Manafonistas

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2011 29 Aug

Distinktionsgewinne

von: Jochen Siemer Filed under: Blog | TB | Tags: , , | Comments off

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Wenn David Sylvians Gesang im Verbund mit Dai Fujikuras Streicherarrangements erklingt, dann ist das konstruktivistisch und narrativ zugleich wie etwa die Musik von Steve Coleman, Greg Osby und Gary Thomas – allesamt Saxophonisten mit der Vorgehensweise von Architekten. Eine andere Sehnsucht wird hier erfüllt als die nach Verschmelzung und Symbiose: kraftvolle Nüchternheit, Klarheit, Vorwärtsgerichtetsein.

In der Kooperation von Steve Coleman und der Sängerin Jen Shyu beispielsweise entsteht ein Zauber wie in diesem Beckett-Stück, wo Schauspieler um eine Leerstelle tanzen, die sich niemals offenbart, aber den Tanz bewirkt – und die Suche vorantreibt. Über die Dynamik des Begehrens, das beständig um diese Leerstelle kreist, hat auch der skandalöse Psychoanalytiker Jaques Lacan viel geschrieben. Eleven wie Slavoj Zizek haben es dann unterhaltsam und eklektisch nachgedeutet.

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Kennen Sie den Unterschied zwischen Holen, Kaufen und Sichern? Falls nicht, dann lesen Sie, wenn Sie mögen, einen witzigen Artikel aus der Hannoverschen Allgemeinen und Sie werden sich fortan von der All-Gemeinheit deutlich unterscheiden. Zudem entgehen Sie der Gefahr, mit Margot Käßmann zusammen im Erdboden zu versinken statt – wie gewünscht – dereinst ins Himmelreich zu fahren.

Gerettet und die Zeichen der Zeit erkennend, sichern Sie sich dann den qualitativ hochwertigen Clip einer 3Sat-Aufzeichnung mit Steve Colemans Five Elements und der bezaubernden Jen Shyu, solang´ er noch zu haben ist. Denn oft sind geschätzte YouTubes plötzlich spurlos verschwunden – nicht vom Rabbitskinner beiseite geschafft, vielmehr von Autoren, die ihre Rechte geltend machten.

Überzeugen Sie sich abschließend davon, dass auch schwer zugängliche Musik (gibt es hier etwa einen Geheimcode tiefen esoterischen Wissens zu knacken?) ungemein inspirierend wirkt und geradezu erlöst von Banal-Pop und den ewigen edel-nostalgischen Klangidyllen.

Wer´s vertiefen möchte, liest dann noch Pierre Bourdieus „Die feinen Unterschiede“ über Distinktionsgewinne und Phillip Lahms „Der feine Unterschied“ über deren Verlust. Oder er hört einfach nur Musik von Coleman, Shyu, Sylvian und sitzt entspannt im Café Nirvana … while the espresso machine gently weeps.

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