Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2012 23 Mai

Gregor öffnet seinen Plattenschrank (18)

von: Gregor Mundt Filed under: Blog | TB | Comments off

Vor neun Jahren erschien in Stockholm ein Buch mit dem Titel jukebox, ein Jahr später war es auch in Deutschland zu haben, unter dem Titel Der Jukebox-Mann. Erzählt wird die Geschichte von Johnny Bergmann, dem Jukebox-Mann. Dieser Johnny hat wirklich einen Traumberuf, er betreut den lieben langen Tag Wurlitzer-, Seeburg- und Rock-Ola-Boxen, fährt mit seinem Wagen die verschiedenen Cafès und Milchbars an, repariert, wechselt Platten aus, entnimmt Geld, ja, und schmuggelt die eine oder andere seiner Lieblingsplatten in die nach kommerziellen Gesichtspunkten gefüllten Musikboxen. Eines Tages besuchte Johnny das PHOENIX, die Frau hinter dem Tresen der Bar kannte Bergmann nicht …

„Ich komme wegen der Jukebox“, sagte er.
„Du wechselst die Platten aus?“, fragte sie.
„Ja.“ Er hielt ihr seine geöffnete Tasche hin. 
„Wer entscheidet, welche Platten reinkommen?“
„Das mach ich. Es ist meine Box.“
„Möchtest du was Bestimmtes hören?“, fragte er.
„Ich weiß nicht“, sagte sie wieder mit diesem schüchternen Ausdruck.
Das war kein Desinteresse.
„Denk mal drüber nach, …“

Die Box war eine Rock-Ola Tempo I, das Modell, dem die Amerikaner „car styling“ nachsagten. Die Schwanzflossen an den Seiten sahen aus wie bei vielen Automobilen der fünfziger Jahre. Es war einer seiner wenigen Rock-Olas.
Neben der Box stand Eskil Skörd: „Hast du die neue Rolling Stones mitgebracht?“
Johnny nickte. „It´s all over now war Samstag auf dem zehnten Platz gelandet.“

 

 

Åke Edwardson, der Autor dieses Buches (das übrigens immer noch in einer Taschenbuchausgabe zu kaufen ist), hat einen Roman über eine Übergangs-Zeit geschrieben, eine Zeit in der der Jukebox-Mann noch allerhand zu tun hat, aber sich zugleich der Untergang der Musikbox-Ära abzeichnet. Die Jukebox ist heute praktisch in öffentlichen Gaststätten oder Bars nicht mehr anzutreffen. Peter Handke musste schon Ende der achtziger Jahre in die entlegensten Winkel Spaniens fahren, um noch alltäglich laufende Musikboxen anzutreffen (aus diesen Erfahrungen entstand später das Büchlein Versuch über die Jukebox).

Ich bin nun mein eigener Jukebox-Mann, habe eine ordentliche NSM-City, die sich mit hundert Single-Platten bestücken lässt und die bei mir ausschließlich dann läuft, wenn Gäste anwesend sind. (Kann man sich trostloseres vorstellen als allein vor einer Musikbox zu sitzen?) Meine Box ist keine Wurlitzer und auch keine Seeburg, aber sie ist eine zuverlässige Jukebox, die treu ihren Dienst tut und sogar per Knopfdruck die zehn meist gedrückten Platten bekannt gibt. Einmal im Jahr wechsele ich etwa 20% der Platten aus. Dann kommen Flohmarkt-Einkäufe zu ihrem Recht, manchmal wird aber auch die eine oder andere fast vergessene Single aus meinem Plattenschrank ausgewählt und in den Plattenkranz gestellt.

In den nächsten Tagen ist es wieder soweit, dann heißt es Abschied zu nehmen von lieb gewordenen Platten und Tasten zu drücken, unter denen die Neuen zu finden sind. Folgende Single-Platten werden dieses Mal aufgenommen: Jose Feliciano: Light my fire // Neil Diamond: I am…I said // Mikis Theodorakis: Alexis Sorbas // Leonard Cohen: Lover lover lover // The Beach Boys: Wild Honey // Opus: Live is life // Gilbert O´Sullivan: Get down //Hildegard Knef: Von nun an ging´s bergab (eine ganz besondere Platte, eine EP, hier findet sich auch noch Eins und eins, das macht zwei, Tapetenwechsel und Aber schön war es doch) //Jacques Brel: Vesoul und Edith Piaf: Non, je ne regrette rien.

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