE HERE. Als Schluss war nach einigen Zugaben, gingen wir hinter die Bühne. Dort standen Armando, Pat und Lyle Mays: „Sie haben umdisponiert, wir fahren sofort weiter nach Amsterdam, schade. Das mit dem Bier müssen wir verschieben.“ … „Und?“ fragte Mario später auf der Rückfahrt. „Ja, ein toller Abend!“ „War dir aber auch wichtig, die Musiker persönlich kennenzulernen!?“ „Hmm, weiß nicht.“ Wir fuhren die Autobahn Richtung Hannover. „Hey, Mann, das war dir schon wichtig – gibs zu!“

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