In Robert M. Pirsigs Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten – dieser Mischung aus Selbstfindungsstory, Roadmovie mit Hippieflair, Vater-Sohn-Geschichte, Thriller, Tragödie, vor allem aber dieser genialen Vermittlung von Philosophie, zu der man nicht gelangt, indem man, einem Sloterdijk-Bonmot gemäß, sich in jungen Jahren schon zu Schanden liest, sondern Fragen stellt, die einem unterm Nagel brennen – stellte der Autor diese Frage: „Was ist Qualität?“ Pirsig war Wissenschaftler, sein mitreisender Kompanion Schlagzeuger. Als dessen Lenker wackelt, schneidet Pirsig kurzerhand aus einer Coladose einen Blechstreifen, unterfüttert damit das defekte Teil, macht es wieder funktionstüchtig. Doch sein Freund ist entsetzt: „Wie kann man ein Motorrad optisch so verschandeln? Da kommt nur das Original von Firma Harley dran!“ Aus diesem Disput entwickelte der Autor dann das Gegensatzpaar klassische und romantische Weltanschauung – die Klassiker als Konstruktivisten und die Romantiker als ästhetische Idealisten. Was aber wollten beide? Qualitität. Vielleicht hätte die Jazzpianistin Carla Bley, wäre sie damals mitgereist, den Disput der Motorradfahrer auf dritte Weise geschlichtet: sie erzählte einmal in einem Filmporträt von einem Tarot-Kartenspiel. Ihre Tochter Karen war noch ein Kleinkind und hatte eine Spielkarte zerissen. Die Mutter sah bestürzt, dass ihr schönes Kartenset nun nicht mehr ganz war. Sie klebte die kaputte Karte. Dann aber wurde es zu ihrem Lieblingskartenspiel: veredelt durch den reparierten Riss hatte es eine besondere Identität, ja geradezu Kultstatus erlangt. Was die Werbung uns verschweigt: Produkte brauchen Gebrauchsspuren, durch die das Licht einfällt. Und nicht alles von Wert lässt sich kaufen.
2012 7 Mai
Pirsig, Zen und Perfektion
von: Jochen Siemer Filed under: Blog | TB | Tags: Pirsig | Comments off