Nachts wachte ich kurz auf. Ich blieb wach. Draussen regnete es. Ich zog mir etwas dickere Klamotten an und ging runter ans Meer. Hafengegend. Ich setzte mich auf eine Kaimauer und lauschte dem Wind. Die Geräusche verbanden sich mit den Klangwellen des späten Abends. Mathieu und Sylvian. Ich kam mir vor wie ein Schlafwandler. Eine halbe Stunde später kroch ich ins Bett zurück. Nichts war passiert. Etwas hatte sich verändert. Ich machte mir keinen Reim darauf. Kleine Hörempfehlung: Stephan Mathieu, A Static Place (12K).
Im Alpha-Room wartete nach dem Sylvian-Konzert ein allerseltsamstes Set-Up auf die Zuhörer: ein altes, leicht derangiert wirkendes Kofferradio von Telefunken, eine Tischzither, die, wie ich später erfuhr, vor Ewigkeiten von Gospelmusikern gespielt wurde, kleine wie Kinderspielzeug aussehende Klangerzeuger, mit denen die Saiten der Zither in Schwingung versetzt werden. Mittels Frequenzanalyse werden die für Mathieu nicht vorherhörbaren Radiosignale und die obertonreichen Tischzithermanipulationen verrechnet, und zaubern ein faszinierendes Soundgewebe in den Hörraum, das von Stephan Mathieu in der Live-Situation subtil verwandelt wird.
Der Mann aus Saarbrücken arbeitet mit herrlich lebendigen Drones, er fühlte sich auf seinem Weg gewiss ermutigt von Pionieren dieser Textur-forschungen, z.b. Von La Monte Young, Phil Niblock oder Thomas Köner. Interessant auch, dass einige Klangströme aus Sylvians „Plight and Premonition“ wie verwandelt auftauchten, Spuren des Originals liessen sich allenfalls ahnen. Es war der ideale Ausklang dieses Konzerttages, eine Musik, die sich, wie Sylvians Zeitreise, in manche Träume eingeschmuggelt haben wird. Unter dem Strich gab es also drei „streams“, die einander modulieren: Zither, Radio, Davids Band. Stephan Mathieu bearbeitete gar die gesamte 2. Hälfte der Sylvian-Aufführung, also den kompletten Stereo-Mix, der aus der PA kam. Das Resultat hat natürlich wenig mit dem klassischen „Realismus“ eines Samples zu tun. Man befindet sich eher in einer „Parallelwelt“.
Der Musiker und Komponist Peter Schwalm war tief beeindruckt von der Performance. Er fotografierte den kleinen Aufbau der Gerätschaften, man fühlte sich wahrlich wie in ein Museum versetzt. Stephan Mathieu kombiniert das Uralte und das Highfidele ohne nostalgischen Zierat. Er besitzt einer Sammlung rarer Schellackplatten aus den 10er und 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Und er nennt auch alte Grammophone sein eigen, räumt im Gespräch gern mit den Vorurteilen auf, diese ehrwürdigen Trumms hätten in ihrer Zeit eher gruselig geklungen. Das Gegenteil sei der Fall . Und er beschreibt, wie es sich anhörte, damals, als sich die Stahlnadel auf eine Robert Johnson-Bluesplatte senkte. Auch Mathieu pflegt die Praxis der Zeitreisen.
Und der Raumforschungen: