Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

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Archives: Januar 2012

The voice so deep, „a thousand kisses deep“, to say it with the words of one of his songs. After listening to the album three times in a row, you realize there is no standout track, no future evergreen (the word evergreen should be banned anyway: too much nostalgia even takes the good part of darkness away). The longest track, „Amen“, is a hymn, a prayer that agnostics and atheists might fall in love with while enjoying the feel of ancient banjo, sepia-coloured violin and simple cornet. On „Old Ideas“ the man with the golden voice (good old joke!) doesn’t act like a preacher at all, and every verse that could seem to send a message carved in stone and song is quickly counterbalanced by dark humour, self-irony and stoicism.

There are bluesy moments, slow-motion-gospel – and jazz-vibes. The gravity comes from the voice, and how it nearly creates new definitions of close miking and sub-bass, with the result of warm intimacy. And then there are all the female voices of older and newer times (from Jennifer Warnes to the Webb Sisters) doing the jobs of a second voice, a background, and a choir. An old Cohen tradition: but remember, on the first studio album of his demon-chasing life, the producer added these kind of angelic colours against the will of the singer to soften the scenery. An old trick that still works.

It is the sincerity of the artist that allows him to stick totally to old ideas without any suspect he might have lost it. He’s just slowing down, down, down – with a clear eye for exit signs and open places: „Sometimes I’d head for the highway/ I’m old and the mirrors don’t lie/ But crazy has places to hide in/ Deeper than saying goodbye,“ he sings/speaks on „Crazy To Love You“, accompanied by an acoustic guitar only. So, finally, closing time, silence, a last dying tone? No, that would be too pretentious. It’s better to leave the scene with a beat, a rhythmic soul groove – and asking for a kiss. Amen.

To me, when I think about “hardboiled” or “noir,” I think about cold. When just going outside to your car is an act of courage, that has to say something about you already, right? I know that Raymond Chandler’s idea of hardboiled was a sun-baked street in Los Angeles, but for me there’s just something about a frozen lake and a cold wind that will turn you inside-out.

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2012 20 Jan

Fensterplatzbewohner

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Eine kleine Minderheit der Popkünstler hat sich zumindest einmal im Leben einen Fensterplatz erobert. Ein Fensterplatz gehört nicht gerade zu den „hot spots“ der Rockhistorie. An Fenstern sitzen vorzugsweise alte oder kranke Menschen, oder Jungs mit Stubenarrest. 

Ray Davies und Brian Eno gehören zu den zeitweiligen Fensterplatzbewohnern. Musiker, die eher skeptisch waren, was die weltbewegenden Träumereien einer nun in die Jahre gekommenen Generation anging.   Eno entfernte nur zu gerne das Ich aus seinen Liedern, und Davies war vom Leben der kleinen Leute angetan und wurde zum Chronist sich auflösender Traditionen. 

Ray Davies sieht in seinem Fenstersong (war es Waterloo Sunset?) die Themse und die Welt überhaupt vorüber ziehen, Brian Eno spielt Solitaire und sieht seine Liebste schließlich durch die Pforte kommen, um dann nach draußen zu eilen und ihr die Schuhbänder zu knüpfen (I’ll Come Running To Tie Your Shoes).  ist ja nicht so, dass man nicht auf dem Sprung wäre, wenn… Ja,  wenn!   

Ich komme auf diese Gedanken, weil ich mir extra ein Zimmer mit Meerblick genommen habe. Es ist mein kleiner Meditationsort, oder, um diesem Wort etwas den esoterischen Gehalt zu nehmen, mein kleiner Verweilort. Nach langen Wanderungen  ist das hier ein ganz wohliges Plätzchen, um so solche  Dinge zu tun wie 

– die Meeresgeräusche und die Dämmerung auf sich wirken zu lassen (was auch unter „einfach dasitzen“ läuft) 
– von gelegentlichen Blicken zum Horizont unterbrochen, den  neuen Thriller von Steve Hamilton, Misery Bay, zu lesen (sehr gutes Buch, noir, aber nicht ohne Humor) 
– die CD Black Light von Diagrams zu hören (s. Loblied auf Mr. Sam Genders) 
– diesen Text über Fensterplatzbewohner zu schreiben

Tiefere Bedeutung dieser Zeilen: keine, sie sind selbstgenügsam. Pointe: Wenn man lange genug sitzt, geht ganz plötzlich die Post ab, mitten in der völligen Ereignisdürre!  

