Gegensätze befruchten sich gegenseitig. Nicht nur in Beziehungen (women from venus, men from mars); in der Biologie; in Wissenschaft und Philosophie (These – Antithese), sondern auch, wer hätte das gedacht – in der Musik.
Als Heiner Goebbels noch zusammen mit Alfred Harth musizierte, sagte er während eines Konzertes einmal, sinngemäß und ungefähr erinnert: „In meiner Musik versuche ich, Gegensätze zu vereinen. So entsteht Schönheit. Ohne das Böse; das Häßliche; das Brutale; das Kaputte wäre das Schöne (Wohlklingende) einfach nur fad.“
Dies ist wohl der Grund, warum mir die Arbeiten Goebbels´ ebenso wie die David Sylvians; John Zorns; Gary Thomas´ (Saxofonist, werden nur Wenige kennen) und Tim Bernes so attraktiv erscheinen – und ich auch zu jenen gehöre, die Mozarts Musik nie mochten.
Nun begab sich das Folgende am Wochenende in der niedersächsischen Landeshauptstadt: ein schreibfauler, dort residierender Manafonista dachte sich, er müsse endlich mal (wieder?) eine anständige Plattenbesprechung posten, denn die Manafonistas seien schließlich in erster Linie ein Musik-Blog. Und da ihm das Wolfert Brederode Quartett nach erstem, flüchtigen Eindruck gut gefiel – nicht zuletzt, weil der Schlagzeuger auch Qualitätskriterium von Colin Vallons „Rruga“ war, hörte er´s in Ruhe an.
Erinnerungen an Oregon kamen auf; das Piano klang ein bischen wie auf einer alten, verlassenen Dorfschule, aus dem Nebenraum aufgenommen (die ECM-Klasse). Man stelle sich ländliche Gefilde vor: Stille herrscht Allerorten vor. Vielleicht nach langer Wanderung betritt man den leeren Saal dieser Schule – und drückt eine Klaviertaste: pure Magie.
Und trotzdem wurde das Brederode-Hören, so etwa ab Track Zehn, etwas fade. Schade. „Anderes muß her, ein Kontrastprogramm, zur Wiedergutmachung, zur Beseitigung des tendenziellen Schläfrigwerdens!“ Der Zufall wollt´ es so: der Niedersachsen-Manafonista wählte Walter Beckers Circus Money. Es war die Offenbarung.
Noch nie vorher erschien ihm diese Scheibe so gelungen. Delikate Klänge, wie gesampled. Zitate einer grandiosen Jazz, Soul, Fusion – Ära. Dass Viele sich am Gesang Beckers stören: geschenkt. Herrlich schräg, abgedreht, schizo. Diesen angereiften Steely Dan – Genossen stelle man sich in der Harald Schmidt Show vor. Zuckergußzyniker unter sich.
Lacan-Leser werden wissen: ein Essay trug den Titel Kant avec Sade. Ebenso gilt Brederode avec Becker; Les Fleurs avec le Mal; romantische Landidylle avec L.A. – und das Gute ist: es funktioniert.
Post Scriptum: eine „anständige“ Plattenbesprechung ist es nun wieder nicht geworden.