Wie erinnert man sich an einen Roman, dessen Lektüre ein Jahr zurückliegt? Ist die Geschichte einem nachgegangen, oder hielt das Lesen nur den Mikrowellen-Effekt bereit: kurzfristig erhitzt, langfristig vergessen? R.J. Ellory´s Romane gehören zu der Sorte, dass die Figuren und Geschichten Bilder lange nachklingen. So viel moderne Romane, die zu Meisterwerken „hochsterilisiert“ (B. Labadia) werden, sind von tumber Holzschnitthaftigkeit, von bleierner Schwere (was das Buchgewicht – und die Verdaulichkeit betrifft, man denke nur, hier zwei von tausend, an den „Turm“ oder den „Butt“). R.J. Ellory ist hierzulande noch kaum einem bekannt, und ich stiess auf ihn, als mir ein Freund auf der Insel A QUIET BELIEF IN ANGELS ans Herz legte. Dort kam es auch an, im Herz. Eine Geschichte von Kindheit und Erwachsenwerden in einem alten Amerika. Auch die Geschichte eines Serienmörders.
Nun las ich im letzten Jahr also THE ANNIVERSARY MAN. Ich verschwand zwischen den zwei Buchdeckeln und tauchte erst Tage und Nächte später wieder auf. In diesem „roman noir“ (tres tres noir) wird die Geschichte eines Überlebenden erzählt. Der stille Protagonist wurde in seiner Jugend , zusammen mit seiner Freundin, das Opfer eines Serienkillers. Die Freundin starb, der Junge überlebte schwer traumatisiert. Neben dieser Figur gibt es eine Handvoll anderer Charaktere, die von den Abgründen, die das Leben bereit halten können, gezeichnet sind. Big Bertha bemerkt dazu: „The Anniversary Man is unquestionably a page turner with characters who are convincingly real and believable. Both Irving and Costello are brilliantly portrayed, both are haunted by the past and their mistrust of each other is central to a storyline that is both original and skilfully written. The pace of the book is just right with the tension building page by page as the book moves towards its gripping conclusion.“
Diesen Roman einen „Serienkillerroman“ zu nennen, geht aber wieder mal an der Wirklichkeit vorbei, assoziiert man doch mit diesem Sub-Genre, je nach Leseerfahrung und Vorurteilsfreudigkeit, Trash, B-Movies, und blosse Spannungsliteratur. R.J.Ellory und seine Romane, nicht zuletzt THE ANNIVERSARY MAN, sind von anderem Kaliber: sie transzendieren Genre-Befindlichkeiten. Noch heute geht mir die Figur des stillen Anti-Helden durch den Kopf. Es gibt Romane, die vergisst man einfach nie. Jetzt, dieser Tage, ist THE ANNIVERSARY MAN, auf deutsch erschienen, als Taschenbuch im Goldmann-Verlag; TAG DER SÜHNE ist der Titel (hier setzt bei sog. literarisch Gebildeten leicht ein Abwehrreflex ein, aber auch bei Goldmann erscheinen tolle Bücher). 564 Seiten kosten 9.99 Euro. Ellorys nächster Roman erscheint in Kürze in England, BAD SIGNS.
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