  

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The brains behind Diagrams is former Tunng frontman Sam Genders, who spent the last three years working in a primary school and extricating himself from an emotionally „dark place“. Fittingly, Black Light is a departure from Tunng’s folktronica: Genders has mostly jettisoned the folk, and retained the tronica, yielding an album similar in spirit to Hot Chip and Moloko. The sound is precision-tooled – all brittle beats and loping basslines – with Genders’s sweet, multi-layered vocals imparting the human touch. Human? If anything, he sounds all too fallible, sketching intimate scenes as if speaking to himself: „In the morning light I was baking up bread in the afterglow of a long night spent in your motorcade of intense red words.“ Cavity-wall insulation is provided by guitar, trombone and strings, giving the end result a warm, melodic sheen. Both accessible and experimental – check out the off-kilter jazz creation Appetite – this album is a real winter warmer. (Caroline Sullivan, The Guardian)

Oh, eine neue momentane Lieblingsplatte. Mit Bedauern nahm ich vor Jahren zur Kenntnis, dass Sam Genders, eine der zwei zentralen Figuren der sehr britischen Folk-Exzentriker von Tunng, die Gruppe verließ. Er war in einem dunklen Loch gelandet, deren Details nie an die Öffentlichkeit gelangten. Er kehrte in seinen gelernten Beruf zurück, und ganz behutsam näherte er sich wieder der Welt der Töne.

Das Wunderbare an diesem raffinierten Luftgebilde namens BLACK LIGHT hat Karoline in prägnante englische Worte gefasst. Das Absurde, das Verrückte, geht Ton in Ton mit einer sehr einladenden, pophimmelbewohnenden Leichtigkeit. Solches Leichtgewicht zu produzieren ist allemal eine Kunst, denn hinter der schwebend-pulsierenden Scheinnaivität werden gleich reihenweise Dämonen ausgetrieben.

So ist es ein Zaubertrick, wie Genders‘ zarter Gesang die Untertreibung schlechthin verkörpert. Fast schon körperloser Gesang, und der Anhänger schwarzer Soulstimmen wird sich fragen, ob dieser Mann das Wort „Teppich“ mit der gleichen Emphase singen mag wie das Wort „Liebe“. Man schnappt eine Zeile auf, und schwupps!, verwandelt sich die Stimme in Sound.

Die Wortbilder lösen sich in Luft auf. Auf solch sanften Wellen zu reiten, kann auch bei großen Klangartisten rasch Ermüdung produzieren, man denke an die leicht monotonen Sanftmütigkeiten von Sam Prekop, oder die stets etwas zuckrigen  Arrangements des Beach Boys-Bewunderers Sean O’Hagan. Sam Genders‘ Kompositionskunst ist raffinierter. Das Flüchtige besitzt hier eine gefährliche Unscheinbarkeit.

Wie Alice im Wunderland bannt Sam Genders mit seinen DIAGRAMS manches Grauen mit spielerischem Witz, einem unendlichen, ja, liebevollen Gesangsstrom, der zwar immer über der Erde schwebt, aber aus dunklen Träumen stammt. Dabei ist das Feld weit genug; in einem Lied backt das singende Ich Brot und trinkt heißen Tee, in einem andern fordert er uns auf, mit ihm zum eisigen Berg zu fliegen, und mit den Löwen dort umherzukreisen … Und, glauben Sie mir, der Mann hat kein Drogenproblem.
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2012 17 Jan

Keine Panik!

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»Gelb«, dachte er und schlurfte wieder in sein Schlafzimmer, um sich anzuziehen. Als er am Badezimmer vorbeikam, blieb er stehen und trank ein großes Glas Wasser, dann noch eins. Es kam ihm der Verdacht, daß er einen Kater hatte. Warum hatte er einen Kater? Hatte er sich letzte Nacht betrunken? Er hatte den Verdacht, daß er das wohl getan haben mußte. Er erspähte ein Schimmern im Rasierspiegel. »Gelb«, dachte er und schlurfte in das Schlafzimmer. Er stand da und überlegte. Der Pub, dachte er. Du liebe Güte, der Pub. Vage erinnerte er sich, wahnsinnig wütend gewesen zu sein, wütend über irgendwas, das wohl wichtig war. Er hatte den Leuten davon erzählt, er hatte den Leuten lang und breit davon erzählt, vermutete er beinahe: woran er sich noch am deutlichsten erinnerte, das war der glasige Blick in den Gesichtern der Leute. Irgendwas über eine neue Umgehungsstraße hatte er gerade rausgefunden. Sie war schon monatelang geplant, bloß hatte offenbar niemand was davon gewußt. Lächerlich. Er trank einen Schluck Wasser. Das Problem würde sich von selbst erledigen, hatte er beschlossen, niemand wollte eine Umgehungsstraße, die Gemeindeverwaltung würde kein Bein an die Erde kriegen. Es würde sich von selbst erledigen. Meine Güte, was für einen fürchterlichen Kater ihm das trotzdem eingebracht hatte! Er besah sich im Kleiderschrankspiegel. Er streckte die Zunge raus. »Gelb«, dachte er. Das Wort gelb ging ihm im Kopf herum und suchte nach einer Gedankenverbindung. Fünfzehn Sekunden später war er draußen und lag vor einem großen gelben Bulldozer, der den Gartenweg heraufgefahren kam. (aus: Douglas Adams, Per Anhalter durch die Galaxis)

