Who´s that woman? „Kino heisst, dem Tod bei der Arbeit zuschauen“, sagte Godard einmal. Nostalgie ermöglicht die Rückkehr an Orte in der Zeit, in denen die Gegenwart einen sehr langen Atem hatte, Entdeckungen jeden Tag erfolgten, alle Dejavues noch geheimnisumwittert waren und selbst die Rituale des Alltags Angebote ferner, naher Welten enthielten. In der Jugend, die, wie ein tristes Sprichwort sagt, an die Jugend verschenkt ist, kam das Wunderbare auch aus der Flimmerkiste. Es gab Fernsehserien, denen man entgegenfieberte, weil sie Tore in eine Welt aufsperrten, die vom kleinbürgerlichen Muff meilenweit entfernt waren. Nicht nur die Popmusik der 60er Jahre leistete diese Dienste, sondern auch jene Zwischenwelten zwischen „ich-trau-mich-nicht“ und „Trau-keinem-über-dreissig“, in denen das Fernsehen Parallelwelten schuf, die sich bis in unsere Träume auswirkten. Wenn wir „Mit Schirm, Charme und Melone“ sahen, nahm uns schon die Filmmusik gefangen, „The Avengers“.
Wir folgten Emma Peel und John Steed durch Welten voller Roboter, Psychotiker, und Laboratorien des Irrsinns, die später (mit erheblich mehr Science-Fiction-Elementen) von „Akte X“ in eine modernere Zeit transportiert wurden. Thrill und Mystery und britischer Humor waren eins bei der Karate-kundigen Emma und dem archetypischen Gentleman John. Als vor Jahren die Serie neu aufgelegt wurde, war die Begeisterung gross: man konnte en detail referieren, wie Moden kreiert wurden, wie das Fernsehen alte Tabugrenzen brach, eine neue Weiblichkeit listig auftrumpfte. Allein: die Nostalgie garantiert nicht mehr den alten Zauber; diese Filme wirken heute, trotz all ihren enormen Einfallsreichtums, seltsam altbacken, hochinteressant nur noch für den Historiker und ein restlos sentimentales Gemüt. Das Mitfiebern ist verschwunden. Es war einmal. Oder haben Sie Diana Rigg gleich erkannt, auf diesem Foto?
Der Soundtrack allein erzeugt noch den gleichen Schauer. Als würden tief gelegte Areale unseres Gehirns angezapft, die alles Dazwischen ausschalten und uns unmittelbar in die Vergangenheit transportieren. Daran ist nichts Besonderes: gehen Sie mal nach Jahren und Jahren in Ihre alte Schule, und nehmen Sie nur für einen Augenblick den vertrauten Geruch wahr (er verschwindet nie): wenn die Glocken läuten, würden Sie, wie in Trance, ein altes Klassenzimmer aufsuchen, und sich, ganz kurz, wundern, wieso niemand sonst da ist. Geisterstunde.