Manafonistas

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2011 28 Okt

Gregor öffnet seinen Plattenschrank (4)

von: Gregor Mundt Filed under: Blog | TB | 2 Comments

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Der November naht, Zeit sich an Heinrich Heines Gedicht Ein Wintermärchen zu erinnern. Weit hinten in meinem Plattenschrank habe ich heute eine Schallplatte ausgegraben, die 1977 erschienen ist und in dem damals zu den Top-Ton-Studios in Deutschlands zählenden Tonstudio Bauer in Ludwigsburg (gleich hier um die Ecke!) aufgenommen wurde (viele Jahre hat hier Manfred Eicher für ECM gearbeitet). Die Rede ist von der Gruppe Poesie und Musik, zu der neben René Bardet, Andreas Vollenweider und Orlando Valentini gehörten. Ein neues Lied, ein besseres Lied wird hier von Bardet in einer so eindringlichen Art vorgetragen und musikalisch so gut untermalt, dass mich diese Platte damals wie heute tief beeindruckt.

2

Nun war ja überhaupt in den siebziger Jahren Poesie und Musik angesagt. 1976 erschien bei ECM die Schallplatte Peter Rühmkorf: Kein Apolloprogramm für Lyrik. Mit dabei damals: Michael Naura, Wolfgang Schlüter und Eberhard Weber. Das letzte Stück der Platte hat es mir besonders angetan:

KOMM RAUS

Komm raus aus deiner Eber-Einzelbucht,
aus deiner Ludergrube.
Komm raus aus deiner kaskoversicherten Dunkelkammer!
Auch dein Innenleben
findet öfter statt, merk ich grade —
(Komm raus aus deinem Farbbandkäfig)
Im Prinzip — ja? — P r i n z i p
sind doch längst alle Schleusen geöffnet, Gitter gefallen …

Immer noch vierlerlei Lichter hier, wo sich
keine Anzeigenseite dazwischenschiebt,
keine Helium-Annonce –:
D I E S O N N E
unverwandt, mit angezogenen Strahlen —
(Komm raus aus deinem Leichen-Entsafter)
Vor dir das Meer und hinter dir
die Waschmaschine …
(aus deinem Metzelwerk, aus deinem Familien-Gefrierfach)
Hier nichts gewollt zu haben,
ist soviel wie verspielt, das weißt du, oder?

Heda, eingerahmtes Tier, du kriegst
den Kopf wohl gar nicht mehr raus aus dieser Pate, laß sehn!
Unbeugsam reflektierst du dich
an der Schreibtischkante —
(eisern nach innen blickend, ein Vesuv mit geschlossenen Augen)
Komm raus aus deinem handversiegelten Hockergrab!
A u c h K u l t u r
ist nur eine unmaßgebliche Schutzbehauptung.

Eine Schlacht im Sitzen gewinnen:
s c h ö n w ä r `s ! ?
Und schön der Gedankeda wer sich nicht rührt,
hat wenigstens Anspruch auf Schicksal — Aus deiner Tropfsteintruhe!

Komm raus aus deinem Todeskoben, überleg dir das Leben:
Die Morgenschiffe rauschen schon an —
Ein Tag aus Gold und Grau:
willst du mit rein? —

3

1978 folgte dann Phönix voran. Statt Eberhard Weber spielte hier der Saxophonist und Flötist Leszek Zadlo zusammen mit Naura und Schlüter. Beide Platten wurden übrigens in Ludwigsburg eingespielt. Mit Phönix voran wird die Scheibe eröffnet, vorgetragen natürlich vom Meister selbst, Peter Rühmkorf, und Naura schrieb dazu die Musik, den Melancholic Waltz.
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4

Abschließend sei noch auf die Naura-Box hingewiesen. Die Plattenkiste enthält sechs CDs: Naura lyrisch, Naura musikologisch, Naura trifft Rühmkorf, Naura in Ochsenhausen, Naura im Studio, Naura Live im NDR, erschienen ist das ganze 2009. Von der dritten CD würde ich jetzt die Ballade von der Silberhochzeit auflegen, die sich übrigens auch auf der ECM-Scheibe Country Children wiederfindet.

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2 Comments

  1. Jochen Siemer:

    Phoenix voran – diese Platte hätte eine eigene Besprechung verdient und war ein großer, meisterlicher Wurf. Als design-orientierter Mensch sage ich zudem: ein hinreißendes Cover.

  2. Michael Engelbrecht:

    Peter Rühmkorf besuchte ich einmal für ein Porträt im Deutschlandfunk. Er hatte wirklich eine Dachkammer, wie man sie sich bei so einem Poeten erträumen würde, und eine alte Schreibmaschine. Draussen die Elbe. ich erinnere mich, wie er von PHÖNIX VORAN erzählte, und ass er bei den aufnahmen kein gutes Gefühl hatte, weil über einen Infekt eine gewisse Heiserkeit in seine Stimme gekommen sei. Aber, wie wir wissen, hat das nichts ausgemacht.


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