Ach, was für eine Überraschung in meinem Briefkasten. Der Mann von der Lower East Side war mir gänzlich unbekannt, aber nun fand sein sechstes Album seinen Weg zu mir. Die Stichwörter für Jeffrey Lewis sind: Anti-Folk (gewiss das dümmste Stichwort), Comic-Fan (er hat schon mal die Geschichte von Pocahontas erzählt und gesungen, in Comics und Noten), und gern wird kolportiert, das Jarvis Cocker (den ich für einen recht langweiligen Songschreiber halte und einen klugen Denker) Lewis für einen begnadeten Textschreiber hält und mit Superlativen nicht spart.
Nun, den Eindruck gewann ich auch beim Hören seines Albums A TURN IN THE DREAM-SONGS. Sein Sieben-Minuten-Lied über den prähistorischen grünen Schleim („Kongru Green Slime“; demnächst in den Klanghorizonten im Deutschlandfunk) wirkt wie eine bitterböse Parabel zum Kapitalismus und zur Auslöschung des Egos (wenn Samuel Beckett Comics gemacht hätte, er hätte diesen lebensfrohen Verzweiflungsspezialisten zum Wahlverwandten erkoren). Der Humor ist sophisticated und hintersinnig, was sich leicht bei der Lektüre des nachfolgenden Liedtextes nachvollziehen lässt.
Instrumentaltechnisch ist eine erstaunliche Vielfalt auf dem Album geboten, Primitivismus bester Machart, einer hemdsärmeligen Ästhetik des schrägen Tons folgend: Musiker aus anderen Bands mit Hang zum Herrlich-Unvollkommenen begleiten Jeffrey Lewis gerne, Blockflöten und Saxophone hinterlassen Klangspuren. Ich kann nur sagen, ich höre diese „WENDUNG IN DEN TRAUMSONGS“ mit Freude, weil überall ein großer Ernst versteckt ist (selbst in den boy-meets-girl-and-it-goes-totally-wrong-Songs) und (den folgenden altbackenen Ausdruck verwende ich nur alle Ewigkeiten) überbordende Fabulierlust.
Water leaking, water moving water goes not of its choosing/ Waterfalls and water dropping, water has no way of stopping / Water goes down, water went into me 90 %,/ But water can´t try, never will, It´s my 10% that fights uphill / And when I´m
dead and water crawls out, till all that 90% falls out / And all that´s left are the
bones that rattled, the feet that climbed and the thoughts that battled /
That´s the part with the gift and flaws, the water just obeyed nature´s laws /
Just obey and just give in and follow where the rest have been / But I had to
fail and go be lonely just to learn I had my own way / The things I wan might
just be trouble, I might be left with only rubble / But I´ve too much confidence
to only do things that make sense / when you were young you got good grades it
always seemed that you had it made / when I was young and people liked me and
told me all the things I might be / But everything was unpredicted, who knows
what might have fixed it / And time tries to pass in a torment, but I claw
against the current / Because water´s leaking, water´s moving but water goes
not of its choosing