Auf der KrimiZeitBestenliste Oktober thront der neue Roman von Norbert Horst ganz oben. Und er ist eine angenehme Überraschung. Endlich mal ein guter Krimi, der in meiner Heimat spielt. Essen habe ich schon immer beneidet um Jürgen Lodemann und seinen Roman vom Viehofer Platz. Schimanski hat sich Duisburg zum Revier erkoren, und ist nur einmal zu Dreharbeiten ins Westfalenstadion gekommen, weil an der Wedau die Stimmung im Keller war. Jetzt wird auch ein Tatortkommissar für Dortmund aktiv, der erste Tote soll auf einer Halde gefunden werden, wie originell!
Steiger ist der Kriminalbeamte in Horsts neuem Buch: ein 50-something, der sich lange genug an seinen Illusionen gerieben hat, aber immer noch Leidenschaft entwickeln kann, wenn Fälle nach Vorschrift abgeschlossen werden, die mehr Fragen als Antworten enthalten. Er ist ein Wühler (nach dem Tod seines Vaters wühlt auch die Vergangenheit in ihm, eine weitere Ebene des Buches!). Und so ermittelt er auch jetzt auf eigene Faust, handelt sich dabei zwangsläufig jede Menge Ärger ein. Über die Geschichte selbst an dieser Stelle kein Wort, nur soviel: der Plot ist durchweg spannend inszeniert, mit gekonnten Verschiebungen der Zeit- und Erzählperspektiven: wie sind wir die geworden, die wir sind, und wie viele Optionen haben wir noch – eine Kernfrage guter Kriminalromane. Was das Buch rundum gelungen macht, sind vor allem die lebendigen Dialoge, der Blick für Details: die Freundschaft zwischen den Polizisten Steiger und Bato wird nicht zur Kumpanei mit stereotypen Floskeln. Auch die Amtsschimmel und Kreativitätsverhinderer vom Dienst werden nicht nach Schema F durch die Manege geführt.
Dieses Buch hat auch rein gar nichts für die Tourismusabteilung des Ruhrgebiets zu bieten. Das Leben an den Randzonen, die Aus-der-Ordnung-Gefallenen werden keineswegs mit idyllischem Lokalkolorit lesefrendlich aufbereitet. Es wimmelt in dem Buch auch nicht von Litfasssäulen und Pommesbuden. Norbert Horst ist ein fesselndes Leseabenteuer geglückt, das die Konventionen des Genres gewiss nicht hinter sich lässt, aber dennoch weit über dem Durchschnitt liegt.
P.S.: Dass Steiger Schalke-Fan ist, nehme ich gelassen zur Kenntnis. Ein bisschen Schadenfreude meinerseits muss er ertragen, als er in Gelsenkirchen etwas bedäppert erlebt, wie S04 gegen den BVB dank Kagawa und Co. 1:3 eingeht. In der Meistersaison. Und die Eisdiele in Dortmund-Hombruch kenne ich auch gut. Sollte das Buch mal verfilmt werden, dann bitte mit Joachim Krol in der Rolle des Steiger. Wäre schon schön zu sehen, wie Krol den Schalke-Fan gibt, ist er doch mit Haut und Haar ein alter Borusse.