LOWLIFE – The Paris Concert I
POISONED MINDS – The Paris Concert II
MEMORY SELECT – The Paris Concert III

Recorded September 22–25, 1994 – Instants Chavirés, Montreuil, Paris, France.

Tim Berne – alto saxophone
Chris Speed – tenor saxophone, clarinet
Marc Ducret – electric guitar
Michael Formanek – contrabass
Jim Black – drums

 

Es ist ein Wunder. Ich habe diese drei Platten (’scuse me for this old fashioned term)
nun schon so oft gehört und immer noch stellt sich der Effekt ein, daß mich diese Mitschnitte des legendären Paris-Konzertes in eine Art Trance bzw Clearing versetzen. It’s hard to describe, but let’s try:

Zum einen ist der Gesamtklang dieses Ensembles auf fast heilsame Weise homogen. Die Elemente der einzelnen Instrumente greifen ineinander wie ein Schweizer Uhrwerk und ergänzen sich zu einem kongenialen Gesamtgefüge. Marc Ducret on guitar, Jim Black on drums, das ultra-knackige Baßspiel des Michael Formanek, das kontrapointierte Bläserduo Speed und Berne.

Die Mannschaftsleistung zählt. Dies ist das Konzept, liest man Meister Tim´s Stellungnahme zum Werk (dies ist nämlich, auch wenn es anders klingen mag, primär komponierte Musik). Aber es macht auch Spaß, den einzelnen Top-Class-Musikern auf ihrem jeweiligen Instrument zu folgen, und das nach dem x-ten Hören. Hinzu kommt: die Musik ist ein Amalgam aus fast allen Musikgattungen und entzieht sich gleichsam allen Schubladen.

Ich höre hier eine Weiterentwicklung der SURVIVOR’S SUITE; furthermore MANAFON-like passages of improv-music; teilweise klingt es kammermusikalisch; Chris Speed erinnert stellenweise an Evan Parkers Spiel. Ein Spektrum zwischen Dynamik (Jazzrock im besten Sinne) und absoluter Stille. Dann steht plötzlich in einer Ruhe nach dem Sturm ein Saxophon-Ton im Raum. Wie eine Kobra aus dem Korb des Schlangenbeschwörers: a perfect, but dangerous beauty!

Das gesamte Konzert erweckt den Eindruck eines würde- und spannungsvoll voran-schreitenden Prozessionszuges: eine achtsame Avant-Garde durchschreitet Etappen von beeindruckender Vielfalt und Virtuosität, die man jeweils einzeln, aber auch als zusammengehöriges Ganzes erleben kann.

Dieses Musik-Ereignis, live aufgenommen im Herbst 1994, zunächst bei JMT, später dann bei Winter&Winter erschienen, es ist ein Meisterwerk; ein Glücksfall und zudem eine hohe Schule des Hörens. Kein Tor zu tausend Wüsten, nein: ein Schlüssel für die vielfältigen Räume moderner Musik. Mit einer Dosis Gift, die heilend wirkt für Poisened Minds und die das Gedächtnis selektiert. Nicht ganz harmlos – doch nur das Gefährliche hat Mana.
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2012 14 Jan

Krautrock im TV

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Roboter essen kein Sauerkraut – die Anfänge deutscher Rockmusik
Eine Dokumentation von Stefan Morawietz sendete Arte am 14.1.2012

„Krautrock“ nannte man abschätzig die Musik, die Anfang der 70er Jahre in Deutschland entstand. Doch nie war Rockmusik in Deutschland unabhängiger und vielfältiger als in jenen Anfangsjahren des Deutschrock. In der Dokumentation sind neben den bekannten Gruppen Amon Düül II, Can, Kraftwerk und Tangerine Dream auch zahlreiche andere stilprägende Gruppen jener Zeit zu sehen.

