„…we have the heavy melancholy of a New England Winter in early March, after an endless procession of blizzards, road-salt ruined highways, storm-damaged coastlis, million dollar snow removal budget overruns and the like.“ (Richard Goldin mag das Album überhaupt nicht, und schrieb diesen Satz dazu, den ich in einer 4-Sterne-Besprechung auch gerne geschrieben hätte, allerdings als Gütesiegel der Musik.)
Dass die Eskimos 50 Worte für Schnee haben, ist eine alte Mär, die wahrscheinlich ein Linguist erfunden hat, um bestimmte Beziehungen von Sprache und Wahrnehmung zu erhellen. Wunderbar, welch skurrile und anmutige Schneewörter in dem Titelsong auftauchen, z.B. „Rippucino“. Und „Faloop’njoompoola“ ist auch sehr speziell! In ihrer Besprechung von 50 Words for Snow sucht Ann Powers ihrerseits nach 50 Worten, um der Musik gerecht zu werden. „Powdery fantasia. Contemplative. Winter matins. Playful. Opium reverie. Grounded. Ghost story. Sensual. Artistic recalibration. Unhurried. Drummer’s holiday. Quiet. Ode to the white keys. Imaginative. Exploration of the lower register. Floating. Mother-son duet. Solitary. Snowed-in erotica. Collaborative. Joni Mitchell answer record. Inimitable. Supernatural space odyssey“.
Vor Wochen rief eine Episode, die Norbert Horst in seinem vorzüglichen Kriminalroman „Splitter im Auge“ erzählt, eigene Jugenderinnerungen an meine erste Begegnung mit Kate Bush wach: THE KICK INSIDE. So eine Stimme hatte man zuvor in der Popwelt noch nie gehört: hell, aber nicht scharf, sang sie sich durch einen englischen Zaubergarten, und man staunte nicht schlecht, dass Pink-Floyd-Mann David Gilmour (wenn meine Erinnerung mir nun keine Streiche spielt) ihr Mentor und Produzent war. Das Album enthielt mehr „pink“ als „floyd“, und begleitete mich durch einen Würzburger Sommer, es passte gut zu Obstwein und Flussspringen. Seltsamerweise verlor ich die Spur von Kate Bush in den Folgejahren, fand kein Album mehr sonderlich faszinierend, weder das mit dem Hit, wo sie einen Berg hinaufläuft, noch die Momente, wo der wunderbare Eberhard Weber Bass spielte. Ihr vielgerühmter Klassiker HOUNDS OF LOVE liess mich (aus Gründen, die ich nicht mehr weiss) kalt, und das erste Album nach ihrem Debut, das nach einiger Anlaufzeit mein Herz erwärmte, und zwar mächtig, war AERIAL (obwohl es, vom Sound her, noch ganz in den 80er Jahren beheimatet war). Und jetzt erscheint am Freitag also das neue Album: 50 WORDS FOR SNOW. Bei npr.org kann man es seit wenigen Stunden als live stream hören. Vielleicht mag der eine oder andere zuvor das interessante Interview lesen, das ein völlig übermüdeter John Doran mit Kate Bush für „thequietus.com“ führte. Ich finde diese kleine Schneemusik fesselnd! Das einzige Stück, das mir nicht so gelungen erscheint, ist das Duett mit Elton John, der einfach zuviel kulturelles Kitschgepäck mit sich schleppt, und hier, im einzigen „romantic overkill“ des Albums, auch nicht gerade an seine frühen guten Alben anknüpft (ja, die gibt es!). Da wäre mir die Stimme von Robert Wyatt viel, viel lieber gewesen. Dennoch: ein betörendes Werk, ein „Joni Mitchell Antwort-Album“!