Eine kleine Minderheit der Popkünstler hat sich zumindest einmal im Leben einen Fensterplatz erobert. Ein Fensterplatz gehört nicht gerade zu den „hot spots“ der Rockhistorie. An Fenstern sitzen vorzugsweise alte oder kranke Menschen, oder Jungs mit Stubenarrest.
Ray Davies und Brian Eno gehören zu den zeitweiligen Fensterplatzbewohnern. Musiker, die eher skeptisch waren, was die weltbewegenden Träumereien einer nun in die Jahre gekommenen Generation anging. Eno entfernte nur zu gerne das Ich aus seinen Liedern, und Davies war vom Leben der kleinen Leute angetan und wurde zum Chronist sich auflösender Traditionen.
Ray Davies sieht in seinem Fenstersong (war es Waterloo Sunset?) die Themse und die Welt überhaupt vorüber ziehen, Brian Eno spielt Solitaire und sieht seine Liebste schließlich durch die Pforte kommen, um dann nach draußen zu eilen und ihr die Schuhbänder zu knüpfen (I’ll Come Running To Tie Your Shoes). ist ja nicht so, dass man nicht auf dem Sprung wäre, wenn… Ja, wenn!
Ich komme auf diese Gedanken, weil ich mir extra ein Zimmer mit Meerblick genommen habe. Es ist mein kleiner Meditationsort, oder, um diesem Wort etwas den esoterischen Gehalt zu nehmen, mein kleiner Verweilort. Nach langen Wanderungen ist das hier ein ganz wohliges Plätzchen, um so solche Dinge zu tun wie
– die Meeresgeräusche und die Dämmerung auf sich wirken zu lassen (was auch unter „einfach dasitzen“ läuft)
– von gelegentlichen Blicken zum Horizont unterbrochen, den neuen Thriller von Steve Hamilton, Misery Bay, zu lesen (sehr gutes Buch, noir, aber nicht ohne Humor)
– die CD Black Light von Diagrams zu hören (s. Loblied auf Mr. Sam Genders)
– diesen Text über Fensterplatzbewohner zu schreiben
Tiefere Bedeutung dieser Zeilen: keine, sie sind selbstgenügsam. Pointe: Wenn man lange genug sitzt, geht ganz plötzlich die Post ab, mitten in der völligen Ereignisdürre!