Auf der britischen Insel wurde die Rockmusik, die zu Beginn der 70er Jahre in Deutschland entstand, abschätzig „Krautrock“ genannt. Dieser Sammelbegriff, der bis heute für die Musik jener Anfangsjahre erhalten blieb, verkennt, dass damals in kurzer Zeit eine Musikszene entstand, für die in angloamerikanischen Ländern Jahrzehnte nötig waren. Kaum ein anderes Land der Welt hat in nur wenigen Jahren eine so freie und vielseitige Musik entwickelt und zum Teil einzigartige Gruppen hervorgebracht wie Deutschland.

Die Verdienste dieser frühen Gruppen, zu ihnen zählen unter anderem Amon Düül II, Can, Kraftwerk und Tangerine Dream, werden von größerem kommerziellen Erfolg ihrer Nachfolger überschattet. Dabei gäbe es heute weder Techno noch Ambient-Musik oder internationale Erfolge deutscher Gruppen von Rammstein über Halloween bis Blind Guardian ohne die Vorarbeit der musikalischen Pioniere. Auch Deutschlands einzige internationale Superstars der Rockmusik, die Scorpions, stammen aus dieser frühen Ära.

Die Dokumentation lässt diese aufregende Epoche noch einmal Revue passieren. Dabei sind die stilprägenden Gruppen jener Jahre in bislang selten gezeigten Archivaufnahmen zu sehen. (Infotext)

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1) Lambchop: Mr. M 

Inspiriert von ungewöhnlichen Streicherarrangements, die der Produzent Mark Nevers auf einigen Frank Sinatra-Platten hörte, inspiriert der Hausproduzent von Kurt Wagner und Co. Lambchop zu einer der intensivsten Werke der Bandhistorie, in einem Atemzug zu nennen mit IS A WOMAN, DAMAGED und NIXON.

2) Burnt Friedman: Bokoboko

Bernd Friedmann aka Burnt Friedman hat seine Lektionen gelernt in seinem Duo mit Jaki Liebezeit, und öffnet neue Horizonte, mit einer Instrumentalmusik, die volllkommen modern und archaisch daherkommt: die Geister, die er hier ruft, will niemand loswerden. Trance und geschärfte Sinne, bravourös!

3) Tim Berne: Snakeoil

Tim Bernes erstes Soloalbum bei ECM ist eines seiner stärksten Alben. Jazz aus der Abteilung kammermusikalischer Ekstase.

4) Leonard Cohen: Old Ideas

Würdevoll, elegant, seelenvoll. Das wahrscheinlich letzte Studioalbum seines Lebens ist ein Memento mori und Feier des Lebens zugleich. Die Stimme so tief wie nie. Ein dunkles Flüstern.

5) Michael Wollnys (em): Wasted & Wanted  

Das Trio des brillianten Pianisten bricht zu neuen Ufern auf, verspielt, wuchtig, groovend, selbst der Klassiker DAS MODEL von Kraftwerk wird in eine andere Umlaufbahn befördert.

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2012 9 Jan

Tonios Wette

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Ein langjähriger Freund und Wegbegleiter, gebürtiger Brasilianer, hatte schon in jungen Jahren ein bewegtes Leben hinter sich, als wir uns auf kuriose Weise kennenlernten. Ich benötigte Portugiesischunterricht, las eine Annonce im Stadtmagazin Schädelspalter, rief dort an und verabredete einen Kennenlerntermin. Es war Sonntagmittag, ich klingelte, eine WG, und es öffnete jemand, den ich vom Sehen schon kannte: H, Mitglied der Gruppe Tri Atma, deren Musik ich damals sehr mochte. „Tonio schläft noch, werd´ ihn mal wecken – nimm in der Küche Platz, es ist noch Kaffee da!“

Dort stand er dann ganz plötzlich, so wie Gott ihn schuf (deus é brasileiro): nackt, einssechzig groß, Lockenpracht, dunklere Hautfarbe und sehr, sehr temperamentvoll (später sollte ich erfahren, dass er in Brasilien „Pfeffer“ hieß). Er gab mir die Hand mit den Worten: „Grüß dich, wurde etwas später gestern. Zieh mir kurz was an, gleich gehts los!“

Der Unterricht verlief sonderbar: während ich auf der Couch Platz nahm, das Lehrbuch vor der Nase, stand Tonio hinter zwei Congas in der anderen Zimmerecke, stellte mir Fragen und untermauerte diese nachdrücklich mit kleinen, gepfefferten Perkussions-Pirouetten.

