Da hatte man das Gefühl: ja, all die sozialkritisch referierten Wirklichkeiten sind Teil des großen und ungerecht verteilten Kuchens, und doch gehörten die meisten Fernsehkommissare, selbst Schimanski, schlicht zu den aufrechten, auch unkorrekten Helden des deutschen TV-Alltags. Aber was, wenn der schöne Schein der Geschichten nicht mehr funktioniert, wenn einem beim Zuschauen eine seltsame Kälte befällt, in einem fahl-gelb-grünen Grosstadt-Noir-Licht, das in seiner toten Austrahlung formvollendet die Düsternis von Halb- und Unterwelten einfängt, in denen die Gestrandeten wie Zombies über öffentliche Burgersteige taumeln und ganz reguläre Sozialversicherungsnummern haben, und die beste Polizistin von Malmö den Autismus von Monk zur netten Schrulligkeit degradiert, angesichts ihrer eigenen Unfähigkeit, so etwas wie Gefühl zu zeigen. Sex ist kaltes Stöhnen, und wer nach dem Orgasmus und einer Portion Bewusstlosigkeit die Fotos zerschnittener Körper studiert, macht wohl eher keine Werbung für Ikea. DIE BRÜCKE ist der Titel der brillianten skandinavischen Serie, die seit gestern im ZDF läuft, jeden Sonntag um 22.00 Uhr. Die Gemütlichkeiten von Inspector Barnaby haben vorerst ausgedient. Mit ganz anderen Mitteln, aber ähnlich intensiv wie FÜR ALLE FÄLLE FITZ, machen sich hier die Gestörten und Traumatisierten (und ein, okay, ganz knuffiger, frisch-sterilisierter Inspektor) auf den Weg, dem reinen Horror sterbender sozialer Systeme zu begegnen.
2012 19 März
Als die Welt des Tatorts noch in Ordnung war
von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | Comments off