„Que horas são?“  Tschaka-bum-ba-tschakatschaka  „Äh, são cinco e quinze!“ „Não, falso, outra vez!“ Tschaka-bumba-tschaka-bumba – so etwa lief das ab und aus dieser ersten Begegnung entwickelte sich später dann eine langjährige Freundschaft – mit einer Vielzahl von gemeinsamen Konzerten in Folge, zu einer Zeit, in der Live-Musik, Kleinkunst- und Kneipenkultur noch angesagt waren. Wir nannten uns Xangô (um orisha), dem Gott des Donners sei´s gedankt.

Tonio hatte, wie gesagt, schon einiges erlebt, war Spießrutenlauf-erprobt: politisches Asyl, schlief drei Jahre in Europa unter Brücken, kam dann in Aachen in einem katholischen Kloster unter (hasste aber Kirche, Papst und Katholizismus wie die Pest), lernte dort Deutsch und kämpfte sich in Deutschland durch, was nicht so einfach war. Später dann, als er längst etabliert war, fragte ich ihn, ob es ein Geheimnis gäbe: „Wie hast du so beharrlich durchgehalten?“ „Ganz einfach“, antwortete er, „ich hatte eine Wette mit mir abgeschlossen und die lautete: Wetten dass du es schaffst, hier was aus dir zu machen!“

Wir haben uns inzwischen lange aus den Augen verloren und Tonio meinte mal, keine Freundschaft hielte für ewig (und das glaube ich ebenso). Zuletzt hörte ich, er sei nach Norwegen ausgewandert, mit seiner Frau (einer Ärztin) und den beiden Kindern. Wenns am Horizont mal düster aufzieht, hernach ein Dutzend Niederschläge niederprasselt (it only has to happen once) und mindestens ein Sturm in der Teetasse ausbricht … – dann denke ich an Tonios Wette.

Eigentlich sollte ja Gregor öffnet seinen Plattenschrank bedeuten, dass da jemand in seiner Plattensammlung stöbert und dann etwas Interessantes zu Tage befördert, nicht aber, dass da Musik angepriesen wird, die es noch gar nicht zu kaufen gibt. Heute allerdings sei eine Ausnahme gestattet: Ich bin begeistert! Ein Besuch bei npr.org brachte eine Überraschung! Npr unterbreitet seinen Hörern schon seit längerer Zeit die Möglichkeit unveröffentlichte Platten vorab zu hören, `first listen´ nennt sich das. Das Jahr 2012 wurde auf der `first listen´Seite mit folgender Platte eingeläutet:

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Charlie Haden und Hank Jones mit Come Sunday. Diese Platte wird bei uns in Deutschland erst am 24. Februar veröffentlicht werden, wir können uns aber die Musik zumindest schon jetzt auf
https://www.npr.org/2012/01/01/144319242/first-listen-charlie-haden-and-hank-jones-come-sunday
anhören. Classic spirituals, hymns and folk gibt es da zu hören und das in einer Intensität und Dichte, die mich sofort an die erste Platte des Duos Charlie Haden und Hank Jones erinnert, die sich mit derselben Thematik beschäftigte. Am 04. April 1995 kam diese CD heraus, ihr Titel: Steal away.

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Spirituals, Hymns and Folksongs gab es damals auf dieser Grammy-nominierten Platte zu hören und schon damals war ich von der Musik dieser beiden Musiker ungeheuer beeindruckt.
Die neue CD nun, Come Sunday, wurde in den Sear Sound Studios in New York City am zweiten und dritten Februar 2010 aufgenommen, Hank Jones war damals 91 Jahre alt, im Mai 2010 ist Jones gestorben. Eine wunderbare Duo-Platte, eine Abschiedsplatte.

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Und Charlie Haden? Er wurde am 6. August 1937 in Shenandoah/Iowa geboren. Der kleine Charlie war bereits im zarten Alter von 2 Jahren singend in der Country & Western-Radiosendung seiner Eltern in der Öffentlichkeit zu hören. Auf der CD Rambling Boy kann man das hören, Rambling Boy ist eine echte Familienplatte, eine CD, die uns Einblick gewährt in die Familie Haden. Unter dem gleichen Titel ist übrigens auch ein Film erschienen, der Interviews zeigt, unter vielen anderen mit: Charlie Haden, Ruth Cameron, Josh Haden, Keith Jarrett, Pat Metheny, Joe Lovano, Ravi Coltrane, Carla Bley, Bruce Hornsby, Kenny Barron und Steve Swallow. Es handelt sich um den 2009 herausgekommenen Dokumentarfilm von Reto Caduff.
Und wenn ich schon in meinem Plattenschrank vor einem Berg Haden-Platten fast verstumme, so möchte ich doch ein Meisterwerk nicht unerwähnt lassen:

Charlie Haden & Liberation Orchstra: The Ballad of the Fallen erschienen am 24.Januar 1984.

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